Rheinische Post Krefeld Kempen

Als Bücher noch geholfen haben

- VON DOROTHEE KRINGS

Isabel Coixet verfilmt Penelope Fitzgerald­s Roman „Die Buchhandlu­ng“.

Sie ist eine Leserin, ein Mensch, der Bücher zum Leben braucht. Etwa, um aus dem eigenen Dasein hinauszutr­eten und verändert zurückzuke­hren – weiser, reicher, empfänglic­her für die Wirklichke­it. Weil Florence Green an die Macht der Bücher glaubt, will sie auch andere Menschen zu Lesern machen und gründet Ende der 1950er Jahre in der verschlafe­nen Küstenstad­t Hardboroug­h im Osten Englands einen Buchladen. Florence ist Witwe, auch der Mann, den sie verloren hat, liebte die Literatur. So ist der Buchladen für sie Neubeginn und erinnerung­sschwerer Sehnsuchts­ort zugleich. Von dort aus will sie frischen Wind in ihre Gemeinde bringen, die Geister aus den Büchern entlassen; Fischer, Metzger, Hausfrauen für die Literatur gewinnen. Und tatsächlic­h findet das Interesse in der grauen Nachkriegs­zeit – und stößt bei den alten Eliten des Ortes auf bitteren Widerstand.

Die spanische Regisseuri­n Isabel Coixet inszeniert den Roman „Die Buchhandlu­ng“von Penelope Fitzgerald als nostalgisc­hes KüstenortL­iebesdrama. Doch zeigt sie unter der Oberfläche der rauen Idylle, wie Missgunst und das brutale Festhalten an einer bestehende­n Ordnung, das Miteinande­r in einer Gemeinde zerstören.

Coixet nimmt sich viel Zeit, um mit Emily Mortimer als Florence den Buchladen einzuricht­en, Regale abzustaube­n, Kisten auszupa- cken, die Bücher liebevoll zu sortieren Da scheint die Werbefilme­rin Coixet durch, die weiß, wie man Orte mit Stimmungen auflädt, Dinge verführeri­sch in Szene setzt. Und das ist manchmal ein bisschen viel, weil zu perfekt inszeniert­e Buchliebha­berei leicht ins Kitschige abdriftet.

Auch neigt Coixet dazu, die Menschen aus dem Nest Hardboroug­h überaus eindeutig zu charakteri­sieren. Das gilt vor allem für Florence’ mächtige Gegenspiel­erin, die wohlhabend­e Violet Garmat, die sich die Hoheit über die Hochkultur im Ort von einer einfachen Buchhändle­rin nicht nehmen lassen will. Patricia Clarkson schwingt sich in dieser Rolle zur Königin des Hochmuts auf, zeigt aber wenig davon, wovon diese Frau getrieben sein mag.

Behutsam dagegen entwickelt Croixet die Beziehung zwischen der Buchhändle­rin und einem ihrer Kunden, dem eigenbrötl­erischen Mr. Brundish. Bill Nighy gibt dieser Figur seinen stets so selbstiron­ischen, herben Charme. Während zwei Menschen, denen die Literatur alles bedeutet, sich über ihre Leseerlebn­isse einen Weg zurück ins Leben bahnen, nehmen die Intrigen ihren Lauf. Und das Gift aus dem Herrenhaus zeigt Wirkung in der Gemeinde.

Isabel Coixet hatte zuletzt mit „Nobody wants the Night“Juliette Binoche ins Ewige Eis geführt. Die dramatisch­e Geschichte einer sturen Frau, die 1908 an den Nordpol aufbricht, um ihren Mann zu suchen, hatte sich in den Weiten einer unerbittli­chen Landschaft verloren. Diesmal stellt Coixet den Fokus eng, beobachtet­e wieder, wie eine Frau gegen die Konvention­en ihrer Zeit antritt. Doch diesmal inszeniert sie diesen Kampf nicht als gewaltigen Kraftakt, der an der Macht der Natur scheitert, sondern als stilles Aufbegehre­n mit den Mitteln der Literatur. Er wird sich als nachhaltig­er erweisen.

Spanien, Großbritan­nien 2017 – Regie: Isabel Coixet, mit Emily Mortimer, Bill Nighy, Patricia Clarkson, 113 Min.

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FOTO: DPA Florence (Emily Mortimer)vor ihrem Buchladen.

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