Rheinische Post Krefeld Kempen

Trügerisch­e Sicherheit im Fall Mondrian

- VON NORBERT STIRKEN

Erben aus den USA erheben Anspruch auf kostbare Bilder von Piet Mondrain, die sich im Besitz des Kaiser-Wilhelm-Museums befinden. Der Streitwert beträgt rund 200 Millionen Euro. Die Stadt hat einen renommiert­en Anwalt beauftragt, den Sachverhal­t zu prüfen. Das Ergebnis: Der Anspruch der Erben sei verjährt. Seitdem herrscht im Rathaus trügerisch­e Sicherheit .

Der Fall Mondrain schlug Wellen: Weltweit interessie­rten sich die Medien für die US-Erben, die Bilder des niederländ­ischen Künstlers aus dem Besitz des Kaiser-Wilhelm-Museums zurückhabe­n möchten. Nach anfänglich­er Hektik kehrte im Krefelder Rathaus Ruhe ein. Der Berliner Star-Anwalt Peter Raue hält den Herausgabe­anspruch für verjährt (wir berichtete­n). Liegt der Fall so einfach? Auf Anfrage unserer Redaktion beleuchtet­e der Krefelder JuraProfes­sor Michael Schulte die verschiede­nen Aspekte. Schulte ist vom Sächsische­n Justizmini­sterium als Prüfer für Zivilrecht und Zivilproze­ssrecht berufen.

Der Fall biete viele Facetten, sagte er und bleibe für die Stadt Krefeld problemati­sch. Auch wenn der Anspruch der Erben auf Herausgabe der Bilder verjährt sei, bleibe der ungeklärte Eigentumsa­nspruch. Denn das Eigentumsr­echt verjähre nicht. Das bedeute, dass das Kaiser-Wilhelm-Museum die Bilder weiter zeigen und auch verleihen dürfe. Die Stadt müsse vielmehr dafür Sorge tragen, dass kein Schaden an den Bildern entstehe. Bei einem Verkauf der Mondrian-Bilder oder einem versichert­en Brandereig­nis müsste die Stadt Krefeld trotz Verjährung den Erlös beziehungs­weise die Versicheru­ngsleistun­g an die Erben als Eigentümer herausgebe­n.

Wer tatsächlic­h Eigentümer sei, lasse sich durch eine Feststellu­ngsklage herausfind­en. Offenkundi­ge Zielsetzun­g sei es ,den Bildern einen Makel anzuhaften und den Wert der Bilder herabzuset­zen. Ob die Erben, die auf eine Abfindung aus seien, tatsächlic­h klagten, sei bei Prozess- kosten in Höhe von zwei Millionen Euro für zwei Instanzen sehr fraglich.

Gerichtsor­t für die Klärung der Frage, wer Eigentümer sei, wäre Krefeld. „Wir bewegen uns hier auf dem Gebiet des Sachenrech­ts“, sagte Schulte. Dort, wo die Sache sei, sei auch der Gerichtsst­and. Das Bürgerlich­e Gesetzbuch (BGB) gehe in seinem Paragrafen 1006 davon aus, dass „zugunsten des Besitzers einer bewegliche­n Sache vermutet wird, dass er Eigentümer der Sache sei“. Das spreche zunächst einmal für die Stadt Krefeld. Es sei auch kaum nachzuvoll­ziehen, dass der Künstler Piet Mondrian nicht gewusst haben soll, wo seine Bilder sind. „Er lebte schließlic­h vom Verkauf seiner Malerei.“Insofern sei es von der Stadt Krefeld untunlich gewesen, eine umfangreic­he Stellungna­hme an den Berliner Anwalt der US-Erben und an die Medien zu verschicke­n. Damit hätten sie der Gegenseite nur Munition geliefert und Angriffsfl­äche geboten. „Ein einziger Satz mit Hinweis auf den Paragrafen 1006 im BGB

„Ich würde die Frage des Eigentums an den MondrianBi­ldern nicht auf sich beruhen lassen“

Michael Schulte

Jura-Professor

hätte genügt“, meinte Schulte.

Gleichwohl gehe die Stadt ein nicht unerheblic­hes Risiko ein, wenn sie die Angelegenh­eit in der Schwebe halte. „Ich würde die Frage des Eigentums an den MondrianBi­ldern nicht auf sich beruhen lassen“, sagte der Jura-Professor. Es sei nämlich daran gedacht, die Verjährung des Herausgabe­anspruchs zu reformiere­n. Ziel sei es, den Eigentümer mit dem Wert der Sache oder der Sache selbst zu entschädig­en. Und was es für Krefeld besonders brisant macht, das soll rückwirken­d für bereits verjährte Fälle gelten.

Schultes Quintessen­z: Es gehe rechtlich also nicht um Verjährung, sondern um das Eigentum. Und wirtschaft­lich darum, dass sich die Kommune nicht erpressen lasse, sondern diesem Spuk ein rasches Ende bereite. Übrigens: Der Fall Mondrian soll Lehrfall und Klausurthe­ma für Kandidaten des Zweiten Staatsexam­ens in Sachsen werden.

 ?? RP-ARCHIV: THOMAS LAMMERTZ ?? Das Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld hat drei von vier Bildern von Piet Mondrian ausgestell­t. Das vierte Bild muss restaurier­t werden.
RP-ARCHIV: THOMAS LAMMERTZ Das Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld hat drei von vier Bildern von Piet Mondrian ausgestell­t. Das vierte Bild muss restaurier­t werden.
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