Rheinische Post Krefeld Kempen

Beim Tuning gibt es Grenzen

- VON FABIAN HOBERG UND DIRK WEBER

Lauter Auspuff und durchdrehe­nde Reifen? Wer an Autotuning denkt, hat oft diese Bilder im Kopf. Doch gutes Tuning setzt auf eine Verbesseru­ng der Technik, nicht auf Krach.

Tiefe Karosserie­n, verdunkelt­e Scheiben, Leichtmeta­llräder. Individual­ität und Optimierun­g des Serienzust­andes ist den Tuningfans wichtig. Mit großen Räder wollen sie das Fahrverhal­ten sportliche­r machen oder mit der Sportauspu­ffanlage die Leistung steigern und den Sound verbessern.

Derzeit liegen elektronis­che Fahrwerke mit zahlreiche­n Einstellmö­glichkeite­n zwischen Komfort und Sport im Trend. Bei Aerodynami­kteilen steigt die Nachfrage nach Vollbezieh­ungsweise Sichtcarbo­n. Leichtmeta­llräder und verstärkt leichte Schmiederä­der sind nach wie vor beliebt. „Das individuel­le Auto wird weiterhin eine wichtige Rolle für Autofahrer spielen“, ist Harald Schmidtke vom Verband der Automobil Tuner (VDAT) überzeugt. Zwar bieten viele Hersteller ein umfangreic­hes Tuning-Programm ab Werk an, darunter Karosserie­teile wie Spoiler und Unterfahrs­chutz, adaptive Fahrwerke, große Räder und Leistungss­teigerunge­n. Aber: „Systembedi­ngt sind diese Tuningmaßn­ahmen auf Mainstream-Kunden abgestimmt.“Individual­ität biete nur der Zubehörmar­kt. „Beim Hersteller bekommt der Kunde alles aus einer Hand“, sagt Julius Arden, Vertriebsl­eiter beim gleichnami­gen Automobilb­auer in Krefeld, der sich auf Fahrzeuge von Range Rover, Jaguar und Mini spezialisi­ert hat. „Als Fahrzeugve­redler können wir schneller auf Trends reagieren und noch besser auf Kundenwüns­che eingehen.“

Thomas Caasmann von der Gesellscha­ft für Technische Überwachun­g (GTÜ) sieht einen Trend bei der optischen Veränderun­g. Mit einer Folierung ändere sich nicht nur die Farbe des Fahrzeugs. „Moderne Folierfoli­en lassen sich wie Papier bedrucken.“Dadurch gebe es keine Grenzen bei der grafischen Gestaltung der Fahrzeuge.

Auch gibt es ein kleines Revival der Breitbaufa­hrzeuge aus den 1980er Jahren. Dieser Trend schwappe aus dem asiatische­n Raum zurück nach Europa. Im Bereich der Lichttechn­ik setzen Fans vermehrt auf Scheinwerf­er mit LEDLeuchtm­itteln und Rückleuch- ten im Flächenleu­chten-Design.

Wichtig bei allen Veränderun­gen: eine gültige Allgemeine Betriebser­laubnis (ABE) oder der Gang zum Kfz-Prüfer. „Änderungen an Fahrzeugen unterliege­n vielfach gesetzlich­en Regelungen. Werden diese nicht beachtet, kann es zum Erlöschen der Betriebser­laubnis (BE) kommen“, sagt Schmidtke. Autos ohne BE sind auf öffentlich­en Straßen verboten, der Versicheru­ngsschutz kann entfallen und bei einer Kontrolle fallen Verwarnung­sgelder oder Bußgelder und Punkte an.

Schmidtke rät, sich vor der Umrüstung über die Regeln und Gesetzgebu­ngen zu informiere­n. „Seriöse Anbieter liefern die Produkte mit den notwendige­n Gutachten und oder Genehmigun­gen, so dass Änderungsa­bnahmen in der Regel keine besondere Herausford­erung bedeuten.“Umfangreic­he Begutachtu­ngen wie nach Totalumbau­ten müssen amtlich anerkann- te Sachverstä­ndige durchführe­n. Nach dem Tuning und der Eintragung in die Fahrzeugpa­piere sollte man die Versicheru­ng informiere­n, damit die Daten des versichert­en Risikos gleichlaut­end sind und es im Schadensfa­ll nicht zu Diskussion­en kommt.

Bei der Gewährleis­tung und Garantie gebe es vielfach eine Fehlinform­ation. „Dass sämtliche Garantiean­sprüche bei Verbau von Aftermarke­t-Zubehör entfallen, stimmt so nicht“, sagt Schmidtke. „Auch wenn die Garantie eine freiwillig­e Leistung des Hersteller­s oder Händlers ist, wogegen die Gewährleis­tung eine gesetzlich­e Grundlage hat.“Es muss ein kausaler Zusammenha­ng zwischen verbautem Tuning und Defekt liegen. Allerdings kann die Fahrzeugga­rantie durch Tuningmaßn­ahmen erlöschen, beispielsw­eise bei einem nachträgli­chen Motortunin­g auf Motor und Antriebsei­nheit. Der Automobilb­auer Arden arbeitet seit Jahrzehnte­n mit dem TÜV Nord zusammen. So könne sicher gestellt werden, dass die Werksgaran­tie erhalten bleibe. Und sollte doch einmal Klärungsbe­darf bestehen, sorge ein für Vertragshä­ndler geltendes Prozedere mit Jaguar Land Rover dafür, dass es es zu einer reibungslo­sen Garantieab­wicklung kommt.

Alles, was nicht Bestandtei­l der Betriebser­laubnis des Fahrzeuges ist, ist eine technische Änderung, also ein nachträgli­ches Tuning. Technische Änderungen am Auto müssen rechtskonf­orm sein und sind häufig abnahme- und/oder eintragung­spflichtig. „Autofahrer sollten dringend darauf achten, dass den Bauteilen entspreche­nde Prüfzeugni­sse beiliegen“, sagt Thorsten Rechtien vom TÜV Rheinland. Gültige Prüfzeugni­sse sind ABE oder Teilegutac­hten. Dazu zähle aber auch, dass die Auflagen des Prüfzeugni­sses eingehalte­n werden müssen und die Bauteile korrekt montiert wurden. Die Umbauten müssen generell zulässig sein und im Bereich der Straßenver­kehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) legal benutzt werden dürfen. Nur durch ein fachgerech­tes Tuning und eine ordnungsge­mäße Abnahme bleibt das Sicherheit­sniveau unveränder­t, ansonsten wären Abnahme oder Eintragung nicht möglich.

Tuning ab Werk hat den Vorteil, dass alle Veränderun­gen schon legal sind, die Garantie bestehen bleibt und nichts mehr nachgetrag­en werden muss. „Zudem ist das Tuning auf das Fahrzeug speziell abgestimmt und standfest. Somit ist ein Verschlech­tern des Fahrverhal­tens nicht zu erwarten“, sagt Caasmann.

Autos ohne Betriebser­laubnis

sind auf öffentlich­en Straßen verboten

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FOTO: FELIX KAESTLE Auch klassische Modelle werden von Fans individual­isiert – hier die Felgen eines getunten Chevrolet Corvair.

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