Rheinische Post Krefeld Kempen
Flüchtlingshäuser: Verwaltung abgewatscht
Massive Kritik gab es im Kempener Sozialausschuss am Dienstagabend an dem Plan der Stadtverwaltung, ein neues Wohnhaus für Flüchtlinge in Voesch zu bauen. Der Standort gilt schon seit Jahren als gänzlich ungeeignet.
KEMPEN Am Ende wurde die Verwaltungsvorlage von den Fraktionssprechern im Kempener Sozialausschuss verbal in der Luft zerrissen. Massiv fiel die Kritik der Politik an dem Plan der Stadtverwaltung aus, das ursprünglich für das Gelände an der Reithalle am Schmeddersweg geplante Wohnhaus für anerkannte Flüchtlingsfamilien nun als Ersatz für die marode Notunterkunft neben dem Bürgerhaus in Voesch zu bauen. Das will die Politik partout nicht, die Verwaltung wurde unmissverständlich aufgefordert, bis zur Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 2. Oktober einen anderen, besser geeigneten Standort vorzuschlagen.
Anni Rosenfeld (SPD) brachte es auf den Punkt: „Die Verwaltungsspitze muss sofort umdenken“, sagte sie. Ihre Ausschusskollegen Monika Schütz-Madré (Grüne) und Günter Solecki (Linke) zeigten sich „entsetzt“von dem Plan, das neue Wohnhaus in Voesch zu errichten. Denn dieser Standort sei seit Jahren ungeeignet. Die bestehende Unterkunft sei immer nur eine Notlösung gewesen. Für dauerhaftes Wohnen sei der Standort absolut nicht zu gebrauchen, hieß es.
Was die Sprecher der Fraktionen vor allem überrascht hatte, war die Kehrtwende, die die Verwaltung in der Standortfrage vollzogen hatte. Schließlich habe auch die Verwaltung selbst den Standort Voesch stets als Übergangslösung bezeichnet, hieß es. Die Kehrtwende hatte die Stadt vollziehen müssen, nach- dem der neue Technische Beigeordnete Marcus Beyer kürzlich festgestellt hatte, dass der von der Stadt immer als alternativlos bezeichnete Standort Schmeddersweg wegen der Lärmproblematik durch den benachbarten Sportpark für den Neubau eines Wohnhauses nicht zulässig ist.
Die Politiker im Sozialausschuss hielten der Stadtverwaltung vor, sich nie so richtig um mögliche Standorte für Flüchtlingsunterkünfte gekümmert zu haben. FürWohnraum, in dem anerkannte Ausländer mit Bleiberecht untergebracht werden können, gebe es keinerlei Konzept. Die Stadt solle, wenn sie selbst kei- ne geeigneten Grundstücke besitzt, solche auf dem freien Markt erwerben, lautete eine Forderung. Es gebe in Kempen ein generelles Problem mit dem Sozialen Wohnungsbau, stellte Jochen Herbst (CDU) fest. Der sei von der Stadt über viele Jahre vernachlässigt worden. Herbst übte massive Kritik an der Verwaltung: „Wir müssen unter Zeitdruck entscheiden, weil die Stadt nicht in der Lage ist, geeignete Grundstücke zu finden“, sagte er.
Einhellig war die Politik der Meinung, dass diese Grundstücke zentral gelegen sein müssten und nicht – wie in Voesch – im Außenbereich mit denkbar schlechter Infrastruk- tur und Anbindung an den Öffentlichen Personennahverkehr liegen dürften.
Dezernent Klee ließ die massive Kritik der Politiker nicht kalt, er wirkte extrem angespannt. „Wir brauchen den Wohnraum für die Flüchtlingsfamilien aber nun mal sehr dringend“, erklärte er mit emotionalem Unterton. Zuvor hatte er bereits betont, dass die Stadt keine anderen Flächen mit Baurecht habe.
Eher beiläufig bestätigte er auf Nachfrage aus dem Ausschuss, dass das für den Neuenweg in Tönisberg geplante neue Wohnhaus für Flüchtlinge aus denselben Gründen wie beim Standort Schmedders- weg nicht in der Nachbarschaft des dortigen Sportplatzes gebaut werden kann. Hier sei – ähnlich wie in Voesch – geplant, die bestehende Unterkunft, die marode ist, abzureißen und am Standort neu zu bauen.
Aus der Beratungsvorlage für den Sozialausschuss wird deutlich, dass die Stadt Kempen bei der Unterbringung von Flüchtlingen zunehmend unter Druck gerät. Die zuständige Bezirksregierung Arnsberg hatte der Stadt immer wieder erklärt, dass Kempen mehr Flüchtlinge und anerkannte Ausländer mit Bleiberecht aufnehmen muss. Bei der Gruppe der anerkannten Schutzberechtigten mitWohnsitzauflage muss Kempen mit Stand 2. September insgesamt 351 Personen aufnehmen, hat aber bisher erst 200 Ausländer untergebracht. Bei Flüchtlingen, die einen Asylantrag gestellt haben, liegt das Aufnahme-Soll bei 160 Personen, 136 leben derzeit in Kempen. Mit Stand vom 10. September sind im Stadtgebiet insgesamt 351 Flüchtlinge untergebracht.
Einige Plätze zur vorübergehenden Unterbringung von Flüchtlingen gibt es derzeit im Stadtteil Alt-Kempen noch in den Übergangswohnheimen am Hütterweg und an der Peter-Jakob-Busch-Straße (ehemaliges Bankverwaltungsgebäude) sowie in den beiden bestehenden Wohnhäusern am Schmeddersweg. Diese Häuser dürfen übrigens mit Ausnahmegenehmigung als „Anlagen für soziale Zwecke“weiterhin zur Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden. Auch in der Notunterkunft an der Tönisberger Straße in St. Hubert sind einige Plätze frei.