Rheinische Post Krefeld Kempen
Viel Optimismus beim Zeitungskongress
500 Medienvertreter diskutierten beim Europäischen Zeitungskongress in Wien über die Lage der Branche.
WIEN Print oder online? Digital oder analog? Beim größten europäischen Zeitungskongress in Wien waren sich Medienmanager und Chefredakteure einig: beides. Nur richtig. Und mit Leidenschaft und Experimentierfreude. Zum 19. Mal kamen etwa 500 Medienvertreter aus 20 Nationen für zwei Tage im historischen Festsaal des Rathauses zusammen, um über die Zukunft des Journalismus in digitalen Zeiten zu diskutieren.
In den Vorträgen auf der Bühne und in den Gesprächen abseits war zu spüren, dass die Vertreter der Medien den digitalen Wandel gestalten, nicht nur reagieren wollen. Es ging um moderne Zeitungsgestaltung und neue digitale Produkte, um den Wandel in den Köpfen der Mitarbeiter und um soziale Netzwerke als Chancen für Redaktionen. Immer aber ging es um eine stärkere Konzentration auf die Kunden, die Leser. „Guter Journalismus überlebt, wenn er sich auf seine Leser konzentriert“, fasste „Zeit“-Geschäftsführer Rainer Esser zusammen. Der Hamburger wurde vom Fachblatt Kress als „Medienmanager des Jahres“ausgezeichnet und berichtete in Wien von Erfolgen mit Online-Abos, neuen Podcasts und dem wachsenden Geschäft mit Veranstaltungen und Bildungsreisen. Man müsse die Leser zu „Freunden“machen, so Esser. In das Wehklagen über die Konkurrenz durch soziale Netzwerke wie Facebook wollte er nicht einsteigen. „Wir können viel von den Plattformen lernen.“Die Abhängigkeit der Medien von Facebook sei kein „Facebook-Problem, sondern ein Problem der Medien“.
Burda-Vorstand Philipp Welte, zuständig für nationale Titel wie „Bunte“und „Focus“, berichtete, dass das Münchner Verlagshaus 2017 erstmals mehr Umsätze mit neuen Geschäften als mit klassischen Anzeigenerlösen erzielt habe. Die Totenglocken für die Zeitschriftenhäuser hätten zu früh geläutet. „Wir sind kerngesund, obwohl wir eigentlich mausetot sein sollten.“Eine konsequente, digitale Transformation der Marken sei unverzichtbar. Aber eben auch Innovationen in Print. So will Burda nach dem Erfolg von „Barbara“, dem Magazin Norbert Küpper, Zeitungsdesigner und Gründer des European Newspaper Award-Wettbewerbs von TV-Moderatorin Barbara Schöneberger, weitere „Personality“Magazine auf den Markt bringen. Im Herbst kommt ein Heft rund um den Mode-Designer Guido Maria Kretschmer heraus.
Zum ersten Mal nach seiner Demission beim „Handelsblatt“trat der frühere Herausgeber und Chefredakteur des Düsseldorfer Wirtschaftsblatts, Gabor Steingart, bei einer Medienkonferenz öffentlich auf. Er redete den Chefredakteuren ins Gewissen und plädierte für eine radikale Lesernähe. „Das Publikum entfernt sich von alten Gewohnheiten und Gewalten“, mahnte er. „Ich kann nur raten, das Gespräch mit dem Publikum zu suchen.“Zu den Gründen seines Abgangs beim „Handelsblatt“äußerte sich Steingart nicht. Seinen morgendlichen EMail-Newsletter will er in veränderter Form bald wiederbeleben.
Im Rahmen des vom Meerbuscher Zeitungsdesigner Norbert Küpper und dem Verlag Johann Oberauer organisierten Kongresses wurden erneut die europäischen Zeitungspreise vergeben. Eine 16köpfige, internationale Jury wählte aus mehr als 300 Bewerbern besonders gelungene Seiten, Formate und Ideen aus. Zu den Trends des Jahres zählte Küpper „die Samstagsausgabe, die europaweit immer stärker zu einer Wochenendzeitung“ausgebaut werde, multimedial erzählte Geschichten auf den Onlineseiten und eine stärkere Visualisierung des Journalismus in nahezu allen Tageszeitungen. Als beste nationale Zeitung in Europa wurde das „Handelsblatt“ausgezeichnet, außerdem wurden das Luxemburger „Tageblatt“und die niederländische Zeitung „De Limburger“prämiert. Auch die Rheinische Post gehörte beim Kongress zu den Gewinnern. Fünf Preise für außergewöhnliche Zeitungsseiten und Sonderhefte konnte die Redaktion gewinnen.