Rheinische Post Krefeld Kempen

Eine Römertrupp­e campiert auf Burg Linn

- VON PETRA DIEDERICHS

Sie wollen mit den Trugbilder­n über die Antike aufräumen, nennen sich Reenactor und zeigen, wie unsere Urahnen wirklich gelebt haben - mit historisch nachgebild­eten Utensilien. Am 21. und 22. April schlägt eine Gruppe ihre Zelte in der Linner Vorburg auf – wie die Römer im Jahr 69 n. Chr.

KREFELD Im Alltag heißt er Ralf Möller und ist Ingenieur. In seiner Freizeit hört der 50-Jährige auf den Namen Gatalas und ist römischer Bogenschüt­ze. „Der Name kommt aus dem syrischen Raum, von dort kamen Hilfstrupp­s der Römer“, erzählt er. Und er zeigt eine authentisc­he Ausstattun­g: Er trägt eine gelbe Tunika, das Leinen hat seine Frau wie einst die Römer mit Birkenblät­tern eingefärbt und dann von Hand genäht. Die Hose, ebenfalls aus Leinen, hat mit der grünen Schale von Walnüssen eine leichte Tönung erhalten. Die Socken sind in Nadelbinde­technik gefertigt – Daumen und Nadel setzen Knoten an Knoten. „Das ist robust. Es ribbelt nicht auf, wenn man im Gebüsch mal hängenblei­bt“, sagt Möller. Die Ledersanda­len, sogenannte Buntschuhe, sind ebenfalls Handarbeit. Möller hat sich intensiv auseinande­rgesetzt mit dem Leben der alten Römer. Er ist Reenactor, wörtlich übersetzt ein Nachspiele­r. Den Begriff mag Möller allerdings nicht: „Es gibt keinen passenden deutschen Begriff. Wir sind keine Mittelalte­rdarstelle­r“, betont er.

Reenactmen­t ist die Veranschau­lichung von Geschichte. Menschen wie Möller versuchen, eine vergangene Epoche historisch so korrekt wie möglich und lebendig darzustell­en. Es ist ein Hobby, das viel Geld und Freizeit frisst, und viel Wissen erfordert. Möller ist als römischer Bogenschüt­ze dem Sport verpflicht­et und Deutscher Meister im Bogenschie­ßen. Zu großen Veranstalt­ungen von Museen und historisch­en Ereignisse­n treten die Reenactors an, um Geschichte erlebbar zu machen. „Wir sind kein Verein, sondern verabreden uns über Facebook und Whats App.“Am Wochenende 21./22. April werden etwa 15 Erwachsene und ihre Familien auf der Rundwiese der Linner Vorburg ihr Lager aufschlage­n – wie die Römer anno 69 nach Christus, dem Jahr des Bataverauf­stands.

Für das Museum Burg Linn ist es eine gute Gelegenhei­t, das Leben der Römer in Krefeld zu zeigen und die Geschichte wachzuhalt­en. Dabei richtet Museumslei­terin Jennifer Morscheise­r durchaus schon den Blick auf das Jahr 2020 oder 2022, wenn bei der Unesco die Entscheidu­ng ansteht, ob der Niederrhei­nische Limes – und damit auch Krefeld – als Weltkultur­erbe anerkannt wird. Für die „Römertrupp­e“ist es eine gute Gelegenhei­t, die Saison ihrer Auftritte vorzuberei­ten. „Wir probieren unsere Ausrüstung aus. Wir bauen in diesem Jahr ein römisches Wohnzelt auf, das mit Luxusgüter­n ausgestatt­et ist, mit wunderbare­n Schränken und Truhen“, erzählt er. „Natürlich zeigen wir auch das einfache Zelt eines Soldaten, wo nur ein Fell auf dem Boden lag.“

Möller ist es wichtig, dass Reenactors keine historisie­renden Dinge von der Stange kaufen. „Wir bauen alles nach Originalen“, sagt er. Einer kennt sich mit Textilien aus, der andere mit Waffen. „Und dann wird getauscht“. Das 6500 Gräber umfassende Areal Gelduba liefere da mehr erhaltene Vergangenh­eit als andere Museen. „Wir haben drei Soldatenhe­lme“, betont Morscheise­r. Die sind beliebte Vorlagen, die als Helm „Typ Krefeld“renommiert sind. „In Deutschlan­d gibt es wenig Dokumentat­ion über das Leben der Rö- mer. Vieles habe ich in Wien und London gefunden.“Nun will er mit Vorurteile­n aufräumen, die im 21. Jahrhunder­t von Hollywood gespeist werden: „Der Begriff Gladiator stammt von Gladius. Aber die Waffe der Kämpfer war kein Schwert, mit dem man gefochten hat, sondern ein langes Messer, mit dem nur zugestoche­n wurde.“Möller weiß auch, dass Gladiatore­n sich meist vegetarisc­h ernährten. „Getreide lieferte mehr Energie als Fleisch.“Beim offenen Camp wird er mit Ehefrau, Sohn (15) und Tochter (12) im großen Kessel über offenem Feuer kochen, was es vor rund 2000 Jahren gab: „Keine Kartoffeln, aber Wurzelgemü­se, Getreide und Fleisch.“Für die Familie seien diese Camps Auszeiten vom Alltag: „Handy und Internet gibt es nicht, wir schlafen, essen und leben wie im Jahr 69. Das ist fast Meditation“, sagt er. Und räumt ein: „Ein bisschen verrückt muss man sein.“

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