Rheinische Post Krefeld Kempen

BVB hofft auf Neustart mit Favre

- VON KARSTEN KELLERMANN UND JANNIK SORGATZ

Der Schweizer Trainer hat auf jeder seiner Stationen Erfolg gehabt, besonders in Mönchengla­dbach.

DORTMUND Lucien Favre kommt aus einem winzigen Ort im Schweizer Kanton Waadt: Saint-Barthélemy. Dort tragen viele seinen Nachnamen, „da kann man ein FußballTea­m nur mit Favres aufstellen“, sagte er mal. Auch in der FußballWel­t gibt es mehr als einen Favre. Den echten natürlich, aber auch den Geist von Favre. Der schwebt noch immer über Borussia Mönchengla­dbach nach viereinhal­b Jahren, und auch beim OGC Nizza, den Favre im Sommer 2016 übernahm, werden sie ihn nicht so schnell vergessen. Ganz leibhaftig jedoch wird der 60-Jährige ab Juli Borussia Dortmund trainieren, als Nachfolger von Peter Stöger.

Nach Hertha BSC und Gladbach wird der BVB Favres dritter Klub in der Bundesliga. Als er mit Nizza im Trainingsl­ager der Gladbacher zu Gast war, trugen die Fans immer noch T-Shirts mit seinem Konterfei. Solche Shirts gibt es auch in Zürich. Dort machte er den FC Zürich zweimal zum Meister. Niemand wird ihm das je vergessen. Favre ist ein Trainer, der Spuren hinterläss­t und regelmäßig noch mehr als das scheinbare Maximum herausholt. In Dortmund hegen sie nun die Hoffnung, dass es bei seiner größten Station nicht anders sein wird.

Favre hat Gladbach im Jahr 2011 neues Leben eingehauch­t, die Mannschaft abgeschlag­en auf dem letzten Tabellenpl­atz übernommen, auf dem Umweg der Relegation gerettet und dann völlig unerwartet ins internatio­nale Geschäft geführt. Favre kam als Hoffnungst­räger, doch das, was er den Gladbacher­n gab, war viel mehr als Hoffnung. Es war, wie er oft sagte, und zwar mit dem nötigen Nachdruck: ein Wunder. Die Fans nannten ihn, in Anlehnung an Meistertra­iner Weisweiler, „Hennes“. Mehr Lob geht nicht in Gladbach. Weisweiler war der Erfinder der legendären Fohlenelf. Favre erfand die Borussia für die Neuzeit neu als „Borussia Barcelona“.

Er tat es mit größter Akribie, das ist sein Markenzeic­hen. Der Schweizer gehört zu den Trainern, die Spieler besser machen können. Favre ist ein Entwickler und ein Tüftler. Er ist ein Fußball-Lehrer im eigentlich­en Sinn, weniger indes Pädagoge als Professor – da ist jeder Millimeter auf dem Rasen entscheide­nd, Laufwege sind exakt ausbaldowe­rt wie auf der Playstatio­n. Favre-Teams sind gut organisier­t, sie arbeiten präzise. Sie können spektakulä­r sein, müssen es aber nicht. Er lehrt seine Spieler Geduld, das fordert er auch von den Fans ein. Dass er auch schrullig sein kann, muss man wissen. Favre ist Fußball-Freak durch und durch, er liebt und lebt den Fußball. Drumherum ist der Rest seines Lebens organisier­t.

Gladbach verließ er Hals über Kopf, Verein und Fans haben es ihm verziehen. Die eine Borussia vom Niederrhei­n scheint sich jedoch knapp drei Jahre nach seinem Rücktritt noch nicht vollständi­g von seinem Schaffen emanzipier­t zu haben, während er nun die andere in Westfalen übernimmt. Bis 2020 hat Favre in Dortmund unterschri­eben.

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