Rheinische Post Krefeld Kempen
Umbrüche der Gegenwart im Fokus
Die Ruhrtriennale macht auch diesen Sommer mehr als sechs Wochen lang die Metropole Ruhr zur Kulturbühne für internationale Produktionen.
Die Ruhrtriennale lädt jedes Jahr zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler ein, die monumentale Industriearchitektur der Metropole Ruhr zu bespielen. Hallen, Kokereien, Maschinenhäuser, Halden und Brachen des Bergbaus und der Stahlindustrie verwandeln sich in beeindruckende Spielorte an den Schnittstellen von Musiktheater, Schauspiel, Tanz, Performance und Bildender Kunst. Sie machen die Ruhrtriennale zu einem weltweit einzigartigen Festival. Die Programmausrichtung wird maßgeblich von der Intendanz bestimmt, die alle drei Jahre neu berufen wird.
Die Intendantin der Festivalausgabe von 2018, 2019 und 2020 ist Stefanie Carp. Sie setzt den Fokus auf die fundamentalen gesellschaftlichen Umbrüche und Aufbrüche unserer Gegenwart. Artiste associé dieser drei Jahre ist Christoph Marthaler.
33 Produktionen und Projekte, davon 20 Eigen- und Koproduktionen, 16 Uraufführungen, Neuinszenierungen, Deutschlandpremieren und Installationen werden zwischen dem 9. August und 23. September in den ehemaligen Industriehallen des Ruhrge- bietes und an weiteren Orten gezeigt. Zu den Höhepunkten der Eröffnungswoche gehören eine neue Kreation des südafrikanischen Regisseurs William Kentridge, die Einweihung einer Skulptur des amerikanischen Künstlers Olu Oguibe sowie die Uraufführung der Musiktheater-Kreation „Universe, Incomplete“, mit der Christoph Marthaler die komplette Bochumer Jahrhunderthalle bespielt.
Eröffnet wird die Ruhrtriennale 2018 am 9. August in der Kraftzentrale Duisburg mit der Produktion „The Head and the Load“von William Kentridge. In der Kreation aus Musiktheater, Tanz und Bildender Kunst setzt sich der südafrikanische Regisseur mit der Rolle Afrikas im Ersten Weltkrieg auseinander: Zwischen 1914 und 1918 wurden mehr als zwei Millionen Menschen aus dem afrikanischen Kontinent von den Kolonialmächten gezwungen, für sie in den Krieg zu ziehen. Diesem kaum erforschten Kapitel afrikanischer und europäischer Geschichte widmet Kentridge seine installative und szenische Arbeit, die bei der Ruhrtriennale Deutschlandpremiere feiert.
Vor der Premiere von „The Head and the Load“hält die indische Atomphysikerin und Aktivistin Vandana Shiva in der Gebläsehalle Duisburg die Eröffnungsrede zum diesjährigen Festival.
Auch musikalisch wird einiges geboten: Die Reihe „MaschinenHausMusik“stellt in ihren audio-visuell geprägten Konzerten Musiker in den Mittelpunkt, die ihre Wurzeln nicht nur primär in Europa haben, sondern auch in Regionen des östlichen Mittelmeerraumes, die teilweise Schauplatz schwerster politischer und gesellschaftlicher Verwerfungen sind.
Zu den Gästen im Maschinenhaus Essen gehören: Hezarfen Ensemble, Mazen Kerbaj und Sharif Sehnaoui, Ensemble Garage und Electric Indigo, Hassan Khan und Tarek Atoui sowie das Monochrome Project. Weitere musikalische Ereignisse des diesjährigen Festivals sind Konzerte der USamerikanischen Musikerin und Künstlerin Laurie Anderson (Lichtburg Essen) sowie des Ensembles Modern, das der britischen Komponistin Rebecca Saunders ein Konzertporträt im Salzlager der Kokerei Zollverein Essen widmet.
Der US-amerikanische Multiinstrumentalist Elliott Sharp verwirklicht zudem in der Turbinenhalle Bochum mit „Filiseti Mekidesi“eine raumgreifende Zwischenform aus Oper und Installation, die eine Brücke zum visionären Fragment der „universalen Symphonie“von Charles Ives schlägt. Zu den Festivalgästen im Bereich Tanz gehört unter anderem der aus Burkina Faso stammende Choreograf Serge Aimé Coulibaly. Coulibaly ist bekannt für ein äußerst ausdrucksstarkes Tanztheater, das immer auch politisch motiviert ist. In „Kirina“, das seine Deutschlandpremiere in der Maschinenhalle Zweckel in Gladbeck feiert, setzt er sich mit der Migration innerhalb Afrikas auseinander und hinterfragt die kulturellen Transformationen durch diese Wanderungsbewegungen. Musikalisch wird seine Choreografie begleitet von der international gefeierten Musikerin Rokia Traoré aus Mali, die eine eigene Version der klassischen afrikanischen Mandinka-Musik kreiert hat.
Den Auftakt in der Sparte Schauspiel macht eine neue Produktion des in Damaskus geborenen Dramatikers Mohammad Al Attar und des ebenfalls aus Syrien stammenden Regisseurs Omar Abusaada. Ausgangspunkt von „The Factory“ist die Geschichte der französischen Zementfabrik Lafarge in Syrien. In der Auf- führung bei PACT Zollverein rekonstruieren die beiden Künstler die skrupellosen Machenschaften rund um die Produktionsanlage, in der trotz des Kriegsausbruches auf Druck der Geschäftspartner weiter gearbeitet werden musste.