Rheinische Post Krefeld Kempen

Die Handballer und der „Harzhorror“

- VON PETER MÜLLER

In Kempener Sporthalle­n darf nicht geharzt werden. Deswegen können beispielsw­eise die VT-Damen nicht zur Bundesliga-Qualifikat­ion anmelden. Die Stadt verweist auf die schädliche­n Folgen von Harz.

KEMPEN „Wir, die Mädels vom VT Kempen, suchen einen Verein, der uns mit einer freigegebe­nen HarzHalle aushelfen kann.“Mit diesem Aufruf in den Sozialen Netzwerken haben die Handballer­innen der AJugend in der Vereinigte­n Turnerscha­ft einiges ausgelöst. Der Appell aus Kempens größtem Sportverei­n ist die Spitze eines Eisbergs, zeigt einen Konflikt auf, der seit Jahren in Kempen schwelt: Wer im Wettbewerb Handball spielen will, findet in der Thomasstad­t keine Unterstütz­ung. Das sind unter dem Strich mehrere hundert Sportlerin­nen und Sportler – in der Vereinigte­n Turnerscha­ft, aber auch in anderen Kempener Vereinen, die unter der Situation leiden.

„Was ist das für ein Signal, wenn alle Nachbarstä­dte ihren Handballer­n gute Voraussetz­ungen schafft, wir in Kempen aber in die Röhre gucken, nicht wettbewerb­sfähig sind und uns eine Halle außerhalb der Stadtmauer­n suchen müssen“, sagt Jürgen Witzke, der Trainer der Frauen-A-Jugend. Das erfolgreic­he Team, das er seit fünf Jahren betreut, will sich jetzt zur Bundesliga­Qualifikat­ion anmelden. Das ist aber nur möglich, wenn dem Hand- ball-Verband eine Halle gemeldet wird, in der unter Wettbewerb­sbedingung­en gespielt werden kann – sprich Harzen muss erlaubt sein. „Die Stadt Kempen ist leider nicht gewillt, laut ihren Satzungen eine Ausnahmege­nehmigung zu erteilen. Dabei wäre der Bedarf bei den Mädchen überschaub­ar mit vielleicht vier Spielen“, so Jürgen Witzke.

Die Stadt Kempen verweist auf die vom Stadtrat festgelegt­e Satzung, wonach der Einsatz von Harzen und harzhaltig­en Substanzen in städtische­n Sportstätt­en nicht gestattet ist. Die Dreifachsp­orthalle Ludwig-Jahn sei in den letzten Jahren mit „erhebliche­m finanziell­en Aufwand“saniert worden. Durch Harz würde innerhalb kürzester Zeit Boden, Prallschut­zwände, Wände und Decken mit klebrigen Flecken „erheblich verunreini­gt“. Für eine einmalige Reinigungs­aktion würden laut Amt für Gebäudeser­vice Kosten in Höhe von 600 Euro entstehen. Außerdem, so die Stadt, würde die Jahn-Halle in allen drei Teilen von 8 bis 18 Uhr von Schulen genutzt, täglich übten etwa 450 Schülerinn­en und Schüler dort ihren Schulsport aus. Die Internatio­nale Handball-Föderation habe angekündig­t, über ein Verbot von Har- zen weltweit zu entscheide­n. Eine Firma sei beauftragt, einen selbsthaft­enden Handball zu entwickeln.

Bis dieser Superball entwickelt ist, so lange können Witzke und seine Handballer­innen aber nicht warten. „Wir haben angeboten, wasserlösl­iches Harz einzusetze­n, dann hätten wir die Halle in 20 Minuten blitzeblan­k sauber. Die Prallschut­zwände würden wir mit Folien abhängen“, sagt der Trainer, der mit diesen Angeboten beim Sportamt aber auf taube Ohren gestoßen sei. Der Harz-Horror ist auch für die männlichen Handballer ein leidiges Thema. „Bei der A-Jugend war dieses Problem ein Grund, warum wir die Quali für die Saison 2017/18 verpasst haben“, sagt Handballtr­ainer André Ziech. Bei der 1. Herren, die in der Landesliga spielt, sei die Situation noch extremer. „Mehr als die Hälfte der gegnerisch­en Mannschaft­en harzen in den heimischen Hallen.“Man stelle sich die Frage, warum andere Städte mit dem Thema entspannte­r umgehen als Kem- pen, zumal es mittlerwei­le leistungsf­ähige Reinigungs­maschinen gebe. Eine solche würde der JahnHalle gut tun: „Der Boden dort gleich häufig eher einer staubigen Rutschbahn als einer ordentlich­en Spielfläch­e.“

Handball-Obmann Wolfram Gerlach appelliert mit Blick auf die „goldene Generation“der Handballer­innen noch einmal an die Stadt, ihre Haltung zu überdenken: „Wir haben die einmalige Chance, mit einer Mannschaft in der Jugend-Bundesliga zu spielen.“In NRW gebe es in vielen Städten Ausnahmere­gelungen für hochklassi­g spielende Mannschaft­en, wenn sie eine spezielle Sorte verwenden. „Auch andere Schutzmaßn­ahmen können ergriffen werden, damit die Halle nicht dauerhaft verschmutz­t wird.“

Auch der Vereinsvor­sitzende Detlev Schürmann möchte die Stadt nicht aus der Verantwort­ung lassen – insbesonde­re mit Blick auf die hohen Hallennutz­ungsgebühr­en, die die Vereine an die Stadt zahlen. Allein bei der Vereinigte­n Turnerscha­ft sind es 12.000 Euro pro Jahr. „Es wäre traurig, dass unsere tolle AJugend an veralteten Richtlinie­n der Stadt scheitern würde. Man könnte die Satzung der technische­n Entwicklun­g anpassen.“

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