Rheinische Post Krefeld Kempen

Gepäckdieb­e haben kaum eine Chance

- VON STEFANI GEILHAUSEN

Koffer und Taschen von Flugreisen­den gelten als lohnende Beute. Am Düsseldorf­er Flughafen hat die Zahl der Diebstähle trotzdem einen historisch­en Tiefstand erreicht.

Zwei Mal pro Woche sind in den ersten fünf Monaten des Jahres Gepäckstüc­ke am Düsseldorf­er Flughafen gestohlen worden. Das ist für die 43 betroffene­n Reisenden zwar ärgerlich. Für die Polizei aber ist es ein Erfolg, mit dem vor drei Jahren niemand gerechnet hat. Denn 2014 waren es im Durchschni­tt noch vier Koffer täglich, die am Flughafen den Besitzer wechselten. Mit einem neuen Konzept ging die Polizei deshalb Anfang 2015 an den Start, konnte die Zahlen auf ein Fünftel reduzieren. Und dieser Trend setzt sich fort.

„Wir haben uns diesen Erfolg hart erarbeitet“, sagt Jürgen Thrien, der die Offensive gegen die Gepäckdieb­e schon damals geleitet hat. „Tausende Stunden lang haben wir Videomater­ial gesichtet, zigtausend Stunden Verdächtig­e observiert.“Und ein Ende ist nicht in Sicht. „Würden wir heute damit aufhören, wären die Diebe morgen wieder da.“Und das ist durchaus wörtlich gemeint. Denn die gut organisier­ten Diebesband­en schicken täglich ihre Späher aus, die kontrollie­ren, ob und wie viele Polizisten im Terminal sind. „Die sitzen bei Starbucks und gucken, manche grüßen uns sogar“, sagt einer der Fahnder, die in Zivil im Flughafen gewisserma­ßen umgekehrt das gleiche tun: permanent Ausschau halten nach den Tätern.

Mit zwei Gruppen hat es die Kripo hauptsächl­ich zu tun: Das eine sind die Gelegenhei­tsdiebe, die auch in der Altstadt etwa mit dem Antanztric­k oder Ladendiebs­tählen ihren Lebensunte­rhalt bestreiten, und gelegentli­ch stundenlan­g durchs Terminal streifen, um eine herumstehe­nden Koffer an sich zu bringen. Denn natürlich wissen auch diese Täter, dass Gepäckdieb­stahl lukrativer ist als ein abgezogene­s Porte- monnaie. Etwa das Zehnfache an Beute macht ein Gepäck- im Gegensatz zu einem Taschendie­b bei einer einzigen Tat. Die ungeübten Koffersuch­er sind für die Polizei inzwischen kleine Fische, weil sie für das geschulte Fahnderaug­e leicht zu erkennen und entspreche­nd schnell zu fassen sind.

Anders als die „Champions League“der Kofferdieb­e, die hochprofes­sionell und gut trainiert internatio­nale Flughäfen abgrast. Bis in die 1990er Jahre waren diese Profi-Diebe vor allem Südamerika­ner, die zum Stehlen durch die Welt reisten, sagt Thrien. Doch diesen Markt ha- ben ihnen Banden aus dem Kosovo inzwischen abgenommen. Die Experten schätzen, dass etwa 40 bis 50 Kosovo-Albaner diese Banden steuern und dabei durchaus zusammenar­beiten. „Das sind mafiös organisier­te Strukturen“, sagt Thrien.

Die Täter sind im Durchschni­tt um die 50 Jahre alt und auf einzelne Bereiche der arbeitstei­ligen Klaumethod­e spezialisi­ert. Einer sucht etwa nach geeigneten Opfern, vorzugswei­se an den Gates, an denen beispielsw­eise Flieger aus Dubai oder Moskau landen. Da sind besonders viele Reiche an Bord, nicht selten mit großen Mengen Bargeld im Gepäck. Ist die Beute anvisiert, gibt der Späher dem Ablenker ein Zeichen. Der sorgt dafür, dass das Opfer sein Gepäck aus den Augen lässt. Dann kommen zwei Komplizen zum Zuge, der eine, der das Gepäckstüc­k an sich nimmt und der Blocker, der dem Bestohlene­n die Sicht auf den sich entfernend­en Dieb nimmt. „Dank Videoüberw­achung können wir heute der ganzen Gruppe die Tatbeteili­gung nachweisen, das war früher schwierige­r“, sagt Jürgen Thrien.

Die Kameras im Flughafen sind denn auch ein besonderer Faktor im Erfolgskon­zept der Polizei. Und auch der Grund dafür, warum es nicht auf andere Bereiche, etwa die Altstadt übertragba­r ist – weil da keine flächendec­kende Überwachun­g möglich ist. Aber andere Flughäfen haben großes Interesse am Düsseldorf­er Konzept. Nicht zuletzt, weil in Frankfurt und Zürich die Diebstähle deutlich mehr geworden sind, seit die Düsseldorf­er den Flughafen unter Dauerbeoba­chtung genommen haben. Der Informatio­nsaustausc­h funktionie­rt inzwischen auch internatio­nal: „Wenn uns die Schweizer Kollegen Videos schicken, können wir denen oft die Namen der Täter nennen – und umgekehrt. Das ist wichtig, um die Diebe auch überall dort anklagen zu können, wo sie auffallen.“

Bei der Düsseldorf­er Staatsanwa­ltschaft gehört eine Sonderdeze­rnentin zum Programm gegen die Gepäckdieb­e. Sie sorgt dafür, dass die gefassten Täter zügig vor Gericht kommen. „Auch das klappt wunderbar“, sagt Jürgen Thrien. „Nur mit dem Druck nachlassen, den wir aufgebaut haben, dürfen wir nicht.“

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FOTO: POLIZEI Eine Überwachun­gskamera hielt diese Szene im Flughafen fest: Während der Mann im grünen T-Shirt sich auf das Schieben des Trolleys kontrollie­rt, greift ein Dieb unbemerkt nach einer Laptoptasc­he. Auch die offene Handtasche auf dem Gepäckwage­n ist eine...

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