Rheinische Post Krefeld Kempen
Elodie Théry: Weit mehr als nur eine lokale Größe
Die Willicher Cellistin gastierte bei der Matinée in der Kapelle Klein-Jerusalem. Wegen des großen Erfolgs musste sie ihr Konzert sogar wiederholen.
NEERSEN Die Matinéen in der Kapelle Klein-Jerusalem sind längst zur Tradition geworden. Diesmal gab es allerdings drei Neuigkeiten. Zum ersten Mal fanden in einem Jahr drei Matinéen statt. Die dritte wurde angesetzt, weil zum ersten Mal die Stadt Willich an der „Muziek Biennale Niederrhein“beteiligt ist. Und dazu trat zum ersten Mal als Solistin eine Einheimische, eine Willicherin, auf. Wegen der großen Nachfrage wurde das Konzert sogar nachmittags wiederholt.
Allerdings muss gleich zu Beginn energisch einem möglichen Missverständnis vorgebeugt werden. Es wäre höchst ungerecht, die junge Cellistin Elodie Théry lediglich als lokale Größe einzustufen. Nach umfangreichen Studien ist sie jetzt Stipendiatin der Hirsch- mann-Stiftung an der Hochschule Luzern und bereitet sich auf ihr Konzert-Examen vor. Da wird bekanntlich viel verlangt. Und in ihrem Solo-Programm, ganz ohne Begleitung durch ein Tasten-Instrument, bewies sie ein beachtliches Können.
Ihr Programm stellte, dem Biennale-Motto „Verboten“gemäß, vier Komponisten vor, die an verschiedenen Orten schlimme Erfahrungen machen mussten. Sie alle litten unter einer Diktatur, die ihnen das Aufführen ihrer Kompositionen erheblich erschwerte und mitunter auch ganz unmöglich machte. Um trotzdem ein positives Zeichen zu setzen, erinnerte die junge Musikerin außerdem an den berühmten Cellisten Mstislaw Rostropowitsch, der 1989 an der gerade gefallenen Berliner Mauer drei Solo-Suiten als Aufforderung zu Versöhnung und Zusammenfinden spielte. Mit drei Bach-Suiten rahmte Théry die Komponisten des 20. Jahrhunderts ein.
Das machte sie ganz ausgezeichnet. Die Suiten Nr. 1.,3 und 5 spielte sie nicht streng nach den Forderungen der historisch orientierten Aufführungspraxis. Sie erlaubte sich gelegentlich ein dezentes Vibrato und einen vollen, warmen Ton, der unter der günstigen Akustik der kleinen Kapelle herrlich zum Tragen kam. Umgekehrt übertrieb sie nicht das virtuose und das klangliche Element. Sie wählte passende Tempi und folgte mit ihrer Artikulation der Logik der Kompositionen.
Mit Paul Hindemiths Sonate für Violoncello Solo op. 25 Nr 3. erinnerte Théry an einen Komponisten, dem die Nazis die Aufführung seiner Werke verboten und der in die USA emigrierte. Sorgfältig arbeitete die junge Musikerin die verschiedenen Schattierungen des Werkes heraus, das zwischen intensiven expressionistischen, dezent verhaltenen und unruhigen Passagen abwechselte. Der Ungar György Ligeti litt in kommunistischer Zeit unter Repressionen, ebenso der Lette Peteris Vasks.
Théry beeindruckte mit ausdrucksvollen, virtuosen Partien in Ligetis „Sonata pour violoncelle seul“sowie mit ungewohnter, unkonventioneller Tonerzeugung in Vasks‘ „Gramata cellam“– unter Einbeziehung der eigenen Singstimme. Erfreulicherweise gibt es Hitlers Diktatur nicht mehr, ebenso wenig wie die Stalins. Dass damit heute für Komponisten weltweit optimale Zustände herrschen, ist leider nicht der Fall. Daran erinnerte eine eigenwillige, sich auch zwischen den Tönen abspielende Komposition des 1970 in Tel Aviv geborenen palästinensischen Komponisten Samir Odeh-Tamimi.