Rheinische Post Krefeld Kempen
Anlageperspektiven zwischen EZB und Trump
Während die Europäische Zentralbank das Geschehen an den hiesigen Finanzmärkten schon seit Jahren maßgeblich mitbestimmt, ist der Handelskonflikt mit den USA als weitere bedeutende Komponente hinzugekommen. Darauf gilt es angemessen zu reagieren.
Politisch ist es um Europa derzeit nicht gut bestellt. Das dürfte für jeden auch nur einigermaßen interessierten Zeitungsleser offensichtlich sein. Wer allerdings geglaubt hatte, dass zumindest die europäische Finanzkrise überwunden wäre, weil von Griechenland diesbezüglich kaum noch etwas in den Medien zu hören ist, musste sich zuletzt eines Besseren belehren lassen.
So ist die finanzielle Fragilität der Eurozone mit der Regierungskoalition aus Links- und Rechtspopulisten in Italien in das Bewusstsein der Anleger zurückgekehrt. Statt wichtiger Reformen stehen nun drastische Steuersenkungen, die Herabsetzung des Rentenalters und ein Grundeinkommen für alle bedürftigen Haushalte auf der Agenda. Dabei macht die italienische Staatsverschuldung bereits 132 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus, und sie dürfte sich weiter erhöhen.
Eine „Mitschuld“für diese Entwicklung sieht Sebastian Gebhardt, Vermögensverwalter bei der I.C.M. Independent Capital Management in Neuss, auch bei der Europäischen Zentralbank. So sei das Anleiheankaufprogramm der Notenbanker unter anderem darauf ausgerichtet, den Staats- haushalten Zeit für Restrukturierungen und Reformen zu verschaffen. „Das hat in einigen Ländern – allen voran Irland und ein Stück weit auch Spanien – geklappt. In anderen Staaten haben die niedrigen Zinsen und der fehlende Druck des Kapitalmarktes jedoch dazu geführt, dass wichtige Reformen ausgeblieben sind“, sagt Gebhardt. „So steht etwa Italien als drittgrößte Volks- wirtschaft der Eurozone heute schlechter da als je zuvor.“
Noch stärker belastet werden die europäischen Börsen derzeit allerdings von dem sich ausweitenden Handelskonflikt mit den USA. Nach Abgaben auf Aluminium- und Stahlimporte und ersten Gegenmaßnahmen durch die Europäische Union (zum Beispiel Zölle auf Harley Davidson, Erdnussbutter, Jeans und Whisky) droht Trump nun mit Zöllen auf Autoimporte in Höhe von 20 Prozent. Hiervon wären die deutschen Hersteller besonders stark betroffen. „Sie sind zwar schon mit einer ganzen Reihe von Werken und Zehntausenden Beschäftigten in den USA vertreten, dennoch macht ihr Anteil mehr als die Hälfte aller Autoexporte der EU in die Vereinigten Staaten aus“, wie Ottmar Wolf, Vorstand der Frankfurter Wallrich Wolf Asset Management AG erläutert. „Ein weiteres Drehen der Eskalationsspirale dürfe sich damit auch auf die hiesigen Aktienmärkte negativ aus- wirken.“Gerade für Anleger mit einer hohen Aktienquote kann es deshalb sicherlich nicht schaden, sich einmal etwas intensiver mit Möglichkeiten auseinanderzusetzen, das Aktiendepot zumindest teilweise gegen Kursverluste ab- zusichern (siehe hierzu auch Seite 5).
Von Aktien allerdings grundsätzlich die Finger zu lassen, scheint dem Frankfurter Vermögensverwalter und Fondsmanager dennoch verfehlt. „So wurden die deutschen wie auch die weltweiten Wachstumserwartungen zuletzt zwar von verschiedenen Institutionen nach unten korrigiert, und die aktuellen Risiken sind in der Tat nicht zu unterschätzen, von einem Abschwung kann aktuell aber noch keine Rede sein.“Dabei habe die Börse die leicht gestiegene Rezessionswahrscheinlichkeit mit den jüngsten Abschlägen bereits eingepreist.
Auf der anderen Seite wird die EZB ihre Niedrigzinspolitik – auch zum Stützen Italiens – noch lange beibehalten. Zwar werden die Notenbanker ab Januar 2019 keine zusätzlichen Staatsund Unternehmensanleihen mehr ankaufen, zufließende Mittel aus Zinsen und Fälligkeiten werden aber für einen „ausgedehnten Zeitraum“auch darüber hinaus reinvestiert. Nach Berechnungen Gebhardts beträgt das entspre- chende Volumen jährlich rund 50 Milliarden Euro. Ein großer Teil dieses Betrags wird auf italienische Papiere entfallen. Zu tatsächlichen Zinserhöhungen sollte es nach Ansicht der meisten Experten nicht vor Ende 2019 kommen. Ähnlich wie in den vergangenen Jahren lässt sich mit quasi risikofreien Rententiteln also auch zukünftig nicht einmal die Inflation ausgleichen, von Realerträgen ganz zu schweigen.
Hinzukommt, dass sich die Aktienmärkte in der Vergangenheit von Rückschlägen immer wieder in überschaubarer Zeit erholt haben. Dies zeigt sich auch an der Entwicklung des Dax, der in diesem Sommer seinen 30. Geburtstag feiert und für die vergangenen drei Dekaden eine jährliche Performance von durchschnittlich 8,2 Prozent aufweist (siehe hierzu auch Seite 6).
Die Börsen werden von dem sich ausweitenden Handelskonflikt mit
den USA belastet Die EZB wird ihre Niedrigzinspolitik – auch zum Stützen Italiens – noch lange
beibehalten