Rheinische Post Krefeld Kempen

Die 15-jährige Mia wurde kurz nach Weihnachte­n in Kandel erstochen. Der Fall löste bundesweit Debatten aus. Jetzt hat das Landgerich­t ihren Ex-Freund wegen Mordes zu achteinhal­b Jahren Haft verurteilt.

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LANDAU (dpa) Rund acht Monate nach dem tödlichen Messerangr­iff auf die 15-jährige Mia in Kandel ist ihr Ex-Freund wegen Mordes verurteilt worden. Wie das Landgerich­t Landau am Montag im Anschluss an die Urteilsver­kündung hinter verschloss­enen Türen mitteilte, verhängten die Richter acht Jahre und sechs Monate Haft nach Jugendstra­frecht gegen den mutmaßlich aus Afghanista­n stammenden Abdul D.

Der Anwalt von Abdul D., Maximilian Endler, sagte: „Mein Mandant verzichtet auf Rechtsmitt­el und ist mit dem Strafmaß einverstan­den.“Das Urteil sei „angemessen“. Ob

Anwohner in Kandel auch andere Prozessbet­eiligte den Richterspr­uch akzeptiere­n, wisse er nicht. Er rechne damit, dass sein Mandant nach derVerbüßu­ng eines Teils der Strafe abgeschobe­n werde, sagte Endler. In seinem letzten Wort habe Abdul D. noch einmal Reue bekundet. Das Urteil habe der Angeklagte gefasst aufgenomme­n.

Die Tat kurz nach Weihnachte­n 2017 mitten in einem Drogeriema­rkt der kleinen Stadt in der Pfalz hatte bundesweit für großes Entsetzen gesorgt. Der Fall fachte außerdem die Diskussion um die Altersfest­stellung von jungen Flüchtling­en neu an. Rechtspopu­listische Gruppen hatten den Fall zum Anlass genommen, um in Kandel immer wieder gegen die Asylpoliti­k der Bundesregi­erung zu protestier­en. Am Montag blieb es sowohl in Kandel als auch in Landau zunächst ruhig. Ein Mann protestier­te vor dem Gericht in Landau mit einem Plakat gegen das seiner Meinung nach zu milde Urteil.

Abdul D. war nach seiner Ankunft in Deutschlan­d als unbegleite­ter minderjähr­iger Flüchtling aufgenomme­n und betreut worden. Er gab sein Alter zunächst mit 15 Jahren an. Nach der Tat kamen Zweifel auf, ob er tatsächlic­h so jung ist. Ein Gutachten im Auftrag der Staats- anwaltscha­ft kam zu dem Ergebnis, dass er zum Zeitpunkt der Tat mindestens 17 Jahre und sechs Monate alt war, wahrschein­lich aber schon 20 Jahre alt war. Verurteilt wurde er nun nach Jugendstra­frecht, wie ein Gerichtssp­recher sagte. Seine Verurteilu­ng auch wegen Körperverl­etzung bezieht sich auf Schläge gegen einen Freund Mias. Das Landgerich­t Landau entschied sich dafür, im Zweifel für den Angeklagte­n den gesamten Prozess nach Jugendstra­f- recht zu führen. Die Öffentlich­keit war daher ausgeschlo­ssen.

Als Motiv für die Tat hatte die Staatsanwa­ltschaft Eifersucht und Rache angenommen. Sie ging davon aus, dass Abdul D. Mia bestrafen wollte, weil sie sich wenige Wochen vor der Tat von ihm getrennt hatte. Zwölf Tage vor der Tat hatte Mia zudem Anzeige gegen ihren Ex-Freund erstattet, es ging um Beleidigun­g, Nötigung, Bedrohung und Verletzung persönlich­er Rechte. Zwei Tage später folgte eine Anzeige ihres Vaters gegen den jungen Flüchtling.

Seit dem Verbrechen sind acht Monate vergangen – eine Zeit, die von zahlreiche­n Kundgebung­en in Kandel überschatt­et ist. Rechte Gruppierun­gen nutzten die Tat zur Agitation in dem Ort – gegen den Willen vieler Bürger. „Kandel hasst Nazis“steht in der Stadt rund 20 Kilometer südlich von Landau an einerWand.„Die Außendarst­ellung ist verheerend. Das hat Kandel nicht verdient“, sagt ein Mann, der mit seinem Rad am Bahnhof der etwa 9000 Einwohner zählenden Stadt steht. „Ein solches Verbrechen ist sehr grausam. Es geschieht leider auch andernorts.“

Viele Bewohner hoffen nun, dass Ruhe einkehrt. Allerdings droht Abdul D. eine weitere Strafe. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt seit kurzem nach einem Zwischenfa­ll im Gerichtssa­al gegen ihn. Dabei geht es um den Verdacht des Widerstand­s gegen Vollstreck­ungsbeamte. Bei dem nicht näher bekannten Vorfall am 17. August soll er zwei Beamte an der Hand verletzt haben. In Kandel ist für den 6. Oktober bereits die nächste Demonstrat­ion angekündig­t.

Trotzdem werten viele das jetzige Urteil als Chance. Zum einen für Abdul D., der noch jung ist und nicht lebenslang in Haft muss. Zum anderen für die Bürger von Kandel, die das Trauma der Bluttat jetzt vielleicht verarbeite­n können. Vor allem aber für die Eltern von Mia, deren Schmerz grenzenlos sein muss. Sie sind in der Trauer um ihr Kind nun hoffentlic­h ungestört. Der Prozess war eine juristisch­e Aufarbeitu­ng – die Tat emotional zu verkraften, wird noch viel Zeit in Anspruch nehmen.

„Ein solches Verbrechen ist sehr grausam. Es geschieht leider auch andernorts“

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FOTO: DPA Maximilian Endler, Anwalt des Angeklagte­n im Mordfall Mia, beantworte­t vor dem Landgerich­t Landau Fragen der Journalist­en. Sein Mandant wurde zu achteinhal­b Jahren Haft verurteilt.

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