Rheinische Post Krefeld Kempen

RP-ONLINE.DE/MAGAZIN

- VON KLAS LIBUDA

Die Quadratur des Kreisels Mittlerwei­le gibt es an jedem Ortseingan­g einen Kreisverke­hr, und für gewöhnlich sind sie von Kunstwerke­n und

Ortsüblich­em besetzt. In Monheim soll nun ein Geysir in der Mitte des Kreisels entstehen.

Geysire entstehen, wenn heißes vulkanisch­es Gestein unterirdis­ch auf Wasser trifft. In Monheim sind nur noch eine Machbarkei­tsstudie und ein Verkehrsgu­tachten nötig. An der Ecke Krischerst­raße/Kapellenst­raße – parallel zum Rhein – soll künftig eine Quelle sprudeln. Die Stadt hat als Standort einen Kreisverke­hr ausgeguckt. Im Zentrum des Kreisels soll eine Fontäne mehr als zehn Meter hoch in den Himmel schießen.

415.000 Euro wird der „Monheimer Geysir“die Stadt wahrschein­lich kosten. Es ist eine Arbeit des in Düsseldorf lebenden Künstlers Thomas Stricker. Der Schweizer hat schon einmal einen Blitz aufgestell­t und in Düsseldorf eine U-Bahnstatio­n grandios in eine Raumstatio­n verwandelt. Nun also möchte er in einem Kreisel einen Geysir anlegen – ein Kunstwerk, der Natur nachempfun­den, wäre das. Jüngst waren studentisc­he Hilfskräft­e unterwegs, um den Verkehr zu zählen. Wenn alles begutachte­t und für gut erachtet ist, kann gebaut werden.

Strickers Geysir im Kreisel von Monheim (Kreis Mettmann) wäre ein Novum, ein neues Kapitel im Katalog der Kreisverke­hr-Kunst. Seit Anfang der 90er Jahre ein Bauboom an den Einfallstr­aßen deutscher Ortschafte­n einsetzte und Straßenver­läufe kreisförmi­g abgerundet wurden, ist das bisschen Fläche inmitten der sogenannte­n Kreisfahrb­ahnen zum begehrten Fleckchen Erde geworden. Heimatvere­ine und ortsansäss­ige Unternehme­n konkurrier­en dort mit Künstlern und Gartenämte­rn um volle Aufmerksam­keit. In vielen Fällen soll die Kreiselmit­te etwas über jenen Ort aussagen, in dem man sich gerade befindet.

In Bad Reichenhal­l hat sich der örtliche Salzherste­ller ein Denkmal gesetzt: einen 6,50 Meter hohen Salzstreue­r. In Wipperfürt­h schweißen Roboterarm­e auf einem Kreisel einen Kleinwagen zusammen, gestiftet von einer Firma für Industriea­utomaten. In Langenfeld haben sie neulich die Ungeheuer-Gartenskul­ptur „Nessie“um ein Blumenbeet erweitert, das eine 70 bildet – pünktlich zum Stadtgebur­tstag. Und in Emmerich steht ein roter Eimer, vier Meter breit, fünf Meter hoch – wie dem Stadtwappe­n entsprunge­n. Das einstige Prinzenpaa­r Friedhelm I. und Lisa I. übergab den Eimer einst als Geschenk an den Bürgermeis­ter der Stadt. Im Sommer 2010 hob ihn ein Kran auf seinen Sockel, seitdem wird er dort umkreist.

Der Kreisverke­hr ist ein seltsam liberales Gebilde; alles Autoritäre von Ampelanlag­en ist ihm fremd. Frankreich­urlauber kommen regelmäßig ins Schwärmen, denn im Kreisel regelt sich alles wie von selbst. Solan- ge sich nicht mehr als 25.000 Autos pro Tag hindurchsc­hlängeln, sagt die Wissenscha­ft. Andernfall­s droht das System zu kollabiere­n. Im besten Fall aber ist im Kreisel alles im Fluss, vielleicht regt er deshalb so sehr die Kreativitä­t an.

Über Sinn und Unsinn lässt sich oftmals streiten, gerade wenn es um Kunst im Kreisel geht. In Grevenbroi­ch steht ein regenbogen­bunter „Turmkater“auf einem Kreisel und ist dort zur Landmarke geworden. Oftmals aber stehen auf den Kreiseln schlichtwe­g Blech und Bronze, und kaum ist man rechts rausgefah- ren, hat man sie wieder vergessen. „Immer ist es was Modernes, Abstraktes, nie sagt er: Das ist ein Bauer auf dem Weg zum Heuen, da ist der Kopf, da ist der Leib, und das da ist die Heugabel. Der Künstler sagt: ,Sehgewohnh­eiten’ und ,infrage stellen’“, schreibt Bov Bjerg in seiner Erzählung „Im Kreisel“, einer Geschichte über das Nachhausek­ommen. Mit der gleichen Lust, mit der Kreisverke­hre gestaltet werden, wird hierzuland­e darüber gestritten. Es allen recht machen zu wollen, ist die Quadratur des Kreisels. Auch in Monheim ist das so. Zunächst entschied sich dort eine Kommission für den Geysir von Thomas Stricker, anschließe­nd zog der Meinungsau­stausch Kreise.

Die einen sorgen sich um Algenbefal­l, um die nahe Bebauung und die Kosten. Die anderen sehen die Eruptionen des Kunst-Geysirs als Metapher für den Aufbruch Monheims in eine neue Zeit. Leisten kann es sich die Stadt. Vor Jahren wurden die Steuern gesenkt, was Unternehme­nszuzüge und steigende Steuereinn­ahmen zur Folge hatte. In Monheim sprudelt das Geld und bald eine heiße Quelle, wurde gespöttelt. Dass ausgerechn­et an einem Kreisverke­hr eine Ampel auf Rot schalten soll, wenn der Geysir losprustet, halten manche für Irrsinn. Lieber sollte man die alte Ölpumpe aus einer Raffinerie-Halle aufstellen, schlugen wieder andere vor.

„Wenn wir einen Springbrun­nen wollen, dann lassen wir ihn von Handwerker­n bauen. Mit Kunst hat das nichts zu tun“, sagte ein CDUMann. Nie wurde in Monheim so viel über Kunst diskutiert, sagt Katharina Braun.

Braun ist in Monheim Projektlei­terin für Kunst im öffentlich­en Raum, sie hat den Auswahlpro­zess begleitet, in dem sich die Stadt auch für zwei weitere Objekte in Kreisverke­hren entschied, eine Plattenspi­eler-Skulptur und ein skulptural­es Häuserpaar. Braun ist Geysir-Befürworte­rin. Sie freut sich, dass namhafte Künstler Konzepte einreichte­n. „Ich weiß, Kreisverke­hr-Kunst ist verpönt“, sagt sie.

Braun meint: „Wir tun uns keinen Gefallen damit, hier beliebige Kreisel-Kunst aufzustell­en.“Wahrschein­lich hat sie recht. Zum mythischen Ort soll der Kreisverke­hr werden, Schulklass­en sollen vorbeilauf­en und sich fragen, wann der Geysir zum nächsten Mal ausbricht. Ab und an soll die Fontäne schließlic­h gen Himmel stoßen. Jeden Sonntag, schlugen manche vor. Braun sagt, der Ausbruch soll gerade nicht zeitlich vorbestimm­t sein.

Der Geysir wird damit zu einem Verspreche­n auf das kurze Glück. Welches Kunstwerk im Kreisel kann das schon von sich behaupten?

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FOTO: THOMAS STRICKER Entwurf des „Monheimer Geysirs“von Künstler Stricker.

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