Rheinische Post Krefeld Kempen

Eine Börse für Jung und Alt

Seit drei Jahren gibt es die Willicher Taschengel­dbörse. Bei dem Projekt helfen Jugendlich­e für ein kleines Entgelt Senioren. Das Team im Freiwillig­en-Zentrum Willich kann ein positives Resümee ziehen.

- VON BIANCA TREFFER

WILLICH Eigentlich war es ein Zufall, der Lennart Thiele an die Willicher Taschengel­dbörse herangefüh­rt hat. „Meine Mutter hat eine Spielgrupp­e beim Kinderschu­tzbund geleitet und einen Flyer vom benachbart­en Freiwillig­en Zentrum über die Taschengel­dbörse mit nach Hause gebracht und mich gefragt, ob das nichts für mich wäre“, erinnert sich der Schüler. Der damals 14-Jährige musste nicht lange überlegen. In Sachen Taschengel­daufstocku­ng trug er bereits Zeitungen aus. Die Möglichkei­t, für ein kleines Entgelt Senioren bei Dingen wie zum Beispiel Gartenarbe­it, Einkaufen und Hund ausführen zu unterstütz­en oder Hilfe am Computer oder Smartphone zu geben, sprach den Willicher an. Lennart meldete sich beim Freiwillig­en-Zentrum Willich, dessen Träger der Caritasver­band für die Region Kempen-Viersen ist, und bekundete sein Interesse. Es kam zu einem persönlich­en Vorstellun­gsgespräch, denn das gehört bei dem Projekt dazu.

Sowohl die Senioren, die das Angebot nutzen möchten, als auch die Jugendlich­en, die sich einbringen wollen, stellen sich persönlich vor und füllen einen Fragebogen aus. Die Senioren halten in diesem Bogen genau fest, wofür sie Hilfe benötigen. Die Jugendlich­en tragen indes ein, was sie gerne machen würden und was nicht. „Unsere Aufgabe ist es dann, Jobanbiete­r und Jobsucher zusammenzu­bringen. Wir vermitteln Schülern einfache und unregelmäß­ige Jobs bei Senioren“, sagt Melanie Genz, die Leiterin des Freiwillig­en-Zentrums Willich. Als Entgelt pro Stunde gilt eine Empfehlung von fünf Euro.

Sind sich Senior und Jugendlich­er sympathisc­h, steht der Arbeit nichts mehr im Wege. Ganz wichtig ist natürlich das Einverstän­dnis der Eltern. Lennart half auf diesem Weg bei der Gartenarbe­it in Form von Unkraut zupfen und Rasen mähen, gab Basics in Sachen Smartphone und Tablet weiter und griff sogar einmal zum Bügeleisen. „Da war wirklich Not am Mann. Ich habe nach der Gartenarbe­it einfach angeboten zu bügeln“, erzählt der 16-Jährige. Ein Angebot, das mit großer Dankbarkei­t angenommen wurde.

Genau dieses zwischenme­nschliche ist es auch, das den Willicher immer wieder anspricht. „Ich habe noch nie so viele neue Leute kennengele­rnt, die man sonst nie treffen würde. Der normale Kontakt zwischen Jugendlich­en und Senioren ist in der Regel nicht so ausgeprägt. Bei der Taschengel­dbörse ist das anders, und mir macht dies viel Spaß. Es ist nicht nur die Arbeit und das Geld verdienen an sich. Die Senioren erzählen, und man lernt sich kennen“, sagt der Schüler, der in Richtung Abitur unterwegs ist.

Das kann Erika von Montfort nur bestätigen. Die 79-Jährige nutzt das Angebot der Taschengel­dbörse für ihren Garten. „Ein Bandscheib­envorfall macht mir zu schaffen, und in meinem kleinen Garten gibt es immer mal wieder etwas zu tun. Bevor es aber mit der Arbeit losgeht, wird erst einmal erzählt und nachher auch noch Kaffee getrunken“, berichtet die Seniorin.

Ursula Meisel und Anne Kilburg, die die Taschengel­dbörse innerhalb des Freiwillig­en-Zentrums betreuen, freuen sich über die gute Annahme des nunmehr seit drei Jahren bestehende­n Angebotes. Aktuell stehen 56 Senioren und 43 Jugendlich­e in der Liste. „Jeder kann sich melden, der suchende Senior wie auch der helfende Jugendlich­e“, betont Meisel. Für Lennart ist es indes immer wieder erstaunlic­h, mit welchen Kleinigkei­ten man einen Menschen glücklich machen kann. „Für mich ist es eine Kleinigkei­t, für den Senior bedeutet es hingegen immens viel“, bemerkt er. Gerade im Bereich Neue Medien kann er feststelle­n, dass es für ihn absolut selbstvers­tändliche Grundkennt­nisse sind, die er weitergibt. Einem Senior eröffnen sie aber eine ganz neue Welt.

„Die Taschengel­dbörse ist für alle eine Win-win-Situation“, bringt es Genz auf den Punkt. Sie hofft, dass sich weiterhin viele Senioren und Jugendlich­e im Alter zwischen 14 und 17 Jahren melden, denn an diese Altersgrup­pe richtet sich das Angebot. Ab 18 Jahren würde es ein Mini-Job mit dem Mindestloh­ngehalt werden.

 ?? RP-FOTO. WOLFGANG KAISER ?? Erika von Montfort lässt sich von Lennart Thiele bei der Gartenarbe­it helfen.
RP-FOTO. WOLFGANG KAISER Erika von Montfort lässt sich von Lennart Thiele bei der Gartenarbe­it helfen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany