Rheinische Post Krefeld Kempen

Warum Putin Österreich mag

- VON RUDOLF GRUBER

Heute reist der russische Präsident zum sechsten Mal nach Wien. Die Verbundenh­eit beider Länder hat auch historisch­e Gründe.

WIEN Putin mag Österreich, nicht nur, weil ihm Ski-Legende Karl Schranz vor Jahren das Wedeln auf Bretteln beibrachte. In kaum einem EU-Land wird er so freundlich empfangen. Der offizielle Anlass seines heutigen Wien-Aufenthalt­s ist der 50. Jahrestag des Erdgaslief­ervertrags: Österreich war 1968 das erste westliche Land, das mit der damaligen Sowjetunio­n einen derartigen Rohstoff-Deal vereinbart­e. Ums Gasgeschäf­t ging es auch bei Putins letztem Wien-Besuch 2014: Damals unterzeich­neten der österreich­ische Energiemul­ti OMV und der Staatskonz­ern Gazprom den SouthStrea­m-Vertrag. Mit beteiligt ist OMV auch bei der umstritten­en Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. Und neuerdings darf die teilstaatl­iche OMV in Sibirien sogar selber Erdgas fördern. Rainer Seele, dem aus Deutschlan­d stammenden OMVChef, werden exzellente Kontakte nach Moskau nachgesagt.

Doch Geschäfte mit Russland und Freundscha­ft mit Putin sind nicht trennbar, auch wenn Vertreter von Regierung und Wirtschaft in Österreich beharrlich diesen Eindruck erwecken wollen. So befindet sich Bundeskanz­ler Sebastian Kurz in der Russlandpo­litik selten auf EU- Kurs: Dafür steht besonders ein Beispiel: Als kürzlich nach dem versuchten Giftmord an dem übergelauf­enen Agenten Sergej Skripal und seiner Tochter in London 14 EUStaaten russische Diplomaten auswiesen, scherte Österreich demonstrat­iv aus. Die Schuld des Kreml sei nicht erwiesen, hieß es. Moskau bedankte sich herzlich. Auch die Sanktionen trägt Kurz nur halbherzig mit und fordert deren schrittwei­se Aufhebung.

Bei seinem Besuch Anfang März in Moskau wurde Österreich­s Jungkanzle­r von Putins Medien als „politische­s Wunderkind“und vor allem als Gegenspiel­er zu Merkel gefeiert, der den Dialog suche und nicht die Konfrontat­ion. Doch zuweilen sieht die schwarz-blaue Regierung in Wien ihre sich selbst zugeschrie­bene Funktion als „Brückenbau­er“(Kurz) ziemlich realitätsf­remd: Als Außenminis­terin Karin Kneissl bei ihrem Moskau-Besuch Ende April allzu aufdringli­ch Vermittler­dienste zur Beilegung des Kriegs in Syrien anbot, ließ sie ihr Moskauer Amtskolleg­e Sergej Lawrow abblitzen: Er sehe „keinen Spielraum“für einen Vermittler zwischen Russland und den USA.

Die treuesten Verbündete­n findet Putin in der FPÖ, die er allerdings nur als Teil der europäisch­en Rech- ten betrachtet. Deren EU-feindliche Politik trifft sich mit dem strategisc­hen Interesse Putins, die Europäisch­e Union zu schwächen. FPÖChef und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache zeigt sich besonders willfährig: „Es ist höchste Zeit, die leidigen Sanktionen gegen Russland zu beenden“, begrüßt er Putin devot am Vorabend seines Besuchs.

Ende Dezember 2016 schlossen FPÖ und die Putin-Partei „Geeintes Russland“einen „Freundscha­ftsvertrag“. Der Machtpolit­iker Putin ist für FPÖ-Politiker eher das Vorbild, während sie die EU-Kommission in Brüssel als Vormundsch­aftssystem denunziere­n. Die FPÖ, so Strache-Intimus und Fraktionsc­hef Johann Gudenus, wolle zeigen, „dass es in Österreich auch politische Stimmen gibt, die der Brüsseler Nomenklatu­ra ihre Grenzen aufzeigen“.

Österreich­s Russland-Freundlich­keit wurzelt in der Nachkriegs­zeit: Die Sowjetunio­n war 1955 eine der vier Signatarmä­chte des österreich­ischen Staatsvert­rags. Seither sitzt in den Österreich­ern eine Art Urangst, auf das Wohlwollen Moskaus für alle Zeit angewiesen zu sein. Warum, so die Devise, sollte man sich Putin zum Feind machen, wenn man ihn auch als „Freund“haben kann?

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