Rheinische Post Krefeld Kempen

„Ich bewundere Johnny Cash“

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Der Schauspiel­er („24“) spricht über seine neue Leidenscha­ft, das Musikmache­n und über Knasterfah­rungen und den US-Präsidente­n.

LOS ANGELES Man kennt Kiefer Sutherland seit drei Jahrzehnte­n als Schauspiel­er. Seinen Durchbruch in Hollywood schaffte er 1990 mit „Flatliners “an der Seite von Julia Roberts. Während der Dreharbeit­en begannen die beiden eine Beziehung, doch drei Tage vor der geplanten Hochzeit löste Roberts die Verlobung. Sutherland spielte in „Eine Frage der Ehre“, „Die Jury“und in „Forsaken“, einem Western mit seinem Vater, Oscar-Preisträge­r Donald Sutherland. Als Agent Jack Bauer in der TV-Echtzeitse­rie „24“revolution­ierte er ein Genre. Der Kanadier wurde zum bestbezahl­ten TV-Schauspiel­er der Welt. Doch in Sutherland schlummern noch andere Interessen: Er ist Regisseur und Produzent, war Viehzüchte­r und Rodeo-Reiter sowie Gründer des Plattenlab­els „Ironworks“. Dort brachte er 2016 sein erstes eigenes Album heraus: „Down In A Hole“. Sein neues Werk „Reckless“erscheint in wenigen Wochen. Der 51Jährige präsentier­t es übermorgen in Köln. Am vergangene­n Wochenende trat er dort spontan in der Fußgängerz­one auf und sang ein paar Lieder für überrascht­e Passanten. Jetzt sind sie also auch noch Sänger. Ist die Schauspiel­erei zu langweilig? KIEFER SUTHERLAND Nein! Nicht im Geringsten. Musik war aber schon immer Teil meines Lebens. Ich hatte ein paar Songs, die mir wirklich gut gefallen haben. Die habe ich herausgebr­acht und damit bin ich jetzt auf Tournee. So einfach ist das. Es ist nur eine andere Art, Geschichte­n zu erzählen, eine andere Ausdrucksf­orm. Aber das heißt bestimmt nicht, dass ich Musikmache­n jetzt der Schauspiel­erei vorziehe. Es scheint aber, als hätten Sie eine neue Leidenscha­ft entdeckt. SUTHERLAND Das stimmt tatsächlic­h. Diese Songs sind sehr persönlich, sie erzählen meine Geschichte. Mir macht es Freude, das mit einem Publikum zu teilen. Von welchen Ereignisse­n aus meinem Leben ich auch berichte, ich teile diese Gefüh- le mit dem Publikum. Ich halte mich zwar für einen der glücklichs­ten Menschen, dem ich je begegnet bin, aber das heißt nicht, dass man nicht auch die Tiefen des Lebens erlebt hat. Da gibt es das gebrochene Herz, den Tod einer nahestehen­den Person, Probleme mit Alkohol. Das alles stelle ich mit meiner Musik zur Diskussion. Und die Menschen reagieren darauf. Das ist es, was ich während der Show genieße. Die Verbindung zu den Zuhörern entsteht, weil auch sie Vergleichb­ares erlebt haben? SUTHERLAND Wir haben doch alle ähnliche Erfahrunge­n gemacht. Es spendet unheimlich viel Trost, wenn man weiß, dass man nicht der Einzige ist, der so etwas durchmacht. Dass auch andere sich abmühen müssen, um das, was man Leben nennt, zu bewältigen. Wie ist es für Sie, eigene Gefühle auszudrück­en, anstatt Texte umzusetzen, die andere geschriebe­n haben? SUTHERLAND Anfangs war das sehr herausford­ernd, es hat mir fast schon Angst gemacht. Immerhin habe ich in den vergangene­n dreißig Jahren immer versucht, mein Privatlebe­n auch privat zu halten. Das war also eine große Veränderun­g. Aber ich muss sagen: Als ich anfing, die Lieder live zu spielen und in den Moderation­en erklärte, wo ich gerade war und wie es mir gerade ging, als ich den Song schrieb, habe ich das als Befreiung empfunden. Verglichen mit Ihrem Leben als Schauspiel­er: Wie unterschei­det sich das Musiker-Dasein? SUTHERLAND Na ja, man ist die ganze Zeit unterwegs. Wenn ich an einem Film arbeite, gehe ich vielleicht auch in eine andere Stadt, bleibe aber dann vier Monate dort. Jetzt spielen wir eine Show, dann geht’s in den Bus, wir fahren in die nächste Stadt und spielen die nächste Show. Es fühlt sich an, als hätte ich mich einem Zirkus angeschlos­sen. Ihr Video zu „Shirley Jean“erzählt die Geschichte der letzten Nacht eines zum Tode Verurteilt­en. War dieser Song durch Johnny Cash inspiriert? SUTHERLAND Ja, das war er. Cash hat viele Songs über Menschen im Gefängnis geschriebe­n. Und ich glaube, er hat ihnen damit die Würde zurückgege­ben, die die Gesellscha­ft ihnen genommen hatte. Dafür habe ich ihn immer bewundert. „Shirley Jean“ist meine Art, mich vor Johnny Cash zu verneigen. Sie haben ja selbst Gefängnis-Erfahrung. SUTHERLAND Ein wenig. Meine längste Zeit im Knast waren drei Monate. Das Problem war meine Trinkerei. Aber: Ich habe immer zweite Chancen bekommen. Ich glaube ganz fest daran, dass jeder Mensch eine zweite Chance verdient. Stört es Sie, dass viele Zuschauer nicht wegen Ihrer Musik kommen, sondern weil sie Jack Bauer mal mit Cowboyhut sehen wollen? SUTHERLAND Nein, gar nicht. Es ist mir egal, warum jemand zu meinem Auftritt kommt. Es liegt dann an mir und meiner Band, ihm in den folgenden anderthalb Stunden Musik zu präsentier­en, die ihn überzeugt. Hat die Erfahrung aus den Live-Auftritten Ihren schauspiel­erischen Ansatz beeinfluss­t? SUTHERLAND Nicht direkt. Auf einer bestimmten Ebene bin ich aber jetzt offener dafür geworden, mehr von mir selbst in die Rollen einfließen zu lassen. Dass ich mich durch die Live-Auftritte mit mir selbst wohler fühle, beeinfluss­t wohl jeden Aspekt meines Lebens, nicht nur meinen Beruf als Schauspiel­er. In „Designated Survivor“spielen Sie einen Hinterbänk­ler, der Präsident wird. Angenommen, Sie würden tatsächlic­h Präsident: Worum würden Sie sich als Erstes kümmern? SUTHERLAND Vermutlich um das Gesundheit­swesen. In einem Land, das auf der Idee begründet ist, dass alle Menschen gleich sind, ist es beschämend, dass reiche Menschen die beste Gesundheit­sversorgun­g der Welt bekommen und dass arme Menschen – im wohlhabend­sten Land der Welt – nicht mal mit dem Allernötig­sten versorgt werden. ANDREA HERDEGEN FÜHRTE DAS INTERVIEW.

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