Rheinische Post Krefeld Kempen
Lauter Sommertöne
Beim Sommerton-Festival am Schloss Diersfordt wurde in diesem Jahr zugleich die Eröffnung der Muziek Biennale Niederrhein gefeiert. So standen neben erstklassiger Musik auch Reden und lobende Worte.
NIEDERRHEIN Das Schlussfazit gab es gleich zu Beginn am Freitagabend. JanuszWojtarowicz vom polnischen Motion Trio war von der Atmosphäre rund um das mit 600 Besuchern ausverkaufte Konzertzelt am Schloss so begeistert, dass er die Zuschauer regelrecht euphorisch begrüßte: „Ein tolles Publikum, ein großartiges Festival, wunderbare Musiker – was will man mehr?“Recht hatte er.
Nachdem der chinesische Jazzpianist Luo Ning im Auftaktkonzert ein gefälliges, aber wenig denkwürdiges Deutschlanddebüt absolviert hatte, zeigte Wojtarowicz mit seinen beiden Mitstreitern den staunenden Zuschauern, wie vielfältig sich drei Akkordeons kombinieren lassen. Gastpianist Leszek Mozdzer und eine Mischung aus Chopin, Jazz und Minimal Music, publikumsträchtig inszeniert, machten den Auftritt zum ersten Höhepunkt des Festivals. Im perkussiven Finale steigerten sich die vier Polen auf ihren Instrumenten trommelnd in stampfende Techno-Rhythmen – und das ohne jeden Beat aus der Maschine. Es war fast ein Sinnbild für ein Festival, das seinen besonderen Charme aus dem liebevoll Handgemachten zieht. Die ehrenamtlichen Mitglieder und Helfer des Sommerton-Vereins, denen Bürgermeisterin Ulrike Westkamp in ihrer kurzen Ansprache für ihren Einsatz dankte, schafften wieder eine Atmosphäre, in der sich Zuschauer und Musiker einfach wohlfühlen und besondere musikalische Momente entstehen können.
Wie etwa im Konzert des Anouar Brahem Quartetts zum Ab- schluss des Eröffnungsabends. Die Musik des tunesischen Oud-Virtuosen baut Brücken zwischen Ost und West, Tradition und Moderne, nimmt viele Einflüsse auf und ist doch ganz eigen. Immer wieder schert eine einzelne Stimme, sei es die Laute, die Bass-Klarinette oder der E-Bass, aus dem Unisono aus, entfernt sich, schafft mit Gegenmelodien Kontraste und nähert sich wieder an, um sich aufs Neue im Gesamtklang einzugliedern. Trotz ihrer Eleganz und Sanftheit hält die Musik ihre Zuhörer mit unterschwelliger Spannung gefangen.
Der Samstag begann mit einer bedauernswerten Nachricht: Das Konzert der estnischen Geigerin Maarja Nuut musste ausfallen, weil durch einen Fehler der Fluggesellschaft zwar die Musikerin, nicht aber ihr Instrument und Equipment in Wesel angekommen waren. Fes- tivalleiter Wilfried Schaus-Sahm machte das Beste aus der misslichen Situation und überredete die Musiker der beiden anderen Konzerte, ihre Auftritte zu verlängern.
Und beide hatten es in sich. Die enorme Spielfreude des italienisch-französisch-schweizerischen Trios Biondini-Godard-Niggli übertrug sich unmittelbar auf die Besucher, die mit spürbarem Spaß dem Treiben der so unterschiedlichen Charaktere folgten. Expressiv der Akkordeonist Luciano Biondini mit Vorliebe für ausgefallene Taktarten, geerdet und stoisch Michel Godard an Tuba, E-Bass und dem altertümlichen Serpent und hellwach lauernd der einfallsreiche Schlagzeuger Lucas Niggli. Ob Coltrane, Toots Thielemans, Brad Mehldau oder Händels rührende Arie „Lascia ch’io pianga” – bei ihnen war alles in guten Händen.
In Spiellaune zeigte sich abschließend Pianist Stefano Bollani, der auf seiner Reise durch die Musikgeschichte bei Jazzstandards, Gassenhauern wie „Quando quando“und lateinamerikanischen Rhythmen halt machte und mit humorvoll modernisierten Klassik-Hits begeisterte. Ein glatter Geniestreich war schließlich seine erste Zugabe: Auf Zuruf notierte er zehn vom Publikum gewünschte Titel, die er dann in einem ausgedehnten Medley verband, als wären sie füreinander gemacht. Begeistert stellte das Publikum fest: Von „Take Five“über Gershwins„Maria“zu„Mackie Messer“, von „Satisfaction“über „Volare“zu Puccinis „Nessun Dorma“ist es nur ein kleiner Schritt, wenn ein Meister wie Bollani die musikalischen Fäden knüpft.