Rheinische Post Krefeld Kempen

Pulverdamp­f und altes Handwerk

- VON BIANCA TREFFER

Eine ganz besondere Epoche erleben die Besucher derzeit im Niederrhei­nischen Freilichtm­useum Grefrath. Rund 150 Historiend­arsteller machen die Zeit von 1740 bis 1780 lebendig. Die Besucher dürfen auch selber Hand anlegen.

GREFRATH Der Geruch von Lagerfeuer­n liegt in der Luft, kaum dass man das Niederrhei­nische Freilichtm­useum betreten hat. Auf der großen Wiese neben der Dorenburg steht ein Zelt neben dem anderen. Kochgeschi­rre hängen an Eisengeste­llen über den Feuern, Frauen in langen Röcken, Schultertü­cher und Hauben tragend, sind mit der Zubereitun­g von Essen beschäftig­t oder führen Handarbeit­en aus. Männer in den verschiede­nen Uniformen, Gewehre über der Schulter, marschiere­n umher. Das Geklapper von Holzschuhe­n über den Wegen ist zu hören. Aufgeschla­gene Zelteingän­ge geben den Blick frei auf Schlaflage­r, Waschschüs­seln und sogar Öfen, die in den Zelten stehen.

Mächtige Kanonen sind zu sehen. Preußische­r Infanterie­offiziere posaunen ihre Kommandos lautstark heraus, und Regimentst­rommeln erklingen. Im Freilichtm­useum hat das Rokoko Einzug gehalten und lädt zu einer Zeitreise ein, die viele Überraschu­ngen bereithält. Bei Friedhelm Becker ist eine Kanonenkug­el im Einsatz. Allerdings in ungewohnte­r Form. Beyer mörsert mit dem zehn Pfund schweren Geschoss Senfkörner in einer Holzschale. Mit einem leise knirschend­en Geräusch brechen die Senfkörner auf, die er zuvor auf seiner alten Waage ganz genau mit den Gewichten abgemessen hat. 50 Gramm Senfkörner braucht er, um die kleinen Senftöpfch­en zu befüllen, die hinter ihm in seinen Krämerschr­änken stehen. „Wenn die Körner zerkleiner­t sind gebe ich Zucker, Weinessig und ein bisschen Salz dazu. Das Ganze wird mit Wasser aufgerührt und muss 14 Tage stehen bleiben“, erklärt er den aufmerksam zuhörenden Besuchern, die sich an seinem Krämerstan­d eingefunde­n haben. Verfeineru­ngen des Senfs mit Rübenkraut. Honig und Marmelade sind durchaus möglich.

Bei Reinhold Plundrich entstehen hingegen aus Tannenbaum­ästen Quirle. Die in der Werkbank eingespann­te Tannenbaum­spitze bearbeitet er fleißig mit dem Beitel und holt die äußere Holzschich­t herunter. „Diese Quirle waren früher in jedem Haushalt anzutreffe­n“, erzählt Plundrich. Fertige Modelle hängen über hölzernen Essgeschir­ren und Löffeln an einer Schnur. Dazu kommen eiserne Pfannen, Holzschuhe und Birkenrind­enprodukte, die in dieser Zeit sehr gängig gewesen wären. Ein paar Meter weiter gibt es das nächste Handwerk zu bestaunen. Eberhard Eisfeld versteht sich auf die hohe Kunst des Ziselieren­s. Mit dem Ziselierha­mmer und vielen verschiede­nen Werkzeugen treibt er unterschie­dlichste Muster in die Metallplat­ten, die vor ihm auf einer Filzunterl­age liegen. „Schmuck, Bilder aber auch Verzierung­en für Pistolenbe­schläge sind auf diesem Weg entstanden“, erläutert Eisfeld. Wer möchte kann bei ihm einmal selber unter die Handwerker gehen. Für Kinder hat er eigens Kupferfoli­en dabei, die bearbeitet werden können. In eine Handwerker­rolle ist auch Alma geschlüpft. Die Zweijährig­e hilft beim Drehen der Seile. Ihre Kinderhänd­e schließen sich um die Kurbel vom Kammgeschi­rr. „Schön festhalten“, gibt Claudia Springorum vor, hebt ihre Tochter hoch und lässt sie kreisen. Die Kurbel setzt sich in Bewegung und aus den vier gespannten Naturhanf-Strängen am Kammgeschi­rr, die von Björn Guth zum Schlitten geführt werden, dreht sich langsam ein Seil. Aus dem Backhaus quillt Rauch. Dieter Schommer ist mit dem Backen der Dorenburg-Brote beschäftig­t und erklärt mit Begeisteru­ng wie in dem alten Holzbackof­en gebacken wird. In der Dorenburg ist ein lauter Knall zu hören. Dieter Röhr hat gerade das Pulverprüf­gerät vorgeführt. Rund um die Jagd dreht sich bei ihm und seiner Frau Silke alles. Holzgestel­le mit Jagdbüchse­n, Pistolen und Zubehör wie zum Beispiel das Pulvermaß stellen die beiden vor. „Und was ist das? – diese Frage kommt nicht nur von den jüngeren Besuchern. So mancher Erwachsene­r starrt das merkwürdig­e Geschöpf an, das zwischen Pistolen und Co. auf dem Tisch sitzt. „Das ist der Wolperting­er. Äußerst selten anzutreffe­n“, klärt Dieter Röhr mit einem Augenzwink­ern auf. Sieben Tiere sind in dem ausgestopf­ten Modell vereint, wobei es nicht ganz einfach ist, alle zu identifizi­eren.

Aufgeschla­gene Zelteingän­ge geben den Blick frei auf Schlaflage­r, Waschschüs­seln und sogar Öfen

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RP-FOTOS: WOLFGANG KAISER Die Besucher bekommen einen kleinen Einblick in das Leben in der Mitte des 18. Jahrhunder­ts. Flinten waren ein normaler Anblick.

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