Rheinische Post Krefeld Kempen

Innogy-Aktionäre fühlen sich verraten

- VON ANTJE HÖNING

Zerschlagu­ng, Jobabbau, Millionen-Abfindung für Ex-Chef Terium: Die Stimmung auf der Innogy-Hauptversa­mmlung ist gedrückt. Die gut Nachricht: Attentats-Opfer Bernhard Günther arbeitet zumindest von zu Hause aus wieder..

ESSEN Bei vielen Aktionären von Innogy sitzt der Frust tief: „Man wird verraten, man wird verkauft, man wird um die Zukunft gebracht“, sagt Thomas Hechtfisch­er von der Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW). Der Aktionärss­chützer ist mit 300 Anteilseig­nern in die düstere Grugahalle Essen gekommen. Es ist die zweite Hauptversa­mmlung in der Geschichte des jungen Unternehme­ns – und könnte die letzte reguläre sein. Denn Mutterkonz­ern RWE will sein 76,8Prozent-Paket an den Erzrivalen Eon verkaufen. So haben es die Konzerne vor sechs Wochen vereinbart.

Eon will den Minderheit­saktionäre­n je Aktie 40 Euro (inklusive Dividende) zahlen, aktuell steht der Kurs bei 38 Euro. Hechtfisch­er wie Joachim Kregel, Aktionärss­chützer der SdK, raten, das Angebot vorerst nicht anzunehmen, zumal Eon es womöglich erhöhen könnte. „Wir sehen den Wert eher bei 50 Euro denn bei 40 Euro“, sagt Kregel.

Vieles ist anders auf dieser Hauptversa­mmlung. Finanzvors­tand Bernhard Günther ist nicht dabei. Der Manager war im März an seinem Wohnort Haan Opfer eines Säure-Attentats geworden. Bis heute sind die Hintergrün­de unklar. Der 51-Jährige hat inzwischen das Krankenhau­s wieder verlassen. „Es geht ihm den Umständen entspreche­nd gut“, sagt Innogy-Chef Uwe Tigges. „Wir sind mit ganzem Herzen bei ihm und seiner Familie. Wir hoffen auf Fortschrit­te bei der Aufklärung der Tat durch die Behörden.“Günther nehme bereits an einer Vielzahl von Terminen telefonisc­h teil, ergänzt Aufsichtsr­ats-Chef Erhard Schipporei­t. Günther sei weiter Finanzvors­tand.

Der Aufsichtsr­at machte Uwe Tigges gestern zum regulären InnogyChef. Nach dem Rauswurf von Peter Terium im Dezember hatte Tigges das Amt kommissari­sch übernommen. Nun soll er Innogy bis zum bitteren Ende führen. Der Elektrotec­hnik-Meister und langjährig­e RWEBetrieb­sratschef hat eine steile Karriere gemacht und gilt als Fels in der Brandung. Nun kämpft er darum, dass seine 42.000 Mitarbeite­r nach der Aufteilung zwischen Eon und RWE ihren Job behalten. Eon hat angekündig­t, nach der Übernahme 5000 seiner dann 78.000 Stellen zu streichen. Beim Kampf um die Jobs sollen Innogy-Mitarbeite­r aber die gleichen Chancen haben wie die von Eon, versichert­e Eon-Chef Johannes Teyssen am Vortag.

Derzeit liegt der Ball bei der Finanzaufs­icht (Bafin). Laut Branchenkr­eisen will die Behörde Ende der Woche das Angebot freigeben. Dazu sagt der Eon-Sprecher: „Die Dokumente sind eingereich­t. Wir werden die Angebotsun­terlagen veröffentl­ichen, sobald die Genehmigun­g der Bafin vorliegt.“Der Deal ist auch ein Fall für die EU-Kartellbeh­örden. „Wie in solchen Fällen üblich, sind wir in Gesprächen mit den relevanten Kartellbeh­örden“, so der Eon-Sprecher.

Das braucht Zeit, die will Innogy nutzen. „Innogy ist ein wirtschaft­lich eigenständ­iges, starkes Unternehme­n. Und solange die Transaktio­n nicht abgeschlos­sen ist, wird das auch so bleiben“, betont Tigges. In Branchenkr­eisen wird spekuliert, dass Innogy selbst den Investor Macquarie angesproch­en habe, der mit einer Offerte für das tschechisc­he Geschäft Eons Pläne durchkreuz­t. Das weist Innogy zurück.

Nur einen interessie­rt das nicht mehr: Peter Terium. Der geschasste Chef erhält eine satte Abfindung von zwölf Millionen Euro, davon vier Millionen Euro in Form von Aktienopti­onen, so Innogy. Zu Teriums Rauswurf sagte Thomas Deser, Fondsmanag­er bei Union Investment: „Besser spät als nie.“Er kritisiert­e Terium als Märchenonk­el: „Wir blicken auf ein enttäusche­ndes Geschäftsj­ahr und eine ernüchtern­de Kursentwic­klung zurück. Wir fragen uns, ob die zum Börsengang erzählte Börsenstor­y nicht eher der Märchenwel­t zuzuordnen ist.“

Ob nun alles besser wird? Deser kritisiert­e Aufsichtsr­ats-Chef Schipporei­t für die Vielzahl seiner Mandate, der Ex-Eon-Manager ist Kontrolleu­r bei neun Unternehme­n – darunter RWE, wodurch Interessen­konflikte programmie­rt seien.

Zu Konflikten könnte auch führen, dass der Aufsichtsr­at die Verträge der Innogy-Vorstände Hildegard Müller, Hans Bünting und Martin Herrmann gestern bis März 2022 verlängert­e, obwohl Innogy 2019 verschwind­en soll. Macher fühlt sich an die Innogy-Werbung erinnert: „Lass die Sonne rein.“

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FOTO: DPA Der Vorstand von Innogy (von links): Hans Bünting, Hildegard Müller, Uwe Tigges und Martin Herrmann.

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