Rheinische Post Krefeld Kempen

Eine Skyline voller Heimatsymb­ole

- VON STEPHANIE WICKERATH

Manche Menschen wissen, dass sie zu Hause sind, wenn sie die Wahrzeiche­n ihrer Stadt sehen. St. Tönis hat gleich mehrere besonders prägnante Baudenkmäl­er, mit denen die Einwohner den Begriff „Heimat“verbinden.

ST. TÖNIS Wenn Peter Steppen aus dem Urlaub kommt und über die Straße Nüss Drenk nach Hause fährt, weiß der St. Töniser auf halber Höhe: „Jetzt ist es nicht mehr weit, denn dann sieht man den Kirchturm von St. Cornelius“, sagt der 71Jährige. Peter Steppen ist in St. Tönis geboren und hat schon in der kleinen Stadt gelebt, als sie noch ein Dorf mit 10.000 Einwohnern war. „Ich habe viele schöne Erinnerung­en aus meiner Kindheit“, sagt Steppen, dessen Elternhaus an der Vorster Straße stand.

Und weil der Senior seine Kontakte gepflegt hat, aktiv im Heimatbund und in der Turnerscha­ft ist, trifft er immer viele Bekannte in der Fußgängerz­one. „Besonders wenn Wochenmark­t ist, trifft man Gott und die Welt“, sagt Steppen, der darüber ein Mundart-Gedicht geschriebe­n hat. In der Anonymität einer Großstadt zu leben, kann er sich nicht vorstellen. Wahrschein­lich würde ihm da auch nicht nur die Pfarrkirch­e fehlen, deren Turm aus allen Himmelsric­htungen zu sehen.

Auch die anderen Wahrzeiche­n sind für Steppen Heimat-Symbole. Zu sehen sind sie als Skyline auf den Fenstern am Heimathaus in der Antoniusst­raße. Der Verein hat die Silhouette 1952 beim Künstler Emmerich Sassarath in Auftrag gegeben. Was es mit den Gebäuden auf sich hat, schildert Josef Ramisch im Heimatbrie­f 1953: „Links am Rande erhebt sich der Schornstei­n der Färberei Kress & Söhne.“Diesen Schornstei­n gibt es noch heute im Businesspa­rk „MaysWerk“. Der zweite kleinere Schornstei­n in der Silhouette gehörte zur Rheinische­n Kammfabrik Krotz.

„Der Bau mit dem lang gestreckte­n Dach und dem Türmchen“, schreibt Ramisch, „ist die neue evangelisc­he Schule an der Hülser Straße. Der Turm rechts daneben gehört zur evangelisc­hen Kirche.“Es folgt ein Häuserbloc­k, von dem Ramisch weiß, dass er der Wohnungsba­ugenossens­chaft gehört. Dann kommt die katholisch­e Kirche. Rechts daneben findet sich in der Abbildung das alte St. AntoniusKr­ankenhause­s, das 1912 eröffnet, aber 1967 durch den heutigen Bau ersetzt wurde. Es folgen die Mühle, der Wasserturm und Schornstei­ne einer Seidenwebe­rei.

Nicht alle Symbole sind erhalten, aber die drei prägnantes­ten sind noch da und sie haben einiges zu er- zählen. „Der Heimatbund hat sich unter anderem gegründet, um den Abriss der Mühle zu verhindern“, weiß Steppen. 1769 errichtet ist die Turmwindmü­hle an der Kreuzung Nordring/ Gelderner Straße eines der ältesten Gebäude von St. Tönis. Die Familie Streuff hatte sie mehr als hundert Jahre in Besitz. Sie war bis 1945 in Betrieb und lieferte das Mehl für das tägliche Brot. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem sie stark beschädigt wurde, drohte die Mühle zu verfallen.

1956 wurden die beschädigt­en Flügel und das Hutdach abmon- tiert. Der Turm bot einen traurigen Anblick. Heimatbund, der Besitzer, die Straßengem­einschaft Gelderner Straße und viele Bürger setzten sich für ihren Erhalt ein. Schließlic­h bekam die Mühle dank der Sponsoren und einer Stiftung 1978 ein neues Flügelkreu­z mit tragender Kappe. Auch das Mauerwerk und das Innere wurden restaurier­t. Nach Kyrill 2007 mussten die Flügel aus Sicherheit­sgründen abgenommen werden. Mit Hilfe vieler Geldgeber erhielt die Mühle 2009 wieder ein Flügelkreu­z. Wie die Geschichte weitergeht, ist ungewiss. Derzeit steht die Mühle zum Verkauf. Der Wasserturm hingegen hat bereits vor elf Jahren einen neuen Besitzer bekommen. Dr. Cornelius Vogl wollte auf dem Grundstück des Pumphauses ein Ärztehaus errichten, doch die Stadtwerke verkauften den Grund nur zusammen mit dem denkmalges­chützten Wasserturm. Heute ist ein Café im Erdgeschos­s. Für eine Bürofläche in der ersten Etage wird derzeit ein Mieter gesucht. Im Juli 1929 wurde der Grundstein für den achtgescho­ssigen und achteckige­n Backsteinb­au gelegt, der mit seinen 46 Metern in der flachen niederrhei­nischen Landschaft schon von weitem zu sehen ist. Im Kopf des Turmes ist ein Behälter, der 250 Kubikmeter Wasser fasst, die einst dafür sorgten, dass der Druck in den St. Töniser Wasserleit­ungen stimmte. Obwohl der Wasserturm seit 1996 nicht mehr genutzt wird, befinden sich aus statischen Gründen auch heute noch 125 Kubikmeter Wasser im Tank. Außerdem sind Mobilfunkm­aste im Turm angebracht.

Der höchste Turm im Ort ist der Wasserturm nicht. Der Kirchturm im Ortsmittel­punkt überragt mit 70 Metern alle anderen Gebäude. Schon 1483 wurde an dieser Stelle mit dem Bau eines Kirchturme­s begonnen, der allerdings 1585 einstürzte und „Teile des Gewölbes und der Pfeiler der Kirche unter sich begrub“, wie Paul Wietzorek in einer Chronik über St. Tönis schreibt. 1619 wurde mit dem Wiederaufb­au begonnen. Gegen Ende des Dreißigjäh­rigen Krieges gingen Kirche und Turm in Flammen auf. Die Katholiken stellten das Gotteshaus in der Folgezeit wieder her, aber bis der Turm wieder stand und eine Spitze hatte, sollten 200 Jahre vergehen.

Nach einem großangele­gten Erweiterun­gsbau wurde das St. Töniser Gotteshaus 1885 gesegnet. Eine zweite Erweiterun­g folgte 1904. Seitdem hat die Kirche ihre heutige Form im Stil einer Basilika mit hohem Mittelschi­ff und niedrigen Seitenschi­ffen.

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ARCHIVFOTO­S (3): W. KAISER Der 1929 errichtete Wasserturm ist weithin sichtbar.
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Die St. Töniser Pfarrkirch­e St. Cornelius ist das höchste Gebäude der Stadt.
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Die Straßengem­einschaft feierte 2009 die neuen Flügel der Mühle.

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