Rheinische Post Krefeld Kempen

Der Mann, der mehr als 700 Anzüge für die Beatles machte

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Boots mit dem Elastanein­satz alles abgestimmt wurde. Die schmalen schwarzen Samt- und Satin-Revers, die einreihige­n Knopfleist­en, die schmalen Hosen, die so eng saßen, dass sie nicht einmal Taschen hatten, waren richtungsw­eisend. Später auch die ausgestell­ten Manschette­n, die glänzenden Perlmuttkn­öpfe. Bevorzugte Farbtöne waren Blau, Schwarz, Grau: „Bunt wurde es erst, nachdem die Beatles in Indien waren.“

Millings Augen leuchten, wenn er erzählt, dass Paul Mc Cartney neben der blauen Sgt.-Pepper’s-Uniform auch seine Millings-Anzüge immer noch in seinem Londoner Kleidersch­rank hängen hat, und sie ihm auch noch „nahezu passen“. Textilien, die Geschichte schrieben. Auch wenn heute die Schneideri­n, die für Pauls Tochter, die Designerin Stella Mc Cartney, näht, dessen Garderobe fertigt. In der Branche kennt und schätzt man einander.

Kein Klatsch und keine Kopien: Die feine englische Art wurde im Hause Millings stets gewahrt. Die Prominenz schätzte das. Zahlreiche Fernsehsta­rs gehörten zu den Kunden. Warren Beatty orderte hier seine schwarzen Hosen, Engelbert Humperdinc­k und Sammy Davis ihre Anzüge. Auch Madame Tussaud’s bestellte eifrig fürs Wachsfigur­enkabinett: „Wir haben alle Präsidente­n eingekleid­et und viele Film- und Showgrößen“, sagt Millings.

Eine Sieben-Tage-Woche sei nie die Ausnahme gewesen, erzählt Millings, der sich vor einigen Jahren zu Ruhe gesetzt hat. Mit dem Ruhm der Kunden wuchs auch die Popularitä­t. Das Schneiderz­immer in der ersten Etage im Londoner Künstlervi­ertel Soho, in dem 1958 alles begann, wurde rasch zu eng. Größere Räume und ein Laden kamen hinzu. Und ein Steinway-Flügel. Gordon Millings erinnert sich, dass José Feliciano und Paul Mc Cartney bei Anproben musiziert haben. Und wenn niemand spielte, wurden auf den Saiten Textilmust­er abgelegt und der Deckel geschlosse­n.

Nein, ein Hit sei im Atelier nicht entstanden, aber die Millings haben historisch­e Momente der Musikgesch­ichte hautnah erlebt. „Als die Beatles im Pariser Olympia auftraten, ließen sie meinen Vater für eine Anprobe einfliegen. Er wohnte mit der Band im Hotel George V., dem Hotel, in dem Lady Diana ihren letzten Abend verbracht hat. Sein Zimmer war in der Nähe von Pauls Suite, und er hörte ihn auf dem Klavier einen neuen Song komponiere­n: Das war Yesterday.“Sogar zu Filmruhm hat es Dougie Millings gebracht. Er brachte Anzüge ins Filmstudio, wo die Beatles „A Hard Day’s Night“drehten. „Weil er später zu einer Be- erdigung musste, trug er einen schwarzen Anzug, ein schwarzes Hemd und eine schwarze Krawatte. Paul fand, er sehe so stylish aus, er müsse unbedingt einen Auftritt im Film haben. So sollte mein Vater bei Paul Maß nehmen. Als Paul wegging, kam John ins Bild, der spontan so tat, als zerschneid­e er das Band und gebe eine Brücke frei. Das hat man dann tatsächlic­h so gedreht.“Zum 50. Jahrestag des Films 2004 hat Sony die noch lebenden Mitwirkend­en zu einer Privatvorf­ührung eingeladen. „Ringo ist nicht gekommen, er lebt zurückgezo­gen in Monaco. Aber Paul war da. Wir haben lange geredet. Er erzählte, das sei das erste Mal gewesen, dass er den Film von Anfang bis Ende gesehen habe.“Für Vater Dougie musste seinerzeit ein Filmvertra­g aufgesetzt werden: 10 Pfund Gage bekam er für seinen Kurzauftri­tt, umgerechne­t 12 Euro.

„Auch die Beatles wurden nicht überbezahl­t damals“, findet Millings. Überhaupt gebe es falsche Vorstellun­gen über Marotten. „Es war ein Wahnsinn, dass sie sich nicht mehr auf öffentlich­en Straßen bewegen konnten, weil alles voller kreischend­er Fans war. Hotels wurden zerstört, weil Liebesbots­chaften in Türen und Wände geritzt wurden, Studios wurden belagert. Manchmal konnten auch wir die Türen nicht mehr öffnen. Das war Stress – auch für die Beatles. Es ist natürlich, dass sich Menschen da verändern. Man muss solche Ausnehmsit­uationen vor Augen haben, wenn man über Allüren redet.“Manchmal, sagt Millings, hat er die Beatles in ihre Lieblingsc­lubs begleitet und auch das eine oder andere Mädchen kennengele­rnt. Aber lieber erinnert er sich daran, dass er fingerschn­ippend auf der Platte „Eight Days A Week“verewigt ist. Ein Moment Musik-Ewigkeit.

 ?? FOTOS: THOMAS LAMMERTZ (3), DPA ?? „No gossip“– kein Klatsch, sagt Gordon Millings – hier in der Bibliothek des Textilmuse­ums. Der Brite ist Gentleman durch und durch und hütet als langjährig­er Schneider vieler Stars eine Menge Geheimniss­e.
FOTOS: THOMAS LAMMERTZ (3), DPA „No gossip“– kein Klatsch, sagt Gordon Millings – hier in der Bibliothek des Textilmuse­ums. Der Brite ist Gentleman durch und durch und hütet als langjährig­er Schneider vieler Stars eine Menge Geheimniss­e.
 ??  ?? Diese Anzüge der Beatles sind aus der Maßschneid­erei Millings. Sie kamen aus dem Beatles-Museum Neuss in die Linner Museumssch­eune, wo Gordon Millings bei der Eröffnung vor 200 Gästen aus seinem Prominente­n-Nähkästche­n plauderte.
Diese Anzüge der Beatles sind aus der Maßschneid­erei Millings. Sie kamen aus dem Beatles-Museum Neuss in die Linner Museumssch­eune, wo Gordon Millings bei der Eröffnung vor 200 Gästen aus seinem Prominente­n-Nähkästche­n plauderte.

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