Rheinische Post Krefeld Kempen
Das Wunder von der Straelener Römerstraße
Das muss den Grün-Gelben erst einmal einer nachmachen: Innerhalb von zwei Jahren von der Landesliga hinauf in Liga vier.
Es ist noch gar nicht lange her, da hatte es sich der SV Straelen recht gemütlich in der Fußball-Landesliga eingerichtet. Sonntags pilgerten rund 80 bis 100 Zuschauer zum Sportplatz, in der Halbzeitpause plauderte Präsident Hermann Tecklenburg bei Kaffee und Kuchen mit langjährigen Weggefährten. Höhepunkte waren die Kreis-Derbys gegen den Nordrivalen 1. FC Kleve; in der Spielzeit 2014/15 gab’s sogar echte Lokalduelle gegen den „kleinen“Nachbarn Sportfreunde Broekhuysen. Und unter dem Strich einer mehr oder weniger langweiligen Landesliga-Saison sprang in der Regel ein Mittelfeldplatz heraus – sprich Niemandsland der Tabelle.
Diese Zeit der Ereignislosigkeit liegt zwar eine gefühlte Ewigkeit zurück. Doch zu seinem rasanten Höhenflug setzte der SV Straelen vor gerade einmal zwei Jahren an. Hermann Tecklenburg, Präsident und Hauptsponsor in Personalunion, hatte da längst das 100-Jährige vor Augen, das der SV 19 Straelen im nächsten Jahr feiert. Zu diesem Zeitpunkt sollten die Grün-Gelben wieder in der Oberliga mitmischen – nicht mehr und nicht weniger.
Zunächst einmal tat Tecklenburg das, was er als erfolgreicher Bauunternehmer ständig tun muss: Personalentscheidungen treffen. Der da- malige Sportliche Leiter Ilja Ludenberg, zuvor in ähnlicher Funktion erfolgreich für die „U 23“-Auswahl von Fortuna Düsseldorf im Einsatz, war schon ein Jahr lang im Amt, als im Sommer 2016 Trainer Stephan Houben und sein Assistent Khaled Daftari an der Römerstraße anheuerten. Das Duo hatte zuvor den 1. FC Mönchengladbach in die Oberliga geführt und besaß seinerzeit in der Fußball-Szene am Niederrhein bereits einen glänzenden Ruf. In Verbund mit dem damaligen Obmann Horst Kucharz war ein Quartett für die Grün-Gelben im Einsatz, das die Weichen sofort in Richtung Erfolg stellen sollte.
Houben drehte nur an wenigen personellen Stellschrauben. Doch die Neuzugänge sollten allesamt zünden und den SV Straelen in Windeseile auf Oberliga-Kurs bringen. Thorsten Lippold erwies sich als kongenialer Sturmpartner des niederländischen Torjägers Randy Grens, in Frederik Verlinden hatten die Grün-Gelben endlich wieder einen richtigen Abwehrchef, und Fabio Ribeiro war als zweikampfstarker Abräumer im defensiven Mittelfeld ein Spieler ganz nach dem Geschmack des Präsidenten. Als der Kader in der folgenden Winterpause auch noch mit Vollblutstürmer Rene Jansen aus Amern und Mittelfeldspieler Pascal Schmitz vom Oberligisten Sportfreunde Baum- berg gezielt verstärkt wurde, gab’s für den SV Straelen endgültig kein Halten mehr. Der Rest war mehr oder weniger Formsache – die Mannschaft ließ sich auf dem Weg in Richtung Oberliga nicht mehr aufhalten.
Doch was dann in der vergangenen Saison passierte, findet in der Jubiläums-Chronik des Traditionsvereins garantiert folgenden Eintrag: „Das Wunder von der Römerstraße“. Hermann Tecklenburg musste zunächst wieder einmal einen neuen Trainer suchen. Denn Meistermacher Stephan Houben hatte in der Sommerpause zwar noch einen schlagkräftigen Oberliga-Kader zusammengestellt, sich dann aber aus persönlichen Gründen zunächst eine Auszeit genommen.
Der Präsident wurde im Handumdrehen jenseits der Grenze fündig und präsentierte noch in der Vorbereitung einen Top-Coach. Der Niederländer Rachid Sraizi hatte zuvor als Co-Trainer des Zweitligisten Fortuna Sittard gearbeitet und war als wandelnde Taktiktafel und Fußball-Analytiker der Gegenentwurf zum emotionalen Motivator Stephan Houben. Sraizi – am Spielfeldrand stets die Ruhe in Person – ließ eine erste Ahnung von der Sensation aufkommen. Mit sechs Siegen aus den ersten acht Spielen katapultierte sich der Aufsteiger sofort an die Tabellenspitze.
Doch dann war die Zeit des sympathischen Niederländers an der Römerstraße schon wieder vorbei. Sraizi folgte dem Lockruf aus China, wo er inzwischen eine FußballNachwuchsakademie leitet. Folge- richtig war Hermann Tecklenburg schon wieder gefordert. Diesmal fiel die Wahl auf Dietmar „Didi“Schacht, der seinen künftigen Verein zunächst einmal noch mit Hamborn 07 aus dem Pokalrennen warf. Unter seiner Regie blieb die Mannschaft zwar auf Erfolgskurs. Doch die Chemie mit dem früheren Verteidiger-Raubein und Kapitän des FC Schalke 04 sollte von Anfang an nicht richtig stimmen. In den ersten fünf Spielen nach der Winterpause gab’s vier Unentschieden. Schacht, mit einem Vertrag bis Sommer 2020 ausgestattet, musste gehen. Auch weil sich der Präsident mittlerweile auf den Durchmarsch in die Regionalliga eingeschossen hatte und einen der größten Triumphe in der Vereinsgeschichte gefährdet sah. „Wir sind der Favorit. Allein schon, weil wir die besten Flügelspieler der Liga in unseren Reihen haben“, prophezeite der Boss damals.
Und „Teckie“sollte wieder einmal Recht behalten. Inzwischen war Stephan Houben nach einem Intermezzo beim TSV WachtendonkWankum an die Römerstraße zurückgekehrt – in neuer Funktion als Sportlicher Leiter. Er installierte Marcus John vom Ligarivalen SC Düsseldorf-West als neuen Trainer. Das Ende ist bekannt: Mit einem 8:0 gegen den VfR Fischeln machte der SV Straelen am 3. Juni die Sensation perfekt.