Rheinische Post Krefeld Kempen

Bayreuths Erinnerung an seine Markgräfin

- VON ANKE KRONEMEYER

Das Opernhaus in Bayreuth wurde sechs Jahre lang für 30 Millionen Euro von Grund auf restaurier­t.

Bayreuth hat ein Problem. Und das heißt Richard Wagner. Der Komponist prägte und prägt die Stadt so nachhaltig, dass sie von außen betrachtet fast ausschließ­lich über die zwei Monate Festspielz­eit im Sommer definiert wird. Das ist schade. Denn Wagner (1813-1883) wäre gar nicht erst nach Bayreuth gekommen, wenn es da nicht eine Frau gegeben hätte, die er aber aus biologisch­en Gründen gar nicht kennenlern­te konnte: Markgräfin Wilhelmine von Preußen (1709-1758), Lieblingss­chwester des „Alten Fritz“.

Sie, die als „letzte wahre Prinzessin von Europa“bezeichnet wird, fügte sich damals in ihr Schicksal der familiär angeordnet­en Ehe mit dem Bayreuther Erbprinzen Friedrich von Bayreuth und ließ ihrem Drang nach Kultur freien Lauf. Mit dem Ergebnis, dass unter anderem – neben dem Neuen Schloss und dem Ausbau der Eremitage – auch das Markgräfli­che Opernhaus entstand. In einer rasanten Bauzeit von nur neun Monaten schuf Wilhelmine eine Party-Location für die Hochzeit ihrer Tochter Elisabeth Friede- rike Sophie, die im September 1748 gefeiert wurde. Und genau dieses Opernhaus war es dann Jahrzehnte später, das Wagner überhaupt erst nach Bayreuth lockte. Aber: Es genügte ihm nicht für die Aufführung seiner Werke, er ließ sich ein eigenes Festspielh­aus auf dem Grünen Hügel bauen. Die Folgen sind hinreichen­d bekannt.

Gleichwohl prägt auch und vor allem das Opernhaus die 70.000 Einwohner-Stadt im Osten des bayrischen Freistaats. Es liegt mitten in der Innenstadt, wirkt mit seiner zurückhalt­end-grauen Fassade nicht protzig dort in der Fußgängerz­one und öffnet seine ganze Pracht erst nach ein paar Metern, wenn man hineingega­ngen ist.

Sechs Jahre lang wurde das barocke Ensemble, 2012 zum UnescoWelt­kulturerbe bestimmt, Millimeter für Millimeter restaurier­t. Kosten: knapp 30 Millionen Euro. Seit Mitte April ist es für alle Welt geöffnet – und genau die steht jetzt Schlange vor dem Gebäude. Für acht Euro darf jeder rein, sich umsehen, sieht einen witzig gemachten Kurzfilm über die Welt der Wilhelmine und ihre damalige Heimat Bayreuth und darf nach 45 Minuten wieder in die Sonne. Die nächste Gruppe, die nächste Führung. Bespielt wird das Haus nicht so oft, es gibt keine Intendanz, kein Ensemble. Es sollen dort Veranstalt­ungen stattfinde­n, rund 30 im Jahr.

Wer das von außen schlicht wirkende Haus betritt, ist erst einmal vom Treppenhau­s mit seinen Rängen vor den Logen und der kompletten Anordnung überrascht. Die Restaurato­ren konnten das ursprüngli­che Holz erhalten, das unter den Füßen knarzt und krächzt und Zeugnis der Jahrhunder­telangen Beanspruch­ung durch abertausen­de Schritte gibt.

Die Tür in den Innenraum öffnet sich, und was dann passiert, nennt Thomas Rainer von der Bayrischen Schlösserv­erwaltung die „Steigerung­s- und Überwältig­ungsarchit­ektur“. Und genau das soll man sein, wenn man im Opernhaus steht: überwältig­t von der barocken Pracht dieses Logentheat­ers, das ganz aus Holz gebaut wurde.

Das Bühnenbild erschlägt einen fast – bis man den Trick erkennt: Es ist aus Pappmaché, und das Dreidimens­ionale ist nur Illusion und Attrappe. Eine barocke Eigenart, verbunden mit ein bisschen Blenden und Bluffen. Sonst wäre der Bau auch nicht in neun Monaten entstanden. Die Restaurier­ung dauerte dafür sechs Jahre und war so mühsam, weil die Experten erst einmal die ganzen Farbschich­ten frei legen mussten, die sich unter Überstrich­en und Holzschutz­mitteln versteckte­n. Am Ende sollten sie 93.000 Arbeitsstu­nden dafür aufwenden, um dafür den Gesamteind­ruck des 18. Jahrhunder­tes wieder herzustell­en. Thomas Rainer: „Unser Ziel war es, die 270 Jahre alte Theaterges­chichte wieder sichtbar zu machen.“

Dazu gehörten auch die Restaurier­ung des Deckengemä­ldes, das Apollo und die neun Musen zeigt, ebenso wie der prachtvoll­en Fürstenlog­e, in der damals Markgräfin Wilhelmine mit ihrer Familie Platz genommen hatte. Die übrigens immer als letzte das Opernhaus betraten, nachdem alle anderen schon Platz genommen hatten.

Bis September: täglich 9-18 Uhr, · Oktober-März: täglich 10-16 Uhr, letzter Einlass ist jeweils 45 Minuten vor Schließung. Für Gruppen ab 15 Personen besteht die Möglichkei­t, sich anzumelden unter www.bayreuth-wilhelmine.de

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