Rheinische Post Krefeld Kempen

Besser nicht beim Autofahren hören

Für unseren Autor ein Klassiker: „Powerslave“von Iron Maiden aus dem Jahr 1984.

- VON OLIVER BURWIG

Vor Kurzem habe ich mich mit einem Kollegen über das Phänomen unterhalte­n, dass viele Menschen die Musik ihrer Jugend irgendwann im Alter zwischen 30 und 50 Jahren noch einmal neu lieben lernen. Hat es etwas mit der Midlife-Crisis zu tun, der selbstaufe­rlegten Pflicht, wieder jung zu sein, sich in sein jugendlich­es Ich zurück zu verwandeln? Warum fängt man wieder an, alte Sachen zu hören? Wir kamen zum Schluss, dass die Sache wenigstens in einem Fall anders ist: Wer als Erwachsene­r Heavy Metal hört, der fängt nicht wieder damit an, sondern hat nie damit aufgehört. Und wenige Alben machen dasWeiterh­ören so leicht wie Iron Maidens„Powerslave“aus dem Jahr 1984.

Im Erscheinun­gsjahr, zur Hochzeit der glamouröse­n „New Wave Of British Heavy Metal“, begann die bis dahin größte Tournee der Band. Es war eine Zeit, in der sich Iron Maiden mit ihrem ersten Auftritt in Südamerika, dem damals noch hinter dem Eisernen Vorhang liegenden Polen und in Deutsch- land die Heiligspre­chung verdiente. Für die Musiker stellte sich die Tour mit 189 Spieltagen als ein Gewaltakt heraus. Und auch wenn man es den sympathisc­hen Briten nicht gewünscht hätte, passt es irgendwie zu diesem Albumklass­iker, dass auch die nie enden wollende Tour ein neuer Pegelstand für Iron Maiden sein sollte. Und das nicht nur, weil sie mit „Rime Of The Ancient Mariner“ihren ersten Vierzehnmi­nüter produziert­e.

Höre ich mir heute „2 Minutes To Midnight“oder „Flash Of The Blade“an, dann fühlt sich das auf die wunderbars­teWeise nostalgisc­h an. Nicht, weil ich schon auf der Welt gewesen wäre, als dieser Inbegriff des glatt produziert­en 80er-Metals geschaffen wurde, sondern weil es Lieder sind, die Musik für mich erst interessan­t gemacht haben. Da sind übereinand­ergelegte, hochmelodi­sche Gitarrenli­nien, ein rasantes, überrasche­nd akzentuier­endes Schlagzeug und eine Stimme, die nicht schön, aber wegen ihres Umfangs schlicht beeindruck­end ist. Als Bonus gibt es einen virtuos gespielten Bass, dessen Besitzer Steve Har- ris auch das beste Stück auf„Powerslave“geschriebe­n hat.

„Aces High“beginnt mit einem Auszug aus Winston Churchills berühmter Rede von 1940 („We shall fight on the beaches…“), ehe ein kurzes Drum-Stakkato und ein mehrstimmi­ges Gitarrenri­ff das Lied einläuten. Es folgt ein gut vierminüti­ger, irrwitzig antreibend­er Song, zu dem man besser kein Auto fahren sollte – das Gaspedal würde sich wie von alleine durchtrete­n. Adrian Smith und Dave Murray türmen mit ihren Gitarren die Melodie auf, wechseln sich beim Solieren ab, der Bass rast unter ihnen hinweg. Unwirklich lange hält Bruce Dickinson die höchsten Töne, wenn er den Refrain singt. Klar ist der Text über den Einsatz einer britischen Spitfire-Jagdfliege­rstaffel der reinste Kriegskits­ch.

Aber wer Heavy Metal liebt, hat doch sowieso immer eher auf das „Wie“als das „Was“gehört.

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FOTO: LABEL Cover des Iron Maiden-Albums „Powerslave“.

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