Rheinische Post Krefeld Kempen

Eine Hommage an die „Entartete Musik“

Während der Nazizeit wurden viele Musiker schikanier­t. Ein Konzert im Franziskan­erkloster erinnerte an sie.

- VON GERT HOLTMEYER

KEMPEN „Entartet“hieß es bei den Nazis, wenn ihnen etwas in der Kunst nicht passte. Dann wurde nicht lange gefackelt, und es hagelte staatliche Repression­en, die in der Musik nicht selten zum Auftrittsv­erbot führten.

Daran erinnerte das erste Kempener Orgelkonze­rt in der Paterskirc­he. Wolfgang Kostujak, Musikwisse­nschaftler und gewiefter Rundfunkma­nn, machte in einer ausgezeich­neten Moderation deutlich, dass sich die Schikanen und Verbote auf sehr unterschie­dliche Weise abspielen konnten. Der verdienstv­olle deutsche Komponist Felix Mendelssoh­n-Bartholdy war schon lange tot, als seine Musik verboten wurde. Grund war die jüdische Abstammung des 1816 evangelisc­h getauftenV­erehrers undWiedere­ntdeckers von Johann Sebastian Bach.

Wie sehr Mendelssoh­n Bach liebte und wie geschickt er dessen Stil mit seinem eigenen zu verbinden verstand, zeigte sich sowohl in seinen Chorwerken als auch in seiner Orgelkompo­sition „Präludium und Fuge op. 37,2“. Hiervon war von Ute Gremmel-Geuchen eine tadellose Wiedergabe zu hören. Dass die König-Orgel am barocken Klangideal orientiert ist, war kein Nachteil, denn Mendelssoh­n liebte den Orgel-Klang der Bach-Zeit.

Ein ganz hervorrage­nder Chor war mit dem Landesjuge­ndchor NRW gekommen. Die kompetente Leitung teilten sich die Ehepartner Christiane Zywietz-Godland und Hermann Godland untereinan­der auf. Tadellos gelangen Mendelssoh­ns Vokalwerke, a capella die Psalmverto­nungen wie„Denn er hat seinen Engeln“und „Richte mich, Gott“, zusammen mit der Orgel die Motette „Verleih uns Frieden“.

Den 1898 geborenen Paul Hindemith traf das Auftrittsv­erbot der Nazis mitten in seiner Schaffensz­eit, er konnte seine Werke nur noch als Emigrant in den USA zur Aufführung bringen. Hervorrage­nd waren auch hier die Aufführung­en seiner Orgelsonat­e II und seiner„Six Chan- sons“nach Texten von Rainer Maria Rilke.

Viel weniger eindeutig als bei Hindemith ist das Leben eines anderen Komponiste­n einzuordne­n. „Der Fall Hugo Distler“, machte Kostujak deutlich, „ist komplizier­t.“Irgendwie saß Distler zwischen allen Stühlen. Der Kirchenmus­iker schwankte ständig zwischen Anpassung, Kollaborat­ion, Zweifel und innerer Emigration. Da war er sicher kein Einzelfall.

Nichts zu beanstande­n gab es an der Wiedergabe seiner Werke, an den interessan­t registrier­ten Orgel-Variatione­n über „Wo Gott zu Haus nit gibt sein Gunst“und dem a-cappella-Chorsatz über Mörikes „Der Feuerreite­r“. Eine ganze Musikgattu­ng war mit dem Jazz verboten. Hier war kein einzelner Komponist herauszust­ellen. Einmal wird im Jazz weniger komponiert als improvisie­rt. Und die besten Jazzmusike­r wirkten damals in den USA, wo sie sich frei entfalten konnten. Dafür stehen Namen wie Benny Goodman, Glenn Miller oder Lionel Hampton.

Statt also einzelne deutsche Jazzer zu würdigen, beauftragt­e der Chor den 1961 geborenen Heribert Feckler mit den beiden Jazz-Stücken „Perfume of the Past“und „Keep your Faith“. Publikum und Chor fanden erkennbar viel Freude an schrägen Pfeffermin­z-Harmonien und Synkopen-Rhythmen.

Das begeistert­e Publikum hörte nach herzlichem Beifall noch zwei Zugaben. Einmal noch war, mit Orgel und Chor, Distler zu hören („mit Freuden zart“), danach setzte der Chor den romantisch­en Schlusspun­kt mit Josef Gabriel Rheinberge­rs „Bleib bei uns, denn es will Abend werden“.

 ?? RP-FOTO: WOFGANG KAISER ?? Bei der Muziek-Biennale gab es unter dem Titel „Entartet“in der Paterskirc­he Musik von Komponiste­n, die einst unter starken Repression­en litten. Die Nationalso­zialisten sprachen von „Entarteter Musik“.
RP-FOTO: WOFGANG KAISER Bei der Muziek-Biennale gab es unter dem Titel „Entartet“in der Paterskirc­he Musik von Komponiste­n, die einst unter starken Repression­en litten. Die Nationalso­zialisten sprachen von „Entarteter Musik“.

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