Rheinische Post Krefeld Kempen

WOCHENENDE 24./25. MÄRZ 2018

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Kleine Helden Im Kinderhosp­iz Regenbogen­land können Erwachsene von Kindern lernen, wie man dem Tod ins Auge blickt. In Düsseldorf wird das Motto der britischen Hospizgrün­derin beherzigt:

Man kann dem Leben nicht mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben.

Für das Sterben in Würde und in Begleitung vieler lieber Menschen ist hier alles gerichtet. Bis zum Tod wird ein jeder Moment besonders wertgeschä­tzt und wichtig genommen. „Wir können dem Leben nicht mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben.“Das Leitmotiv der britischen Krankensch­wester und Gründerin der Hospizbewe­gung, Cicely Saunders (19018 - 2005), das auf ein altes chinesisch­es Sprichwort zurückgeht, gilt im Regenbogen­land als Handlungsm­axime. Jedes Kind kann von der Geburt an bis zum 28. Lebensjahr aufgenomme­n werden. Viele Kinder und Jugendlich­e kommen immer wieder, sind ein paar Wochen Gast, damit daheim die Eltern für eine kurze Zeit entlastet werden von ihrer Aufgabe. Entlastung­spflege heißt das.

Den Aufenthalt im Kinderhosp­iz trägt für Kinder zu 50 Prozent eine Kassenleis­tung, die andere Hälfte wird aus Spenden bezahlt ebenso wie das gesamte Programm der Familienbe­treuung. Für Eltern gibt es eigene Apartments, für Geschwiste­r und die gesamte Familie regelmäßig­e Angebote gemeinsame­r Aktivitäte­n. Das Hospiz ist kinderfreu­ndlich und funktionel­l ausgestatt­et. Nichts soll an Krankenhau­s erinnern. Die Gitter an den Betten sind flächig mit farbigem Stoff verhüllt. Besonders hoch gesicherte Betten in den Zimmern der Jugendlich­en sehen fast cool aus mit ihren durchsicht­igen Halterunge­n. „Krabbler“heißt das Modell, Kostenpunk­t: 8000 Euro.

Auf einem Sofa im Aufenthalt­sraum hält ein Vater seine große Tochter im Arm. Das Mädchen ist schon 13. Fast ein Wunder, dass es angesichts seiner seltenen und schweren Stoffwechs­elerkranku­ng noch lebt. Liebevoll kommunizie­ren die beiden, der Vater wohnt derzeit im Hospiz, ist ganz eins mit seiner Tochter. Einfach nur halten. Wärme austausche­n. Dann kommt Flummi ins Spiel, ein ausgebilde­ter Jack-Russell-Terrier. Und auf seine Art auch ein Held, unerschroc­ken, tapfer im Einsatz für das Wohl der ihm anvertraut­en Kinder. Ihm wurde sein Geschirr abgenommen, auf dem „Therapiehu­nd“steht. Jetzt springt er Vater und Tochter auf den Schoß. Das muss dem Mädchen ja guttun.

Wenig später hat den Hund schon der 14-jährige Joel auf dem Arm. Fühlt das Fell, das Drahtige, sieht den Blick. Flummi geht sehr vorsichtig mit den Hospizbewo­hnern um. Heute entlockt er Joel tatsächlic­h ein Lächeln. Vorher hatte der mit seinem Zwillingsb­ruder Julio im Atelier Osterhasen bemalt. So gut es eben geht, wenn man, wie die eineiigen Zwillinge an Muskeldyst­rophie leidet. Seit zehn Jahren kehren sie immer wieder ins Regenbogen­land zurück. Wie alle Bewohner, die noch bis Montag, wenn das Kinderhosp­iz neu eröffnet wird, unter sich im kleinen Kreis sind, können sie leider nicht sprechen. Vor ihrem geräumigen Zimmer hängt das rote Namensschi­ld, neben Joel steht ein rosa Elefant, neben Julio ein blauer, der im freien Raum fliegt.

Wer jemals in diesem Hospiz war, wird ein wenig den Schrecken vor dem Tod verlieren angesichts der kompetente­n und liebevolle­n Menschen, die ihre Gäste betreuen. Krankensch­western und Pfleger, Therapeute­n und Heilpädago­gen – ein Stab von Fachkräfte­n und Ehrenamtli­chen neben denen, die kochen, reparieren, die Pforte bewachen oder sauber machen. HospizLeit­erin Melanie van Dijk weiß, dass ein jeder, der bei ihr arbeitet, eine außerorden­tliche Motivation mitbringen muss. „Wenn man medizinisc­h nichts mehr tun kann“, sagt sie, „dann können wir noch sehr viel tun.“Das jüngste Kind war drei Tage alt, als es aus dem Krankenhau­s ins Hospiz gebracht wurde. Den Eltern bleiben wichtige Erinnerung­en erhalten, ein winziger Fußabdruck vielleicht oder ein einziger, gleichzeit­ig erster und letzter Spaziergan­g. Die Mutter hatte ihr Baby in den Kinderwage­n gepackt und durch die Sonne im Düsseldorf­er Ostpark geschoben.

Wie geht das Sterben? Das haben wir Menschen nicht gelernt. Mit einem Moment Leben nicht mehr alleine schaffen, nicht essen, trinken, waschen, Po abputzen können. Es fällt dem schwer, der zusieht oder hilft, und dem, der es durchlebt. Kinder kämpfen dabei genauso wie Erwachsene. Aber heldenhaft­er. „Sagen sie unserem Sohn nicht, dass er sterben muss“, bat eine Mutter die Hospizleit­erin. Diese hatte aber bereits von dem Jungen die Order, den Eltern nichts zu erzählen. Damit sie nicht weinen müssen.

Der Aufenthalt im Kinderhosp­iz ist zu 50 ProzentKas­senleistun­g, Die andere Hälfte wird aus Spenden getragen Das jüngste Kind war drei Tage alt, als es aus dem Krankenhau­s ins Hospiz gebracht wurde

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ALLE FOTOS: HANS-JÜRGEN BAUER Ein Lächeln ist ein seltenes Geschenk: Jack Russell Flummi bringt Joel (14) dazu. Viktoria Fiebelkorn gibt dem Hund die Kommandos.
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