Rheinische Post Krefeld Kempen
Özil versteht es nicht
Mehr als zwei Monate hat sich Mesut Özil Zeit gelassen, bis er zu seinem umstrittenen Foto mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan öffentlich Stellung bezogen und zugleich seinen Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft erklärt hat. Es bleibt der Eindruck: Özil hat nicht verstanden, was viele Menschen an diesem Foto so empört hat. Er habe mit seinem Treffen dem höchsten politischen Amt der Heimat seiner Familie Respekt gezollt, nicht Erdogan als Person, schreibt er. Diese Argumentation muss jeden Bürger der Bundesrepublik – egal ob mit oder ohne ausländische Wurzeln – befremden. Denn es ist ja nicht das Amt, das politische Gegner verfolgt, Grundrechte einschränkt und Tausende Bürger ohne Anklage wegsperrt. Es ist Erdogan, der das Amt für demokratiefeindliche Aktionen benutzt.
Es mag sein, dass es tiefergehende Gründe für Özil gab, dem Foto zuzustimmen, zum Beispiel die Angst, dass seinenVerwandten, Freunden und seinem Eigentum in der Türkei andernfalls Schaden droht. Dann aber hätte die Stellungnahme auch tiefgehender ausfallen müssen. So wird die Kritik nicht verstummen.
Ein Hoffnungszeichen
Die USA, Israel, die Uno, Großbritannien, Kanada und Deutschland bereiten zusammen eine Aktion vor, um durch vorrückende syrische Truppen an Leib und Leben bedrohte Helfer in Sicherheit zu bringen. Diese Befreiung der „Weißhelme“verdient Respekt. Mal nicht auf die Rolle eines Beobachters zurückziehen und die Intervention – ganz im Sinne des Assad-Regimes – auf den Kampf gegen islamistischen Terror beschränken, wenn dessen Bedrohung überhand nimmt. So hätte man sich die Entschlossenheit der internationalen Gemeinschaft schon zu Beginn des Bürgerkriegs gewünscht, als noch nicht 500.000 Tote zu beklagen waren.
Wenigstens sind die „Weißhelme“und ihre Familien nicht hinzugekommen, obwohl Damaskus und Moskau sie als „Terroristen“einstufen. Nur weil sie Verschüttete aus bombardierten Häusern holten und in Gebieten von Regimegegnern die Menschlichkeit aufrecht erhielten. Wenn die Entschlossenheit sich nun auch auf eine nachdrücklich eingeforderte und durchgesetzte Friedensordnung bezieht, darf Syrien, darf die Welt wieder hoffen.