Rheinische Post Krefeld Kempen
Gepäckdiebe haben kaum eine Chance
Koffer und Taschen von Flugreisenden gelten als lohnende Beute. Am Düsseldorfer Flughafen hat die Zahl der Diebstähle trotzdem einen historischen Tiefstand erreicht.
Zwei Mal pro Woche sind in den ersten fünf Monaten des Jahres Gepäckstücke am Düsseldorfer Flughafen gestohlen worden. Das ist für die 43 betroffenen Reisenden zwar ärgerlich. Für die Polizei aber ist es ein Erfolg, mit dem vor drei Jahren niemand gerechnet hat. Denn 2014 waren es im Durchschnitt noch vier Koffer täglich, die am Flughafen den Besitzer wechselten. Mit einem neuen Konzept ging die Polizei deshalb Anfang 2015 an den Start, konnte die Zahlen auf ein Fünftel reduzieren. Und dieser Trend setzt sich fort.
„Wir haben uns diesen Erfolg hart erarbeitet“, sagt Jürgen Thrien, der die Offensive gegen die Gepäckdiebe schon damals geleitet hat. „Tausende Stunden lang haben wir Videomaterial gesichtet, zigtausend Stunden Verdächtige observiert.“Und ein Ende ist nicht in Sicht. „Würden wir heute damit aufhören, wären die Diebe morgen wieder da.“Und das ist durchaus wörtlich gemeint. Denn die gut organisierten Diebesbanden schicken täglich ihre Späher aus, die kontrollieren, ob und wie viele Polizisten im Terminal sind. „Die sitzen bei Starbucks und gucken, manche grüßen uns sogar“, sagt einer der Fahnder, die in Zivil im Flughafen gewissermaßen umgekehrt das gleiche tun: permanent Ausschau halten nach den Tätern.
Mit zwei Gruppen hat es die Kripo hauptsächlich zu tun: Das eine sind die Gelegenheitsdiebe, die auch in der Altstadt etwa mit dem Antanztrick oder Ladendiebstählen ihren Lebensunterhalt bestreiten, und gelegentlich stundenlang durchs Terminal streifen, um eine herumstehenden Koffer an sich zu bringen. Denn natürlich wissen auch diese Täter, dass Gepäckdiebstahl lukrativer ist als ein abgezogenes Porte- monnaie. Etwa das Zehnfache an Beute macht ein Gepäck- im Gegensatz zu einem Taschendieb bei einer einzigen Tat. Die ungeübten Koffersucher sind für die Polizei inzwischen kleine Fische, weil sie für das geschulte Fahnderauge leicht zu erkennen und entsprechend schnell zu fassen sind.
Anders als die „Champions League“der Kofferdiebe, die hochprofessionell und gut trainiert internationale Flughäfen abgrast. Bis in die 1990er Jahre waren diese Profi-Diebe vor allem Südamerikaner, die zum Stehlen durch die Welt reisten, sagt Thrien. Doch diesen Markt ha- ben ihnen Banden aus dem Kosovo inzwischen abgenommen. Die Experten schätzen, dass etwa 40 bis 50 Kosovo-Albaner diese Banden steuern und dabei durchaus zusammenarbeiten. „Das sind mafiös organisierte Strukturen“, sagt Thrien.
Die Täter sind im Durchschnitt um die 50 Jahre alt und auf einzelne Bereiche der arbeitsteiligen Klaumethode spezialisiert. Einer sucht etwa nach geeigneten Opfern, vorzugsweise an den Gates, an denen beispielsweise Flieger aus Dubai oder Moskau landen. Da sind besonders viele Reiche an Bord, nicht selten mit großen Mengen Bargeld im Gepäck. Ist die Beute anvisiert, gibt der Späher dem Ablenker ein Zeichen. Der sorgt dafür, dass das Opfer sein Gepäck aus den Augen lässt. Dann kommen zwei Komplizen zum Zuge, der eine, der das Gepäckstück an sich nimmt und der Blocker, der dem Bestohlenen die Sicht auf den sich entfernenden Dieb nimmt. „Dank Videoüberwachung können wir heute der ganzen Gruppe die Tatbeteiligung nachweisen, das war früher schwieriger“, sagt Jürgen Thrien.
Die Kameras im Flughafen sind denn auch ein besonderer Faktor im Erfolgskonzept der Polizei. Und auch der Grund dafür, warum es nicht auf andere Bereiche, etwa die Altstadt übertragbar ist – weil da keine flächendeckende Überwachung möglich ist. Aber andere Flughäfen haben großes Interesse am Düsseldorfer Konzept. Nicht zuletzt, weil in Frankfurt und Zürich die Diebstähle deutlich mehr geworden sind, seit die Düsseldorfer den Flughafen unter Dauerbeobachtung genommen haben. Der Informationsaustausch funktioniert inzwischen auch international: „Wenn uns die Schweizer Kollegen Videos schicken, können wir denen oft die Namen der Täter nennen – und umgekehrt. Das ist wichtig, um die Diebe auch überall dort anklagen zu können, wo sie auffallen.“
Bei der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft gehört eine Sonderdezernentin zum Programm gegen die Gepäckdiebe. Sie sorgt dafür, dass die gefassten Täter zügig vor Gericht kommen. „Auch das klappt wunderbar“, sagt Jürgen Thrien. „Nur mit dem Druck nachlassen, den wir aufgebaut haben, dürfen wir nicht.“