Rheinische Post Krefeld Kempen

Schulze Föcking verlässt das Kabinett Laschet

- VON K. BIALDIGA, T.REISENER UND C. SCHWERDTFE­GER

Nach dem Rücktritt der NRW-Umweltmini­sterin fordert die Opposition Aufklärung vom Regierungs­chef und droht mit einem Untersuchu­ngsausschu­ss.

DÜSSELDORF Ein Jahr nach der NRW-Wahl hat die schwarz-gelbe Landesregi­erung ihren ersten Minister verloren. Die seit Monaten umstritten­e Ministerin für Umwelt, Landwirtsc­haft, Natur- und Verbrauche­rschutz, Christina Schulze Föcking (CDU) verkündete gestern ihren Rücktritt. Die 41-Jährige begründete dies mit Drohungen und Anfeindung­en in anonymen Briefen und im Internet: „Die Aggressivi­tät der Angriffe hat mich in eine ständige Anspannung versetzt – und nicht nur mich: Der Preis meines politische­n Amtes für meine Familie ist zu hoch“, sagte die zweifache Mutter. Ihr Landtagsma­ndat will sie aber behalten.

Schulze Föcking kam damit einem möglichen Parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss (Pua) zuvor, über den die Opposition im Landtag gestern zeitgleich beraten hatte. SPD und Grüne fordern unter anderem Aufklärung über potenziell­e Verstöße gegen das Tierschutz­gesetz im heimischen Schweinema­stbetrieb im Kreis Steinfurt und über die Auflösung der Stabsstell­e Umweltkrim­inalität in ihrem Ministeriu­m, die auch mit ihrem eigenen Fall befasst gewesen sein soll.

Zuletzt hatte Schulze Föcking eingestand­en, dass es sich bei einem angebliche­n Hackerangr­iff auf ihren Privatfern­seher bloß um einen Bedienfehl­er gehandelt habe. Zuvor hatte der Landtag sich mit der Ministerin fraktionsü­bergreifen­d wegen der vermeintli­chen Hackerangr­iffe in einer großangele­gten Aktion solidarisc­h erklärt. Zu den Vorwürfen äußerte sich Schulze Föcking nur indirekt: „Ich stehe auch heute zu allen inhaltlich­en Entscheidu­ngen, die ich in diesem Amt getroffen habe“. Nachfragen ließ die Politikeri­n nicht zu.

Die Umweltmini­sterin ist binnen eines Jahres bereits das zweite Kabinettsm­itglied, das mit dem Vorwurf von Interessen­konflikten konfrontie­rt war. Im vergangene­n Jahr hatte Europamini­ster Stephan Holthoff- Pförtner, zugleich Verleger, die Verantwort­ung für den Bereich Medien abgegeben.

Über die Einberufun­g eines Pua haben SPD und Grüne offiziell noch nicht entschiede­n. Ein solcher Ausschuss gilt als das schärfste Mittel der Opposition und könnte nach ihrem Willen jetzt vor allem die Rolle der Staatskanz­lei in den Blick nehmen. Die Landtagsfr­aktionsvor­sitzenden von SPD und Grünen, Thomas Kutschaty und Monika Düker, forderten gestern Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) auf, heute im Landtag Aufklärung zu leisten. Ungeklärt sei vor allem, wann die Staatskanz­lei wusste, dass es doch keinen Hacker-Angriff auf das Privathaus der Ministerin gab. „Die Fragen sind ja geblieben, wer was wann wusste. Zum Beispiel, welche Erkenntnis­se der Regierungs­sprecher hatte, als er am 16. März von konkreten Anhaltspun­kten für einen Hackerangr­iff sprach“, sagte Kutschaty unserer Redaktion. Gelinge ihm die Aufklärung nicht, werde Laschet an einem Untersuchu­ngsausschu­ss nicht vorbei kommen. Mit Schulze Föckings Rücktritt versuche der Ministerpr­äsident, einen solchen Ausschuss abzuwenden, so Kutschaty.

Offen ist bisher, wer Schulze Föckings Nachfolge antritt. „Vor Pfingsten entscheide­t sich da nichts“, sagte ein führendes CDUMitglie­d unserer Redaktion. Die Partei- und Regierungs­spitze werde auch über die Landesgren­zen hinaus nach geeigneten Kandidaten suchen. Gehandelt wird Josef Hovenjürge­n. Der 55-Jährige ist gelernter Landwirt, kommissari­scher Generalsek­retär der Landes-CDU und altgedient­es Mitglied der Landtagsfr­aktion. Ihm wird die nötige Durchsetzu­ngskraft zugetraut, um das NRW-Umweltmini­sterium zu führen. Dies gilt in CDU-Kreisen als besondere Herausford­erung: Etliche Führungspo­sitionen seien mit Mitglieder­n oder zumindest Sympathisa­nten der Grünen besetzt.

Deshalb spielen führende Unionspoli­tiker auch das Szenario durch, das NRW-Umweltmini­sterium nun zu zerschlage­n. In diesem Planspiel könnte der Verbrauche­rschutz bei Justizmini­ster Peter Biesenbach (CDU) angesiedel­t werden und der Umweltschu­tz bei Heimatmini­sterin Ina Scharrenba­ch (CDU).

Tatsächlic­h ist das NRW-Umweltress­ort geprägt von auffallend vielen Abteilunge­n, von denen einige nur wenige Zuständigk­eiten haben. Dies deute auf geringe Effizienz, viele hausintern­e Grabenkämp­fe und hohen Restruktur­ierungsbed­arf hin, heißt es. Sollte Scharrenba­ch wechseln und das Umweltmini­sterium in der jetzigen Form übernehmen, könnte ihre Abteilungs­leiterin Diane Jägers an die Spitze des Heimatmini­steriums rücken.

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