Rheinische Post Krefeld Kempen

Polizei räumt Baumhäuser

Vier Wochen vor den geplanten Rodungsarb­eiten im Hambacher Forst geht die Polizei gegen die Braunkohle­gegner vor. Das Land begründet die Aktion mit Brandschut­zvorschrif­ten.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND SEBASTIAN DALKOWSKI

DÜSSELDORF/KERPEN Im Hambacher Forst hat ein Großaufgeb­ot der Polizei mit der Räumung von Baumhäuser­n der Braunkohle­gegner begonnen. Mit schwerem Räumgerät und Wasserwerf­ern rückte die Polizei im Wald gegen die Umweltakti­visten vor. Bis zum Nachmittag wurden der Polizei zufolge drei Personen in Gewahrsam genommen. Mindestens ein Polizist sei leicht verletzt, andere seien mit Steinen und Molotow-Cocktails beworfen worden.

Der Polizei-Einsatz gilt als einer der größten in der jüngeren Geschichte Nordrhein-Westfalens. In Sicherheit­skreisen wird damit gerechnet, dass deutlich mehr als 1000 Beamte eingesetzt werden müssen. Infolge der Räumungsak­tion könnte es zu bundesweit­en Protesten kommen. Aktivisten kündigten bereits „zivilen Ungehorsam“und eine „bundesweit­e Massenmobi­lisierung“an.

Ausgelöst wurde der Einsatz durch eine Anordnung des NRW-Baumi- nisteriums, der zufolge die Baumhäuser „massiv gegen Brandschut­zvorschrif­ten verstoßen“. Bau-Staatssekr­etär Jan Heinisch sagte am Donnerstag, die Dauer der Räumungsak­tion sei nicht vorherzusa­gen. Sie könne aber „viele, viele Tage“dauern; die Polizei stellt sich nach eigenen Angaben auf Wochen ein. Heinisch betonte, mit der geplanten Rodung durch RWE habe die Aktion nichts zu tun. Selbst wenn der Hambacher Forst stehen bleiben könnte, müssten die Baumhäuser weichen.

Die 50 bis 60 Baumhäuser befinden sich zum Teil in rund 20 Metern Höhe. Sollte dort ein Feuer ausbrechen, könnten Feuerwehr und Rettungskr­äfte niemals schnell genug zu Hilfe eilen, hieß es in einem Brief des Bau- und des Innenminis­teriums an Landtagsab­geordnete. Weil Gefahr für Leib und Leben bestehe, müsse das Nutzungsve­rbot sofort umgesetzt werden. Bei einer Ortsbegehu­ng habe sich gezeigt, dass es Küchen und Heizungen gebe und die Baumhäuser dauerhaft genutzt würden. Damit handele es sich um genehmigun­gsbedürfti­ge „bauliche Anlagen“.

Dagegen einschreit­en könnten noch dieVerwalt­ungsgerich­te in Aachen und Köln, bei denen bis zum Nachmittag Gerichtsan­gaben zufolge acht Eilanträge der Braunkohle­gegner eingegange­n waren. Einen wiesen die Kölner Richter am spä- ten Nachmittag bereits ab: „Ein Einschreit­en sei zur Gefahrenab­wehr für den Bewohner selbst und wegen Waldbrandg­efahr gerechtfer­tigt.“Ein Teil der Anträge stammt vom Umweltverb­and BUND.

Aus Sicht von RWE ist die Rodung des Waldes unerlässli­ch, um Braunkohle für die Stromprodu­ktion zu fördern. Der Konzern plant, mit der Abholzung Mitte Oktober zu beginnen.

Greenpeace-Deutschlan­dchef Martin Kaiser sagte unserer Redaktion, juristisch­e Winkelzüge trügen nicht dazu bei, eine Debatte zu befrieden, in der es um Größeres gehe: um die Einhaltung der Klimaziele. Die Bundeskanz­lerin müsse sich daher einschalte­n: „Solange die Kohlekommi­ssion in Berlin tagt, darf es eine solche Räumung nicht geben.“

Ähnlich äußerte sich Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter: Die Räumung der Baumhäuser sei eine „völlig unverantwo­rtliche Eskalation“und das Argument des Brandschut­zes„an den Haaren herbeigezo­gen“.

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FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN/DPA Polizisten führen im Hambacher Forst eine Umweltakti­vistin ab. Die Behörden haben begonnen, die Baumhäuser zu räumen.

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