Rheinische Post Krefeld Kempen

Ein Zeichen für den Frieden setzen

- VON BIANCA TREFFER

Für St. Hubert war es gestern die erste, für Kempen insgesamt die vierte Stolperste­inverlegun­g. Im Rahmen der Initiative „Stolperste­ine in Kempen“erinnern die neuen Bronzetafe­ln an einen polnischen Zwangsarbe­iter und neun Juden.

ST. HUBERT „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist. Wir wollen ein Zeichen für den Frieden setzen“, mit diesen Worten eröffnet Ute Gemmel-Geuchen nicht nur die erste Stolperste­inverlegun­g in St. Hubert. Die Sprecherin der Initiative „Stolperste­ine in Kempen“macht damit auch deutlich, wie wichtig es ist, der Menschen zu gedenken, die durch den Nationalso­zialismus zu Tode kamen. Leise und aufauffäll­ig, beobachtet von den zahlreiche erschienen­en Gästen, darunter auch Verwandte der ermordeten Menschen, mauert Gunter Demnig den ersten quadratisc­hen Stein mit der Bronzeplat­te und dem Namen des Opfers in die vorbereite­te gepflaster­te Fläche ein.

Die erste Verlegung fand an Escheln 1 stattfinde­t. Dort hatte seinerzeit der Pole Czeslaw Macijewski als Kriegsgefa­ngener gelebt. „Die Hinrichtun­g fand am 25. Oktober 1941 um 8.15 Uhr in Schmalbroc­ih statt“, trägt Celina, eine Achtklässl­erin der Gesamtschu­le Kempen vor. Der Zwangsarbe­iter hatte ein Verhältnis mit einer deutschen Frau, was als „Rassenscha­nde“galt und mit dem Tod durch Erhängen geahndet wurde. Auch die Frau wurde inhaftiert, nachdem sie entgegen der vorgeschri­ebenen Abtreibung das Kind zur Welt brachte. Sie kam am 25. Februar 1942 in das Konzentrat­ionslager für Frauen in Ravensbrüc­k.

Bei den Worten der Schülerin, die das Schicksal dieser beiden Menschen beschreibt und damit alle Zuhörer an Unfassbare­m teilhaben lässt, herrscht Stille. Als sie die letzten Sätzen vorliest, steht tiefes Entsetzen in den Gesichtern. „Die Gestapo teilte der Friedhofsv­erwaltung in Krefeld nach derartigen Hinrichtun­gen mit, dass auf Asche und Urne kein Wert gelegt werde. Die Asche könne beseitigt werden. Nicht zuletzt deswegen verlegen wir heute diesen Stolperste­in für ihn“, liest Celina mit leiser Stimme vor. Begleitete durch die Schüler der weiterführ­enden Schulen Kempens vom St. Huberter Vokalensem­ble „Vivoce“. Sie trugen unter anderem hebräische Lieder vor, danach begann die Verlegung der Stolperste­ine an fünf Stationen. Auf dem Zanger 1 erinnert ein Stein an Eva Falk. „Sie war 83 Jahre alt, als man sie aus St. Hubert auf den Weg in die Vernichtun­g brachte“, trägt Katherina von der Kempener Hauptschul­e vor. Die Zuhörer erhalten einen kleinen Einblick in das Leben der Jüdin, die im Hürtengwal­d bei Düren zur Welt kam. Es ist unvorstell­bar, dass die alte Dame, als sie sich nicht mehr selber versorgen konnte, keinen Platz in einem Heim fand, da sie Jüdin war. Das St. Huberter Hospital, geleitet von Ordensfrau­en, nahm sie letztlich in ihrem Altenheim auf. An der Hauptstraß­e/Ecke Anton-Hochkirche­n-Straße wird Wilhelmine und Siegfried Mendel sowie Ernst Anschel gedacht. Das Schicksal von Eva, Isidor, Mathilde und Hans Fe- lix Lambertz bleibt unvergesse­n aufgrund der Steine an der Hauptstraß­e 43. Wobei Hans Felix Lambertz überlebte, da seine Adoptivelt­ern es schafften, ihn über die Niederland­e nach England in Sicherheit zu bringen. Er starb vor drei Jahren in Innsbruck.

An der Königstraß­e 12 erinnert der Stein an Max Mendel. Stück für Stück geht es durch St. Hubert, wobei viele der Besucher die gesamte Verlegung begleiten. An allen Standorten wird das kleine Rednerpult aufgebaut und Demnig greift zu seinen Arbeitsmat­erialien.„Es ist wichtig, dass diese schlimmen Schicksale nicht in Vergessenh­eit geraten. Wir geben hier etwas an die nächsten Generation­en weiter. Keiner von uns möchte das erleben, was diese Menschen erlebt haben“, sagt Leonie, die zu den Gesamtschü­lerinnen gehört, die sich in Vorbereitu­ng auf die Stolperste­inverlegun­g intensiv mit dem Thema auseinande­rsetzten und Texte vortrugen.

Der Zwangsarbe­iter hatte ein Verhältnis mit einer deutschen Frau, was als „Rassen

schande“galt

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FOTOS (2): NORBERT PRÜMEN Gunter Demnig beim Verlegen des ersten Stolperste­ins in St. Hubert. Zahlreiche Schüler und Erwachsene erinnerten gestern an die schlimmen Verbrechen, die an jüdischen Mitbürgern begangen worden sind.

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