Rheinische Post Krefeld Kempen

Mit Defibrilla­tor zu Olympia

- VON HOLGER SCHMIDT

Katharina Bauer, Stabhochsp­ringerin vom TSV Bayer Leverkusen, hat vor gut einem Monat einen Defibrilla­tor eingesetzt bekommen. Dennoch will die deutsche Hallenmeis­terin ihre Karriere fortsetzen - und bei Olympia 2020 am Start sein.

LEVERKUSEN (dpa) Nach ihrem Triumph als deutsche Hallenmeis­terin fiel am 17. Februar alles von Katharina Bauer ab. Sie brach in Tränen aus. „Dieser Titel hatte für mich viel mehr Wert als jeder normale Sieg“, sagt die Stabhochsp­ringerin: „Denn nur ich wusste ja, was ich in dem Jahr vorher alles durchmache­n musste.“Dass sie schon seit ihrer Kindheit Herzproble­me hat, hat die 27-Jährige nur Menschen in ihrem engsten Umfeld anvertraut.

Nun, nachdem ihr am 17. April ein subkutaner Defibrilla­tor eingesetzt wurde, geht sie an die Öffentlich­keit und erzählt ihre bewegende Geschichte. „Ich möchte für mich persönlich frei sein und nicht Verstecksp­ielen. Und ich möchte es selbst erzählen, damit nichts Falsches geredet und geschriebe­n wird“, sagt sie. „Außerdem möchte ich mit meinem Beispiel Mut machen. Es gibt viele Menschen mit Herzproble­men. Und ich möchte zeigen, was mit mentaler Kraft möglich ist.“

Als Siebenjähr­ige wurden bei Bauer 6000 bis 7000 Extra-Herzschläg­e diagnostiz­iert. Eine erste Verödung des Ortes, der die Extraschlä­ge auslöste, misslang 2009. Nachdem die Zahl der Extraschlä­ge 2017 auf 15.000 gestiegen war, folgte ein zweiter Versuch, der gelang. „Ich wurde vier bis fünf Stunden lang operiert, bei örtlicher Betäubung. Das hat tierisch gebrannt, und war ein komisches Gefühl“, sagt sie: „Aber ich habe die ganze Zeit das EKG im Blick gehabt. Und gesehen: Es wird besser. Deshalb war ich überglückl­ich und kam völlig strahlend aus dem OP-Saal. Meine Eltern, die vor dem OP warteten, waren ganz erstaunt.“Danach habe sie „ein komplett neues Lebensgefü­hl“verspürt. Anfang 2018 erhielt sie im Trainingsl­ager in Südafrika aber den schockiere­nden Anruf. „Ich war wieder hoch auf 15.000 Extra-Schläge. Die Ärzte sagten: Wir müssen operieren, sonst wird es gefährlich“, erzählt die gebürtige Wiesbadene- rin: „Falls meine Schübe, die etwa vier Sekunden andauern, auf 30 Sekunden angestiege­n wären, wäre es lebensgefä­hrlich geworden. Dann hätte der plötzliche Herztod eintreten können.“

Das Einsetzen eines Defibrilla­tors, der im Notfall mit Stromschlä­gen eingreift, war unumgängli­ch. „Es war nicht schön, das zu hören. Mit dem Thema Tod konfrontie­rt zu werden, ist eine vollkommen neue Perspektiv­e auf das Leben“, sagt die Team-Europameis­terin von 2014: „Einen Defibrilla­tor zu tragen, war für mich nie eine Option, aber ich hatte keine Wahl. Es war klar: Wenn ich leben will, muss ich das tun.“Allerdings seien die fünf Tage zwischen der Entscheidu­ng und der Operation „ganz schrecklic­h“gewesen: „Ich spürte auf einmal jede Sekunde mein Herz poltern und wollte es einfach nur hinter mich bringen.“Dass sie überhaupt so lange mit dem Problem leben konnte, schreibt Bauer „mentalen Heilungspr­ozessen“zu. „Ich habe viel Mentaltrai­ning gemacht, Yoga und Meditation. Und ich habe mit meiner Mutter gearbeitet, die HypnoseCoa­ch ist“, erzählt sie: „Ich hatte das alles erstaunlic­h gut im Griff.“

Das hilft ihr auch jetzt. Ihre Karriere will sie in jedem Fall fortsetzen. „Ich weiß: es ist noch nicht vorbei“, sagt Bauer, die Internatio­nales Management studiert hat: „Wenn es jemand schafft, dann ich. Mein Ziel ist Olympia 2020. Ich wäre dann die erste Stabhochsp­ringerin mit Defi bei Olympia.“Ob sie vielleicht sogar die erste Sportlerin überhaupt wäre, der das gelänge, weiß sie nicht mit Sicherheit. „Die Ärzte haben mir versichert, dass ihnen kein vergleichb­arer Fall von Leichtathl­eten bekannt ist“, sagt sie: „Es gibt daher keinerlei Erfahrungs­werte. Ich bin quasi das Versuchs-Kaninchen.“

Da die Operation gut verlief, darf Bauer aber schon seit Ende vergangene­r Woche wieder trainieren. „Heute bin ich sehr glücklich damit. Ich spüre das Gerät noch, es fühlt sich an wie ein großer Stein. Der Körper muss sich erst einmal an den Fremdkörpe­r gewöhnen“, erklärt sie: „Aber ich fühle mich mit jeder Faser meines Körpers gesund.“

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