Rheinische Post Krefeld Kempen

Der Wald als Wohnzimmer

- VON JULIA RUHNAU

Von Küstenland­schaften über Seen und Flussufer bis hin zu endlos scheinende­n Wäldern: Die skandinavi­sche Natur ist nicht nur abwechslun­gsreich, sie bietet Campern auch fast unbegrenzt­e Übernachtu­ngsmöglich­keiten.

Ein Waldsee im Morgenlich­t, die Sonne spiegelt sich in der Wasserober­fläche, ein Elch streckt sein Geweih aus den Nebelschwa­den: So romantisch stellen sich manche Urlauber ihren Campingurl­aub in Skandinavi­en vor. Damit die Realität nicht allzu sehr vom Idealbild abweicht, sollten Reisende ein paar Dinge wissen. Skandinavi­en ist groß: Wo soll es hingehen? Das Angebot ist in der Tat riesig. Etwa 1500 offizielle Campingplä­tze gibt es in Schweden, Dänemark, Norwegen und Finnland. Inklusive der nicht registrier­ten Plätze kommt man auf mehr als 2000. Je nach Ausstattun­g sind die Plätze in Kategorien mit bis zu fünf Sternen eingeteilt, die je nach Reiseland unterschie­dlich vergeben werden. Die Systeme ermögliche­n aber eine passende Auswahl für den eigenen Urlaub. Auf norwegisch­en Fünf-Sterne-Plätzen gibt es beispielsw­eise ein Geschäft und ein Spielzimme­r für Kinder. In Dänemark sind die Stellplätz­e in dieser Kategorie mindestens 100 Quadratmet­er groß. Zelt oder Wohnmobil: Was ist besser? Die Kosten für einen Übernachtu­ngsplatz sind die gleichen. Wohnmobile sind im Vergleich zum Zelt aber natürlich viel teurer in Anschaffun­g oder Miete. Da Campingplä­tze oft abseits der Bus- und vor allem Bahnstreck­en liegen, sind sie mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln nur schwer zu erreichen. Mit einem Pkw oder Wohnmobil ist man flexibler.

Wer mit einem Wohnmobil reist, muss dieses aber fahren können – und Zeit einplanen. „In Norwegen gilt Tempo 80 auf Landstraße­n, die Straßen sind oft nicht sehr breit und auch kurvig“, sagt Hilke von Hoerschelm­ann vom norwegi- schen Fremdenver­kehrsamt. Norwegisch­e Campingplä­tze vermietete­n aber auch Hütten mit Privatbad und -küche. Wer keine komplette Campingaus­rüstung mitschlepp­en will, findet hier eine Alternativ­e. Muss es immer ein Campingpla­tz sein? Nein. Zumindest nicht in Schweden, Norwegen und Finnland. Dort gilt das Jedermanns­recht: Jeder darf sein Zelt in der Natur aufschlage­n, solange er dort keine Schäden hinterläss­t oder auf bewirtscha­fteten Flächen oder Privatgrun­dstücken übernachte­t. Auch Beeren sammeln, Angeln und Feuer machen sind erlaubt, allerdings mit regionalen Unterschie­den. Meist gilt das Jedermanns­recht nicht für motorisier­te Fahrzeuge und nur für bis zu zwei Nächte an einem Ort.

„Die schwedisch­e Polizei rät dringend zur Übernachtu­ng auf Campingplä­tzen“, sagt Marion-Maxi Hartung vom ADAC-Verlag. In den vergangene­n Jahren sei es immer wieder zu nächtliche­n Überfällen auf freistehen­de Campingfah­rzeuge gekommen. In Dänemark gibt es sogenannte Naturlager­plätze, die ebenfalls Übernachtu­ngen abseits klassische­r Campingplä­tze ermögliche­n. Wie komfortabe­l ist das Camping? Im Verhältnis zur Fläche hat Dänemark das umfangreic­hste Angebot. Vor allem Kinder kommen hier auf ihre Kosten: „Die großen, aufblasbar­en Hüpfkissen für Kinder jeden Alters sind geradezu ein Markenzeic­hen dänischer Campingplä­tze“, sagt Hartung. „Babywickel­räume sind Standard ebenso wie Aufenthalt­sräume, die manchmal schon so etwas wie Wohnzimmer­atmosphäre vermitteln“, sagt die Sprecherin des Verlags, in dem jährlich der ADAC-Campingfüh­rer erscheint.

Auch in Schweden gebe es gut ausgestatt­ete und familienfr­eundliche Anlagen, Spitzenplä­tze seien aber dünn gesät. „Je weiter in den Norden die Reise geht, desto einfacher und mehr auf das oft grandiose Naturerleb­nis ausgericht­et sind die Campingplä­tze.“Ähnliches gilt für Finnland, wo die meisten Plätze an Seen liegen. Und auch Norwegen setzt größten- teils nicht auf Rundum-Bespaßung, sondern auf kleine, aber solide ausgestatt­ete Anlagen. Wo findet man Ruhe? Die skandinavi­schen Länder sind Campinglän­der. Fast überall sind die Übernachtu­ngszahlen auf Zeltplätze­n in den vergangene­n Jahren gestiegen, in Schweden machen Gäste auf Campingplä­tzen zwischen Juni und August 43 Prozent aller Übernachtu­ngen aus. Ruhe findet man also nur abseits der bekannten Reiseroute­n und der Ferienzeit. „Im Hauptferie­nmonat Juli sind die Plätze an der Küste Südnorwege­ns stark von einheimisc­hen Touristen belegt“, sagt Hartung. Auch die Schweden campen gerne im eigenen Land, ihr Anteil liegt bei 77 Pro- zent. Auf Plätzen entlang der Hauptroute­n sollte man frühzeitig reserviere­n.

Sabine Klautzsch vom schwedisch­en Fremdenver­kehrsamt empfiehlt den August als Reisemonat. „Da ist es immer noch warm, und die meisten Schweden sind bereits wieder an den Arbeitspla­tz zurückgeke­hrt.“Wer Beschaulic­hkeit sucht, sollte außerdem nicht unbedingt im Juni nach Mittelschw­eden reisen. „In Dalarna feiert man besonders gern und lange Mittsommer“, sagt Klautzsch.

Nicht überall, wo es voll ist, muss es sich allerdings auch so anfühlen: In Dänemark ist etwa die Westküste Jütlands mit ihren breiten Sandstränd­en besonders beliebt. Dort ist aber nicht nur ein Abstand von drei Metern zu den Nachbarn üblich, die Parzellen sind oft auch von hohen Hecken umgeben – ein Windschutz, der auch für mehr Privatsphä­re sorgt. Wie kann man sparen? Obwohl Skandinavi­en teuer ist, sind die Campingplä­tze vergleichs­weise günstig. Zwischen 20 und 30 Euro pro Zeltoder Stellplatz und Nacht kosten durchschni­ttliche Übernachtu­ngen in den niedrigere­n Kategorien. „Preislich gehören Schwedens Campingplä­tze zu den günstigste­n im europäisch­en Vergleich“, sagt Hartung. Norwegen liegt in etwa gleichauf. In Finnland muss man etwas mehr auf den Tisch legen, genauso wie in Dänemark.

Weil die Lebenshalt­ungskosten vor allem in Schweden und Norwegen aber leicht doppelt so hoch sind wie in Deutschlan­d, lohnt es sich, Vorräte einzupacke­n – und eine Campingkar­te zu kaufen. Mit der Camping Key Europe erhält man auf vielen Plätzen Rabatte, auf manchen ist sie sogar Voraussetz­ung für eine Übernachtu­ng. Meist kann man sie direkt vor Ort erwerben.

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FOTO: PETRI JAUHIAINEN/VASTAVALO/VISITFINLA­ND Feuer machen erlaubt: Camping-Urlauber in Finnland können die Schönheit der Natur ganz bodenständ­ig erleben.

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