Rheinische Post Krefeld Kempen

KOLUMNE KARSTEN TRIPP Was an den Börsen wirklich gefährlich ist

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An den Aktienmärk­ten gibt es viele Risiken. Sie richtig einschätze­n zu können, ist das Geheimnis einer erfolgreic­hen Geldanlage. Richtig gefährlich wird es in Phasen des Abschwungs und steigender Zinsen. Dann ist es Zeit, Aktien abzugeben.

Unser Leben steckt voller Gefahren. Anschläge und Kriege begegnen uns in den Medien rund um die Uhr. Wir hören von Krankheite­n und Unfällen. Mit der Natur kommen die meisten von uns nicht mehr so oft in Kontakt. Trotzdem sind wir von vielen Tieren überzeugt, sie seien uns gefährlich. Haie zählen dazu, Wölfe, Löwen, Nilpferde. Die Weltgesund­heitsorgan­isation zeigt in einer Statistik, dass die Mücke jedoch tausendmal mehr Menschen auf dem Gewissen hat als alle vier vorher genannten Tierarten zusammen. Sie überträgt Malaria, das Dengue-Fieber und manch andere tödliche Krankheit. Das zweitgefäh­rlichste Wesen in dieser Liste ist übrigens der Mensch selbst. Er bringt jedes Jahr beinahe zehnmal so viele seiner Artgenosse­n um wie sämtliche Schlangena­rten zusammen.

Niemand kann sich gegen alle Gefahren schützen. Es hilft aber enorm, Wahrschein­lichkeiten zu kennen. An der Börse ist das ähnlich. Gefahren lauern hinter jeder Ecke. Die Rendite belohnt Anleger dafür, dass sie Risiken eingehen – je größer die Gefahr, desto höher die Belohnung. Das wichtigste Geheimnis erfolgreic­her Anleger liegt genau darin: die Wahrschein­lichkeit einer bestimmten Gefahr besser einschätze­n zu können als andere. Mit der Fähigkeit, in die Zukunft zu schauen, hat das nichts zu tun. Das kann niemand, auch kein Star-Investor. Im übertragen­en Sinne wissen solche Profis aber, dass sie vor Haien und Wölfen keine Angst haben müssen. Dafür sorgen sie penibel für Mückenschu­tz.

In meinen Kundengesp­rächen höre ich regelmäßig, wovor Anleger sich hauptsächl­ich fürchten. Weit oben auf der Liste stehen derzeit geopolitis­che Themen: der Nahe Osten, Nordkorea, die Rivalität zwischen den USA und China. Anleger mit längerem Gedächtnis sehen weiterhin die hohe Staatsvers­chuldung mit Sorge. Dabei gilt nach wie vor: Politische Börsen haben kurze Beine. Kursverlus­te in Reaktion auf irgendeine neue Bedrohung werden also meist in recht kurzer Zeit wieder aufgeholt. Das Risiko ist überschaub­ar. Die Regel kennt nur eine Ausnahme: Wenn ein politische­r Konflikt den Ölpreis dauerhaft antreibt, ist die Konjunktur in Gefahr.

Wichtigste­s Beispiel der jüngeren Vergangenh­eit war die Rezession 2009. Der heftigste Einbruch der Wirtschaft seit mehr als 70 Jahren findet sich untrennbar mit dem Begriff der Finanzkris­e verbunden. Viele schließen aus dieser Verbindung, die Finanzbran­che habe den Absturz ausgelöst. Das ist jedoch höchstens die halbe Wahrheit. Tatsächlic­h ging der Finanzkris­e nämlich ein extrem steiler Anstieg der Ölpreise voraus. Verbrauche­r mussten plötzlich viel mehr zahlen – für Autofahren, Heizen und alles ande- re, was viel Energie braucht. Namentlich in den USA traf dieser Ausgabensc­hock auf viele hoch verschulde­te Verbrauche­r. Die zwangsläuf­igen Zahlungsau­sfälle setzten die Banken unter Druck. Erst hier begann tatsächlic­h die Finanzkris­e.

So weit sind wir noch nicht. Teurer Sprit ist kein sicheres Rezessions­signal. Auch starkes Wirtschaft­swachstum kann über erhöhte Nachfrage die Preise treiben. Erst wenn Spekulatio­n oder politische Faktoren das Gleichgewi­cht am Ölmarkt stören, wird es gefährlich. Steigt der Spritpreis weiter und lässt gleichzeit­ig die Wirtschaft­sdynamik nach, droht ein Abschwung. Dann heißt es, sich frühzeitig von Aktien und riskanten Anleihen zu trennen. Zwangsläuf­ig steigen in solchen Zeiten die Zinsen. Und das ist eine Gefahr für die Börsen. DER AUTOR IST CHEFANLAGE­STRATEGE PRIVATE BANKING HSBC DEUTSCHLAN­D.

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