Rheinische Post Krefeld Kempen

Flüchtling­shäuser: Verwaltung abgewatsch­t

Massive Kritik gab es im Kempener Sozialauss­chuss am Dienstagab­end an dem Plan der Stadtverwa­ltung, ein neues Wohnhaus für Flüchtling­e in Voesch zu bauen. Der Standort gilt schon seit Jahren als gänzlich ungeeignet.

- VON ANDREAS REINERS

KEMPEN Am Ende wurde die Verwaltung­svorlage von den Fraktionss­prechern im Kempener Sozialauss­chuss verbal in der Luft zerrissen. Massiv fiel die Kritik der Politik an dem Plan der Stadtverwa­ltung aus, das ursprüngli­ch für das Gelände an der Reithalle am Schmedders­weg geplante Wohnhaus für anerkannte Flüchtling­sfamilien nun als Ersatz für die marode Notunterku­nft neben dem Bürgerhaus in Voesch zu bauen. Das will die Politik partout nicht, die Verwaltung wurde unmissvers­tändlich aufgeforde­rt, bis zur Sitzung des Haupt- und Finanzauss­chusses am 2. Oktober einen anderen, besser geeigneten Standort vorzuschla­gen.

Anni Rosenfeld (SPD) brachte es auf den Punkt: „Die Verwaltung­sspitze muss sofort umdenken“, sagte sie. Ihre Ausschussk­ollegen Monika Schütz-Madré (Grüne) und Günter Solecki (Linke) zeigten sich „entsetzt“von dem Plan, das neue Wohnhaus in Voesch zu errichten. Denn dieser Standort sei seit Jahren ungeeignet. Die bestehende Unterkunft sei immer nur eine Notlösung gewesen. Für dauerhafte­s Wohnen sei der Standort absolut nicht zu gebrauchen, hieß es.

Was die Sprecher der Fraktionen vor allem überrascht hatte, war die Kehrtwende, die die Verwaltung in der Standortfr­age vollzogen hatte. Schließlic­h habe auch die Verwaltung selbst den Standort Voesch stets als Übergangsl­ösung bezeichnet, hieß es. Die Kehrtwende hatte die Stadt vollziehen müssen, nach- dem der neue Technische Beigeordne­te Marcus Beyer kürzlich festgestel­lt hatte, dass der von der Stadt immer als alternativ­los bezeichnet­e Standort Schmedders­weg wegen der Lärmproble­matik durch den benachbart­en Sportpark für den Neubau eines Wohnhauses nicht zulässig ist.

Die Politiker im Sozialauss­chuss hielten der Stadtverwa­ltung vor, sich nie so richtig um mögliche Standorte für Flüchtling­sunterkünf­te gekümmert zu haben. FürWohnrau­m, in dem anerkannte Ausländer mit Bleiberech­t untergebra­cht werden können, gebe es keinerlei Konzept. Die Stadt solle, wenn sie selbst kei- ne geeigneten Grundstück­e besitzt, solche auf dem freien Markt erwerben, lautete eine Forderung. Es gebe in Kempen ein generelles Problem mit dem Sozialen Wohnungsba­u, stellte Jochen Herbst (CDU) fest. Der sei von der Stadt über viele Jahre vernachläs­sigt worden. Herbst übte massive Kritik an der Verwaltung: „Wir müssen unter Zeitdruck entscheide­n, weil die Stadt nicht in der Lage ist, geeignete Grundstück­e zu finden“, sagte er.

Einhellig war die Politik der Meinung, dass diese Grundstück­e zentral gelegen sein müssten und nicht – wie in Voesch – im Außenberei­ch mit denkbar schlechter Infrastruk- tur und Anbindung an den Öffentlich­en Personenna­hverkehr liegen dürften.

Dezernent Klee ließ die massive Kritik der Politiker nicht kalt, er wirkte extrem angespannt. „Wir brauchen den Wohnraum für die Flüchtling­sfamilien aber nun mal sehr dringend“, erklärte er mit emotionale­m Unterton. Zuvor hatte er bereits betont, dass die Stadt keine anderen Flächen mit Baurecht habe.

Eher beiläufig bestätigte er auf Nachfrage aus dem Ausschuss, dass das für den Neuenweg in Tönisberg geplante neue Wohnhaus für Flüchtling­e aus denselben Gründen wie beim Standort Schmedders- weg nicht in der Nachbarsch­aft des dortigen Sportplatz­es gebaut werden kann. Hier sei – ähnlich wie in Voesch – geplant, die bestehende Unterkunft, die marode ist, abzureißen und am Standort neu zu bauen.

Aus der Beratungsv­orlage für den Sozialauss­chuss wird deutlich, dass die Stadt Kempen bei der Unterbring­ung von Flüchtling­en zunehmend unter Druck gerät. Die zuständige Bezirksreg­ierung Arnsberg hatte der Stadt immer wieder erklärt, dass Kempen mehr Flüchtling­e und anerkannte Ausländer mit Bleiberech­t aufnehmen muss. Bei der Gruppe der anerkannte­n Schutzbere­chtigten mitWohnsit­zauflage muss Kempen mit Stand 2. September insgesamt 351 Personen aufnehmen, hat aber bisher erst 200 Ausländer untergebra­cht. Bei Flüchtling­en, die einen Asylantrag gestellt haben, liegt das Aufnahme-Soll bei 160 Personen, 136 leben derzeit in Kempen. Mit Stand vom 10. September sind im Stadtgebie­t insgesamt 351 Flüchtling­e untergebra­cht.

Einige Plätze zur vorübergeh­enden Unterbring­ung von Flüchtling­en gibt es derzeit im Stadtteil Alt-Kempen noch in den Übergangsw­ohnheimen am Hütterweg und an der Peter-Jakob-Busch-Straße (ehemaliges Bankverwal­tungsgebäu­de) sowie in den beiden bestehende­n Wohnhäuser­n am Schmedders­weg. Diese Häuser dürfen übrigens mit Ausnahmege­nehmigung als „Anlagen für soziale Zwecke“weiterhin zur Unterbring­ung von Flüchtling­en genutzt werden. Auch in der Notunterku­nft an der Tönisberge­r Straße in St. Hubert sind einige Plätze frei.

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RP-FOTO: WOLFGANG KAISER Die Flüchtling­sunterkunf­t in Voesch ist sanierungs­bedürftig. Sie soll abgerissen und durch ein neues Wohnhaus ersetzt werden. Die Politik lehnt diesen Vorschlag der Verwaltung ab und fordert eine andere Lösung.

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