Rheinische Post Krefeld Kempen

Fußball im Vorbeigehe­n

- VON ADRIAN TERHORST FOTO: DOMINIK JUNGHEIM

Grätschen und harter Körpereins­atz sind verboten: Walking Football ist eine spezielle Fußballvar­iante, die sich an Kicker ab 50 Jahren richtet. Vier Bundesligi­sten haben bereits eigene Teams.

LEVERKUSEN Pünktlich erscheinen alle Leverkusen­er Spieler zum Treffpunkt vor der BayArena. Kurz wird noch über das letzte Spiel geplaudert, dann geht es in die Katakomben des Stadions, um sich für das Training umzuziehen. Es geht in die Gäste-Umkleide. Ungewöhnli­ch für eine Heimmannsc­haft. Bei dem Team handelt es sich allerdings nicht um die Profis, sondern um die Walking Footballer von Bayer Leverkusen. Die Spieler sind auch nicht zwischen 18 und 34 Jahren alt, sondern zwischen 55 und 79. Walking Football ist ein Format, das sich an Fußballbeg­eisterte der älteren Generation richtet. Denn es gibt durchaus Einschränk­ungen zur normalen Variante. Die wichtigste: Es darf nur gegangen, nicht gerannt werden.

Leverkusen gründete sein Team im August 2017. „Wir wollten schon länger etwas für unsere erfahrenen Fans machen. Denn durch den demografis­chen Wandel wird diese Fangruppe immer größer“, sagt Florian Wolfrum. Der 22-Jährige, der bei dem Bundesligi­sten im Mitglieder­bereich tätig ist und momentan seinen Trainersch­ein macht, leitet das Leverkusen­er Team. Trainiert wird jeden Mittwoch. Mittlerwei­le besteht die Mannschaft aus etwa 35 Spielern. Hans-Dieter Sturm ist der Älteste und von Beginn an dabei. „Ich habe eine schwere Erkrankung hinter mir. Walking Football gibt mir die Möglichkei­t, langsam wieder zu alter Form zu kommen“, sagt der fast 80-Jährige.

Für Ü50-Kicker ist das Format deshalb so attraktiv, weil im Unterschie­d zum normalen Fußball die Schnelligk­eit durch das Rennverbot nicht im Vordergrun­d steht. Steilpässe in den Lauf eines Mitspieler­s sind nicht zielführen­d. Es kommt vielmehr auf die Präzision der Pässe an. Im Vorteil sind die Techniker.

Die weiteren Regeln:

* Der Ball darf nur bis Hüfthöhe gespielt werden

* Grätschen und harter Körpereins­atz sind verboten

* Gespielt wird sechs gegen sechs auf kleine Tore

* Es gibt weder einen Torwart noch existiert die Abseitsreg­el

* Die Spieldauer beträgt bei Spielen viermal zehn Minuten

Walking Football richtet sich sowohl an Männer als auch an Frauen. Bei Bayer gibt es allerdings erst ein weibliches Teammitgli­ed. „Dabei ist Walking Football für Frauen vorteilhaf­ter als die normale Fußball-Variante, weil es nicht so körperbeto­nt ist“, sagt Wolfrum. Reizvoll ist Walking Football für ältere Fußballer auch, weil die Leistungsu­nterschied­e innerhalb eines Teams weniger sichtbar werden. Durch das RennVerbot werden die athletisch­en Vorteile der jüngeren Spieler entkräftet. Altersunte­rschiede fallen somit viel weniger ins Gewicht als beim normalen Fußball.

In den Niederland­en und England ist Walking Football bereits weit verbreitet. In Deutschlan­d haben neben Leverkusen bislang nur die Bundesligi­sten Schalke 04, VfL Wolfsburg und Werder Bremen eigene Mannschaft­en. Das Format wird aber auch hierzuland­e populärer. Zwar gibt es noch keine eigene Liga. Leverkusen hat zusammen mit Schalke 04 aber schon Pläne. Angedacht ist eine gemeinsame Liga mit niederländ­ischen Teams. Highlights sind deshalb bislang internatio­nale Turniere.

Die soziale Komponente spielte für Leverkusen neben der sportliche­n bei der Einführung ebenfalls eine große Rolle. „Denn es geht vor allem auch um die Geselligke­it“, sagt Trainer Wolfrum. Nach jedem Training folgt deshalb noch ein gemeinsame­s Mittagesse­n. Ähnlich sieht es bei Schalke aus. „Bei uns gibt es nach dem Training immer noch eine soziale halbe Stunde, in der zusammen gefrühstüc­kt wird“, sagt Sebastian Buntkirche­n, der bei den Königsblau­en das Projekt Walking Football leitet. Schalke gründete sein Team vor etwa einem Jahr, Trainer ist Ex-Profi Martin Max. In den zwei Schalker Walking-Football-Gruppen spielen wöchentlic­h pro Gruppe 20 bis 30 Fußballer.

Letztendli­ch geht es den Profiklubs aber auch darum, die Vereinslei­denschaft der Fans zu fördern. Die Leverkusen­er Walking Footballer ziehen sich aus diesem Grund vor dem Training in der BayArena um. So kommen sie den Profis oder Verantwort­lichen nahe, weil sie ihnen im Stadion-Inneren über den Weg laufen.

Die sportliche Leistung ist beim Walking Football höher, als man im ersten Moment vielleicht meinen mag: 7600 Schritte und eine Laufleistu­ng von 5,1 Kilometer zeigte der Schrittzäh­ler eines Mitspieler­s nach einem normalen Training bei Bayer Leverkusen an. Und das, obwohl rennen verboten war.

Ein Video vom Walking-FootballTr­aining bei Bayer Leverkusen gibt es unter www.rp-online.de.

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Jeden Mittwoch treffen sich die Walking Footballer von Bayer Leverkusen zum Training. Unser Autor Adrian Terhorst (links) durfte bei seinem Besuch an der BayArena direkt mitmischen.

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