Rheinische Post Krefeld Kempen
Big Brother im Büro
E-Mails, der Aufenthaltsort – und vielleicht sogar den Gesundheitszustand: Noch nie hatten Arbeitgeber so viele Möglichkeiten wie heute, Mitarbeiter zu überwachen. Erlaubt ist das aber nur selten. Und Verstöße können teuer werden.
Bei manchen Arbeitgebern gilt heute immer noch das Prinzip „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Deshalb spielt auch das Thema Arbeitsplatzüberwachung heute in vielen Unternehmen eine Rolle, in ganz unterschiedlichen Formen. Wobei die Kontrollmöglichkeiten von der reinen Arbeitszeiterfassung bis hin zu konkreten Überwachungsmaßnahmen reichen, um zum Beispiel Fehlverhalten der Mitarbeiter aufzudecken – sei es der Versand privater E-Mails oder der Griff in die Kasse.
„Wir wissen aus vielen Betrieben, dass es immer wieder Probleme mit unzulässiger Arbeitsplatzüberwachung gibt“, sagt Marta Böning, Expertin für Arbeitsrecht beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). „Schon in der Vergangenheit hatten wir einige Fälle unzulässiger Videoüberwachung in Einzelhandelsketten und auch verschiedene Skandale im Zusammenhang mit Telefonüberwachungen.“Wie groß das Problem ist, sei allerdings unklar. „Die Vorfälle häufen sich zwar, aber offizielle Zahlen gibt es dazu nicht.“
Die Lust am Überwachen steigt offenbar mit den technischen Möglichkeiten: Da gibt es die versteckte Kamera am Arbeitsplatz oder die heimlich aufgespielte Software am Dienstcomputer. Aber auch GPS-Tracker in Dienstfahrzeugen und Smartphones, mit denen sich Mitarbeiter auf Schritt und Tritt überwachen lassen, sind keine Seltenheit mehr. Davon merken Arbeitnehmer zunächst nichts.
Und in Zukunft sind auch noch ganz andere, tiefgreifende Überwachungsmethoden denkbar: So hat das Aachener Softwareunternehmen Precire Technologies zum Beispiel einen Stimmtest entwickelt, der (bü) Krank nach Streit Manchmal wird eine ärztliche Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung für einen Arbeitnehmer von dessen Arbeitgeber argwöhnisch entgegen genommen – dann zum Beispiel, wenn ein Mitarbeiter „putzmunter“am Arbeitsplatz erschienen ist, dann aber nach einer Auseinandersetzung mit dem Chef plötzlich krank wurde und das auch durch einen gelben Schein belegt. Den Wahrheitsgehalt eines solchen ärztlichen Attestes zu erschüttern, ist mehr als schwer, wie ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln belegt: In dem entschiedenen Fall wurde der Arbeitnehmer von seinem Arzt zunächst für drei Tage und dann noch für eine weitere Woche als arbeitsunfähig angesehen. Es sei nicht ungewöhnlich, dass eine Arbeitsunfähigkeit im Laufe eines Arbeitstages eintrete. Ausnahmen könnten für den Fall anerkannt werden, dass eine „Krankheit“rückwirkend attestiert oder aufgrund einer telefonisch gestellten Diagnose anerkannt worden sei. (LAG Köln, 4 Sa 290/17) Kündigung wegen Facebook Hat sich ein (hier immerhin 50-jähriger) Arbeitnehmer auf der Facebook-Seite einer rechtsextremen Partei in menschenverachtender Weise über basierend auf Sprechweise und Tonlage analysiert, ob ein Angestellter überlastet ist oder sogar vor einem Burnout steht.
Natürlich nutzt nicht jeder Arbeitgeber die Überwachungsmöglichkeiten, die er theoretisch hat. Das bloße Potenzial ist deshalb noch kein Anlass zur Panik, sagt Bernhard Brands, Unternehmensberater und externer Datenschutzbeauftragter. „Erst mit der entsprechenden Verwendung durch den Nutzer lässt sich auch das tatsächliche Gefahrenpotenzial für die Arbeitnehmer ermitteln.“
Und nicht jede Überwachung ist falsch, erklärt der Experte. Unter Berücksichtigung aller schutzwürdigen Interessen kann eine Überwachung im Einzelfall durchaus legitim sein, zum Beispiel aus versi- einen ausländischen Kollegen hergemacht, so muss er damit rechnen, von seinem Arbeitgeber dafür insofern zur Rechenschaft gezogen zu werden, dass er ihm die fristlose Kündigung ausspricht. Der Text zum Bild einer Ziege, die mit den Worten „Achmed, ich bin schwanger“zitiert wird, könne nicht als Nutzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und als „Satire“durchgehen. Bei einem solchen Sachverhalt hätte auch der Kündigung keine Abmahnung vorausgehen müssen. (Sächsisches LAG, 1 Sa 515/17) Weihnachtsgeld zurückzahlen Arbeitsverträge sehen oft entsprechend den für die Unternehmen maßgebenden Tarifverträgen vor, dass ein jährlich gezahltes Weihnachtsgeld von den Arbeitnehmern zurückzuzahlen ist, wenn sie das Arbeitsverhältnis auf eigenem Wunsch (oder „aus eigenem Verschulden“) innerhalb der ersten drei Monate des folgenden Jahres aufkündigen. Das Bundesarbeitsgericht folgte den Argumenten des gegen diese Regelung klagenden Arbeitnehmers zwar insoweit, als damit in seine grundgesetzlich geschützte „Berufsfreiheit“eingegriffen werde. Die Einschränkung sei hier aber „noch verhältnismäßig“. (BAG, 10 AZR 290/17) cherungsrechtlichen Gründen oder zur Überwachung von Arbeitsschutzvorschriften.
So sieht es auch Heiko Reiter, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Frankfurt am Main. „Der Einsatz von GPS-Trackern zur Ortung von Krankenwagen oder Geldtransportern ist sicher sinnvoll, aber zur invasiven Überwachung von Mitarbeitern unzulässig“, erklärt er. „Die Ortung betrifft ja nicht nur den Job, sondern bei erlaubter privater Nutzung des Dienstwagens auch den Privatbereich, und das geht zu weit.“
Damit gibt es gleich zwei Gründe dafür, warum den Kontrollmöglichkeiten durch den Arbeitgeber enge Grenzen gesetzt sind. Denn viele theoretisch mögliche Überwachungspraktiken verletzen erstens die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter – und zweitens das Datenschutzrecht.
Letzteres spielt seit dem 25. Mai eine deutlich größere Rolle. Seitdem gilt die neue EU-Datenschutz- Grundverordnung (DSGVO), mit mehr Rechten für Arbeitnehmer und neuen Regeln für Arbeitgeber. Die Grundlagen des Datenschutzes auf der Arbeit ändern sich dadurch aber nicht: „Grundsätzlich dürfen nur die Daten erhoben und verarbeitet werden, die zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich sind“, sagt Reiter. Das sind etwa persönliche Daten wie Adresse und Familienstand für die Lohnabrechnung.
Je nach Job und Situation kann deswegen zum Beispiel auch eine Überwachung des EMail-Verkehrs rechtens sein – allerdings nicht ohne Einwilligung des Betriebsrats oder eine entsprechende Betriebsvereinbarung.
Zudem kommen auf den Arbeitgeber durch das neue Gesetz nun umfangreiche Aufklärungs- und Unterrichtungspflichten zu. „Die neuen Regelungen versuchen, auf eine Einhaltung und Überwachung des Datenschutzes unter Abwägung aller Interessen im betrieblichen Kontext hinzuwirken“, sagt Reiter. Eine heimliche Überwachung der Mitar- beiter bleibt damit verboten, erklärt der Anwalt. Es sei denn, der Arbeitgeber hat im Einzelfall begründete Verdachtsmomente für schwere Verfehlungen oder strafbare Handlungen – aber keinerlei effektive und angemessene Alternativen, dem Mitarbeiter das auch zu beweisen. Ermittlungen ins Blaue hinein sind verboten.
Deshalb muss der Arbeitnehmer Maßnahmen, die weit über das juristisch vertretbare Maß hinausschießen, auch nicht hinnehmen. Spioniert der Chef trotzdem, kann der Datenschutzbeauftragte des Bundeslandes ein Bußgeld verhängen. Das ist mit dem neuen Gesetz drastisch gestiegen: Verstöße können jetzt mit bis zu 20 Millionen Euro oder vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes geahndet werden.
Recht & Arbeit
Je nach Job und Situation kann auch eine Überwachung des E-Mail-Verkehrs
rechtens sein