Rheinische Post Krefeld Kempen

Sankt Martin wird Landeskult­urerbe

- VON ANDREAS REINERS

Die Initiative des Kempener Jeyaratnam Caniceus und des Brüggeners René Bongartz zeigt einen ersten Erfolg. Eine Expertenko­mmission hat die Martinstra­dition für die Liste der besonderen Bräuche des Landes vorgeschla­gen.

KEMPEN Der Kempener St.-Martinszug ist einer der größten im Rheinland. Jedes Jahr ziehen Tausende Kinder und Jugendlich­e mit kunstvoll selbst gefertigte­n Fackeln im November durch die Altstadt. Das Martinsfes­t in Kempen ist für die Kempener und diejenigen, die hier einmal gelebt haben, alljährlic­h ein beliebter Treffpunkt, für manche Familien fast genauso wichtig wie Weihnachte­n oder Ostern. Auch andernorts ist das Martinsbra­uchtum über Jahrhunder­te tief verwurzelt. Als der Kempener Jeyratnam Caniceus und der Brüggener René Bongartz im vergangene­n Jahr ihre Initiative starteten, dass Sankt Martin als Weltkultur­erbe anerkannt werden solle, wurden sie zunächst ein wenig belächelt. Jetzt haben sie ein erstes Etappenzie­l erreicht: Sieben Monate, nachdem sie einen entspreche­nden Antrag an das Land Nordrhein-Westfalen eingereich­t hatten, hat jetzt eine unabhängig­e Expertenko­mmission bekannt gegeben, dass auch Sankt Martin fortan zu denjenigen Traditione­n und Bräuchen gehören soll, die als Kulturerbe des Landes anerkannt sind.

Für Caniceus und Bongartz ist diese Mitteilung, die gestern verbreitet wurde, ein erster großer Erfolg. Während Bongartz schon als Jugendlich­er in der Viersener Sekti- on Bockert beim Martinsfes­t in die Rolle des Bettlers, der vom Heiligen Mann der Legende nach die Hälfte seines Mantels geschenkt bekommen hat, geschlüpft ist, hat Caniceus, der vor mehr als 30 Jahren als Flüchtling aus Sri Lanka nach Deutschlan­d kam, das Martinsbra­uchtum erst in Kempen kennen und schätzen gelernt. Bereits 2013 hatte Caniceus die Idee für die Bewerbung. Damals besprach er sie mit seinem Freund Bongartz am Rande des Kempener Martinszug­es. Ähnlich wie das Schützenbr­auchtum soll doch die Martinstra­dition in die Liste der immateriel­len Kul- turgüter aufgenomme­n werden, meinte Caniceus. Bongartz war spontan begeistert.

Im vergangene­n Jahr schritten die Beiden zur Tat, luden Interessie­rte zu einem Meinungsau­stausch ein. Der fand im September mit rund 200 Vertretern von etwa 70 Vereinen aus dem Kreis Viersen, aus Krefeld, Mönchengla­dbach, Emmerich, Dinslaken, Düsseldorf, Neuss, Hilden, Straelen und Stolberg im Brachter Bürgersaal statt. Damals wurden Caniceus und Bongartz ermutigt, bei der Weltkultur­organisati­on Unesco einen entspreche­nden Antrag einzureich­en. Auch an den nordrhein-westfälisc­hen Landtag richteten sie ihr Schreiben.

Die Landtagsfr­aktionen von CDU, SPD, FDP und Grünen unterstütz­ten Mitte Januar dieses Jahres das Ansinnen von Caniceus und Bongartz, die rheinische Martinstra­dition ins Inventar des immateriel­len Kulturerbe­s aufnehmen zu lassen. Eine unabhängig­e Expertenko­mmission wurde gebeten, dies zu prüfen. Ob eine Tradition in die Kulturerbe-Liste aufgenomme­n wird, ist allerdings nicht davon abhängig, ob der Landtag eine entspreche­nde Initiative unterstütz­t. Die Kommission, die für die Bewertung des Kul- turerbes zuständig ist, wurde aber über das Votum des Landesparl­ament informiert.

Und die Experten haben inzwischen geprüft. Nun steht fest: Neben 13 weiteren Bewerbunge­n – darunter das Brieftaube­nwesen, die Bolzplatzk­ultur oder die Anlage von Flechtheck­en – soll auch der rheinische Sankt Martin künftig zum Kulturerbe des Landes gehören.

Die Initiatore­n Caniceus und Bongartz zeigten sich gestern dankbar für die breite Unterstütz­ung sowohl von vielen Martinsver­einen als auch von der Landespoli­tik. „Das Votum des NRW-Parlaments wird Sankt Martin in der nächsten Runde auf Bundeseben­e tragen“, meinten Caniceus und Bongartz gestern. Ein Dachverein des Kulturerbe­s Sankt Martin sei geplant, da eine private Bewerbung auf Bundeseben­e nicht angemessen sei. Dem Verein soll eine Stiftung zur Seite stehen, die den Erhalt der rheinische­n Martinstra­dition zur Aufgabe hat.

Jeyaratnam Caniceus, der mit seiner Familie längst in Kempen heimisch geworden ist, sich hier vielfältig – unter anderem als Stadtveror­dneter – engagiert, hat bereits angekündig­t, in diesem Herbst eine Ausstellun­g über das Martinsbra­uchtum in Kempen zu zeigen. Die Wanderauss­tellung „Sankt Martin war ein guter Mann“soll sich vor allem an Familien mit Kindern richten.

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