Rheinische Post Krefeld Kempen
Großbritannien droht mit einem „No-Deal-Brexit“
LONDON Sondersitzung im britischen Kabinett: Premierministerin Theresa May und die Ministerundein London haben am Donnerstag klargemacht, dass Großbritannien auch für einen ungeregelten sogenannten „No-Deal“-Brexit gerüstet sei. Also für den Fall, dass kein Austritts- und Handelsabkommen mit der Europäischen Union zustandekommt. Ein ungeregelter Brexit, hatte May vorab verlautet, sei schließlich „auch nicht das Ende der Welt“. Die Kabinettssitzung sollte Brüssel gegenüber signalisieren, dass London bei denVerhandlungen notfalls auch die Reißleine ziehen könnte.
Der Brexit-Minister Dominic Raab feuerte am Donnerstagmorgen einen weiteren Warnschuss Richtung Brüssel ab. In einem Beitrag für die Zeitung „Daily Telegraph“schrieb Raab, dass Großbritannien im Falle eines ungeregelten Brexit die Scheidungsrechnung nicht begleichen wollel. „Die Regierung würde nicht den finanziellen Vergleich bezahlen, wie er mit der EU vereinbart war“, warnte Raab.„Es gibt keinen Deal ohne den gesamten Deal.“Bisher war eine Summe von rund 44 Milliarden Euro abgesprochen für die Begleichung der finanziellen Verpflichtungen, die Großbritannien während seiner Mitgliedschaft eingegangen ist. Sollte sich diese Summe drastisch reduzieren (im Ge- spräch ist in Regierungskreisen nur noch eine Verbindlichkeit von rund 22 Milliarden Euro), kämen auf Nettozahler wie Deutschland zusätzliche Zahlungen in die EU-Kasse zu.
Die Signale aus London sollen Druck machen und die europäischen Verhandlungspartner zum Entgegenkommen bewegen. Die Botschaft lautet: Entweder es kommt zu einem No-Deal-Szenario oder man einigt sich auf ein Abkommen, das den Grundzügen des Weißbuchs folgt, das May vor einigen Wochen vorgelegt hat.
Anfang Juli hatte Theresa May ihr Kabinett auf dem Landsitz der Regierung Chequers auf einen gemeinsamen Brexit-Kurs eingeschworen. Nach dem Chequers-Papier will Großbritannien eine Art Assoziationsstatus mit der EU: Was Waren und Agrargüter angeht, bleibt man im Binnenmarkt und übernimmt das „gemeinsame Regelwerk“, während man im Bereich Dienstleistungen eigene Wege gehen will. Dieser Kompromiss ist jetzt die offizielle britische Verhandlungsposition und stellt das Äußerste dar, was an Einigung in der britischen Regierung erreichbar war. Will May nicht riskieren, dass es innerhalb des Kabinetts erneut zu Spaltungen kommt, ist der Chequers-Plan die einzige Perspektive für ein Handelsabkommen mit der EU. Dazu gibt es nur eine Alternative und die lautet: No-Deal-Brexit.