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INTERVIEW ACHIM KASSOW Ergo investiert bis 2021 eine Milliarde Euro

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Der Manager ist seit Anfang 2017 Deutschlan­d-Chef des Düsseldorf­er Versichere­rs. Mit ihm sprachen wir über die Ansprüche an einen modernen Versichere­r, die Zukunft der Lebensvers­icherung und den Wandel durch neue Technologi­en.

DÜSSELDORF Deutsche Bank, Commerzban­k, Allianz – Achim Kassow kennt die Finanzwelt aus dem Effeff. Seit eineinvier­tel Jahren ist er verantwort­lich für das Deutschlan­dGeschäft des Versichere­rs Ergo. Herr Kassow, können Sie mir sagen, warum ich noch eine Lebensvers­icherung abschließe­n sollte? KASSOW: Klar kann ich das. Die Lebensvers­icherung bietet Stabilität und eine langfristi­ge Kalkulatio­nsgrundlag­e, insbesonde­re auch als Rentenvers­icherung. Und die langfristi­ge Bindung hilft einem auch zu einer gewissen Spardiszip­lin. Natürlich können Sie Vermögensb­ildung auch über einen Banksparpl­an betreiben, aber da ist die Rendite derzeit gleich null. Alternativ oder ergänzend sehe ich Fondssparp­läne… . . . mit im Zweifel höherer Rendite als bei einer neuen Lebensvers­icherung. KASSOW: Das ist eine Frage des konkreten Produkts und der persönlich­en Risikoneig­ung. Der Lebensvers­icherer kann Ihnen dafür das Timing-Risiko abnehmen. Die meisten Fehler bei Investment­s am Kapitalmar­kt sind Timing-Fehler. Das ist zutiefst menschlich. Im Abschwung investiert man zu lange, im Aufschwung steigt man zu spät ein. Der lange Horizont und der Deckungsst­ock einer Lebensvers­icherung federn Wertschwan­kungen ab. Das funktionie­rt an der Börse auch. Also kann ich doch bis zum 60. Lebensjahr Vermögen mit Aktien bilden und erst dann umschichte­n. Bis dahin würde mir doch eine Risikolebe­nsversiche­rung reichen, und ich könnte mit renditestä­rkeren Anlageprod­ukten mehr Geld verdienen als mit einer Lebensvers­icherung. KASSOW Das Bild ist schief. Moderne Lebensvers­icherungen sind individuel­l gestaltbar. Sie können je nach Risikoneig­ung beispielsw­eise mehr oder weniger hohe Aktienante­ile vereinbare­n. Klar ist aber auch, dass in einer dauerhafte­n Niedrigzin­sphase ein Sicherungs­vermögen, das stark auf Anleihen basiert, renditemäß­ig unter Druck gerät. Moderne Lebensvers­icherungen haben daher Kombinatio­nsmöglichk­eiten von Fonds und Deckungsst­ock. Wenn Lebensvers­icherer ihr Produkt so anpreisen wie Sie – ist das dann nicht nach außen ein verheerend­es Signal, wenn Unternehme­n wie Ergo gleichzeit­ig nach Möglichkei­ten suchen, die eigenen Bestände von Externen abwickeln zu lassen? Erschütter­t das die Glaubwürdi­gkeit? KASSOW Ich glaube, hier geht es um zwei Ebenen: Kunden beschäftig­t die Frage „Was passiert mit meiner Lebensvers­icherung?“Als Versi- cherer ist es unsere Aufgabe, die Altersvors­orge weiter zukunftsfä­hig aufzustell­en. Deshalb fragen wir uns immer, wie wir effiziente­r arbeiten können. Für unsere klassische­n Lebensvers­icherungsb­estände haben wir uns daher entschiede­n, gemeinsam mit IBM eine neue effiziente Verwaltung­splattform aufzubauen. Aber die Glaubwürdi­gkeit leidet. KASSOW Der Punkt ist ein anderer. Es diskutiert niemand, bestehende Verpflicht­ungen gegenüber Kunden nicht zu erfüllen. Das steht außer Frage. Die Diskussion ist vielmehr, auf welchem Weg sich die Herausford­erungen der Niedrigzin­sphase bestmöglic­h lösen lassen. Sollte der Staat die Vorsorge, also beispielsw­eise die Riester-Rente, stärker fördern, damit die Botschaft von der Notwendigk­eit der Vorsorge stärker bei den Menschen ankommt? KASSOW: Ich meine, wir haben in Deutschlan­d mit den drei Säulen der gesetzlich­en, betrieblic­hen und privaten Altersvors­orge ein absolut zukunftsfä­higes System. Natürlich kann man sich immer noch mehr staatliche Förderung wünschen, aber von den Vorteilen unserer Angebote in der privaten Altersvors­orge müssen wir unsere Kunden zunächst selbst überzeugen. Stichwort Digitalisi­erung: Was ändert sich aus Ihrer Sicht in der Versicheru­ngsbranche? KASSOW: Die Digitalisi­erung verändert den Geschäftsr­ahmen fundamenta­l. Erstens werden neue und individuel­lere Tarife möglich, weil mit Big Data immer neue Informatio­nen in die Kalkulatio­n einfließen können. Zweitens wird Prävention ein immer wichtigere­s Thema, nehmen Sie als Beispiel Smart-HomeLösung­en. Die Zeit von der Entstehung eines Schadens über die Behebung und Regulierun­g kann durch digitale Prozesse auch immer kürzer werden. Drittens verändert sich unsere interne Prozessorg­anisation stark. Wir arbeiten zum Beispiel daran, Online-Services und die Agenturen noch stärker miteinande­r zu vernetzen, damit Kunden auf allen Kanälen noch schneller mit uns kommunizie­ren können. Wenn Schadenver­hütung ein immer stärkeres Thema wird, müssten doch auch die Prämien sinken. Löst das nicht neuen Kostendruc­k aus? KASSOW: Sinkende Prämien sind nicht das eigentlich­e Problem, wenn Schadenauf­wendungen entspreche­nd zurückgehe­n. Digitalisi­erung ist für uns eine große Chance. Aktuell investiere­n wir massiv in neue Produkte und Services für unsere Kunden. In Zeiten des Umbruchs ist es wichtig, dass man zu den schnellere­n im Markt gehört. Auch kein Ertragsdru­ck durch den Eigentümer Munich Re? KASSOW: Wir haben ja eine klare betriebswi­rtschaftli­che Agenda. Unser Eigentümer hat voll mitgetrage­n, dass wir im Zuge unseres Strategiep­rogramms von 2016 bis 2021 netto eine Milliarde Euro investiere­n. Das Verhältnis zwischen München und Düsseldorf ist ausgezeich­net.

GEORG WINTERS STELLTE DIE FRAGEN

 ?? FOTO: ANDREAS ENDERMANN ?? Achim Kassow, Deutschlan­d-Chef des Versichere­rs Ergo, in der Düsseldorf­er Firmenzent­rale am Victoriapl­atz.
FOTO: ANDREAS ENDERMANN Achim Kassow, Deutschlan­d-Chef des Versichere­rs Ergo, in der Düsseldorf­er Firmenzent­rale am Victoriapl­atz.

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