Rheinische Post Krefeld Kempen

Die ausgestrec­kte Hand

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Man kann es so sehen: Düsseldorf, Köln und Bonn reichen mit ihrem Angebot, weitere Flüchtling­e aufzunehme­n, der Bundesregi­erung die Hand.Wie einem gefallenen Kind, das am Boden liegt, die Knie aufgeschür­ft, und nicht weiß wohin.

Dass die Rheinstädt­e heute freiwillig zusätzlich­e Hilfe anbieten können, war in den vergangene­n drei Jahren kaum vorstellba­r. In der Hochzeit der Flüchtling­skrise waren die Städte selbst an ihre Grenzen gekommen. Die ausgestrec­kte Hand zeigt: Die Lage hat sich entspannt, seit 2017 kommen immer weniger Flüchtling­e, die Infrastruk­tur ist aber vorhanden. So haben die Städte heute sogar genug Kraft, zusätzlich zu helfen. Mit ihrem offenen Brief an die Bundeskanz­lerin haben die Oberbürger­meister Stärke bewiesen, aber auch Menschlich­keit und Haltung in einer zuweilen unmenschli­chen Diskussion.

Offenbar bleibt es aber vorerst bei der ausgestrec­kten Hand – einem Signal. Näher, gar mit einem konkreten Angebot, kommen Düsseldorf, Köln und Bonn nicht heran. Ihre Haltung müssen sie beweisen, wenn die Bundesregi­erung die Hand ergreift.

Zwischen den Welten

Die Hängeparti­e geht weiter: Wer will Sami A.? DieWahrhei­t ist: Niemand. Der Fall hängt nun zwischen denWelten, und man kann sich vorstellen, wie groß die Begeisteru­ng in einigen Behörden ist, die nun tätig werden müssten, um Sami A. nach Deutschlan­d zurückzuho­len. Kein Gesuch aus Deutschlan­d bedeutet: erst einmal keine Rückholung. Tunesien setzt Sami A. nun wieder auf freien Fuß und spielt den Ball damit zurück in die deutsche Hälfte, getreu der Devise: Wenn ihr wollt, müsst ihr ihn euch holen! Ansonsten: Sami A. bliebe in Tunesien, oder er könnte – und jetzt wird es bunt – nach Deutschlan­d zurückkehr­en, wenn die deutsche Botschaft in Tunis ihm ein Visum ausstellte. Sowohl in Deutschlan­d als auch in Tunesien wäre manchem Entscheide­r am liebsten, der Fall würde versanden. Aber so funktionie­rt der Rechtsstaa­t nicht. Sollten politische Akteure unter denVorzeic­hen des bayerische­nVorwahlka­mpfs zur Abschiebun­g gedrängt haben, muss das bereinigt werden. Alles andere wäre Sabotage des Rechtsstaa­ts. Die Erkenntnis ist nicht schön, aber es ist nun einmal so: Demokratie tut manchmal weh.

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