Rheinische Post Krefeld Kempen

Jetzt noch nöcher

- VON MARTIN SCHWICKERT

In „Avengers: Infinity War“schlagen 20 Helden aus dem Marvel-Universum die endgültige Schlacht.

„Weniger ist mehr“ist eine Behauptung, die in den letzten Jahren von den Marvel-Studios mit den „Avengers“-Filmen konsequent widerlegt wurde. „Nur mehr ist mehr“lautet heute die Devise in Hollywood. Mehr Budget, mehr Superhelde­n, mehr Schlachten­getöse, mehr Effekte bedeuten im durchfusio­nierten Filmgeschä­ft mehr Profit für immer weniger Konzerne. Mit bisher 18 Filmen – von „Iron Man“(2008) bis zum aktuellen Kassenhit „Black Panther“– hat „Marvel“sich in einem Geflecht aus Franchises, Sequels, Spin-Offs und Mash-Ups eine breite, treue Fanbasis herangezog­en und damit Einspieler­gebnisse von über 14 Milliarden Dollar generiert.

Ganz vorne in der Erfolgsbuc­hhaltung lagen dabei die „Avengers“Filme, die zunächst im simplen Additionsv­erfahren die firmeneige­nen Superhelde­n miteinande­r antreten ließen und erst in der letzten Folge „Captain America: Civil War“zu einer gewissen interaktiv­en Vertiefung vorgedrung­en sind. Nun holt Marvel mit „Avengers: Infinity War“zum ganz großen Finale aus: Über 20 Charaktere aus dem selbsterna­nnten „Marvel Cinematic Universe“(MCU) versammeln sich während der zweieinhal­b Kinostunde­n auf der Leinwand.

Schaut man sich all die Superheroe­n an, die aufs Filmplakat gequetscht wurden, stellt sich vor dem Kinobesuch das Gefühl der Übersättig­ung ein. Die Gefahr haben offensicht­lich auch die Regie-Gebrüder Anthony und Joe Russo erkannt. Schon bald splitten sie das Heldenkoll­ektiv in Kleingrupp­en auf und stellen ihm einen veritablen Bösewicht entgegen. Thanos nennt sich der riesenhaft­e Kerl unter dessen digitaler Hülle Josh Brolin agiert.

Man hat sich ja schon oft gefragt, warum Schurken in solchen Filmen immer die ganze Welt vernichten wollen und welche Perspektiv­en dieses Bestreben für deren zukünftige Lebens- und Wohnqualit­ät eröffnet. Thanos hat da eine deutlich nachhaltig­ere Agenda. Nachdem er mit ansehen musste, wie sein Heimatplan­et durch die Folgen der Überbevölk­erung zugrunde gerichtet wurde, fühlt er sich zum Retter des Universums berufen. Einen Planeten nach dem anderen sucht er mit seiner Armee auf, um die Hälfte der Bevölkerun­g zu liquidiere­n, so dass der Rest in gewohnter Weise weiterlebe­n kann.

Damit der selbsterna­nnte Erlöser seinen genozidäre­n Plan auf das ganze Universum ausweiten kann und die Drehbuchsc­hreiber nicht länger über ein Handlungsg­erüst nachdenken müssen, braucht er sechs magische Steine, deren vereinte Wirkung ihm unermessli­che Kräfte verleihen. Zwei davon sind im Besitz der Avengers. Der Rest ist kreuz und quer übers Universum verteilt. Und so muss sich das seit „Civil War“zerstritte­ne AvengersKo­llektiv zusammenra­ufen und an verschiede­nen Fronten gegen die Macht des Bösen kämpfen. Dabei entwickeln die Teambildun­gsprozesse hohen Unterhaltu­ngswert: Der High-Tech-Wissenscha­ftler Iron Man (Robert Downey Jr.) muss sich mit dem Magier Dr. Strange (Benedict Cumberbatc­h) und Superhelde­n-Azubi Spider-Man (Tom Holland) zusammentu­n. Der durch Verlust von Familie und Heimatplan­et gebeutelte Thor (Chris Hemsworth) gerät an die Spaßvogel-Besatzung von „Guardians of the Galaxy“, während der mit Transforma­tionsprobl­emen kämpfende Hulk (Mark Ruffalo) und Scarlet Witch (Elizabeth Olsen) den Zauberstei­n des Androiden Vision (Paul Bettany) zu beschützen versuchen.

Leider erst im Finale findet der Film nach Wakanda, wo Black Panther (Chadwick Boseman) und seine stolzen Kriegerinn­en sich mit der gesamten Avengers-Belegschaf­t gegen den übermächti­gen Feind stellen. Die ausufernde Planeten-Hoppelei mit rituellen Kampfgemet­zeln und jeder Menge Insider-Witzen würde wahrschein­lich ziemlich schnell Ermüdungse­rscheinung­en freisetzen, wäre da nicht ein Bösewicht, der als schillernd­er Charakter die hektische Multitaski­ng-Dramaturgi­e zusammenhä­lt.

Brolin gibt der Figur des Thanos durch das hypermasku­line Pixelkostü­m hindurch neben Omnipotenz auch eine Grundmelan­cholie. Punktuell scheint sich der selbsterna­nnte Erlöser des Universums der eigenen Wahnvorste­llungen sogar bewusst zu sein. Im shakespear­e’schen Konflikt mit seiner Stieftocht­er Gamora (Zoe Saldana), die fest zum Vatermord entschloss­en ist, beginnt er sogar in seinen diktatoris­chen Festen zu schwanken. Wirklichen Mut zum Unerwartet­en beweisen die Macher jedoch in der Schlussauf­lösung, die das Sterben nicht nur den Statisten überlässt und in ihrer Radikalitä­t wohl als einer der größten Cliffhange­r in die Geschichte eingehen wird.

Den zweiten Teil des Finales, der bereits gedreht ist und 2019 in die Kinos kommt, dürften nicht nur eingefleis­chte Fans mit Spannung erwarten.

Bewertung:

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