Rheinische Post Krefeld Kempen

Ortskern steht auf Bodendenkm­al

Wird der St. Töniser Stadtkern zum Bodendenkm­al, ändert sich für Hauseigent­ümer nicht viel, denn bereits jetzt müssen Archäologe­n kommen, wenn gegraben wird. Dennoch wurde der LVR-Antrag im Ausschuss kontrovers diskutiert.

- VON STEPHANIE WICKERATH

ST. TÖNIS „ Hat der Eintrag des St. Töniser Stadtkerns als Bodendenkm­al Einfluss auf künftige Bebauungsp­läne? Können wir den Antrag ablehnen? Wie positionie­ren wir uns?“Diese Fragen stellte Johannes Funck von der SPD-Fraktion im Planungsau­sschuss.

Auf der Tagesordnu­ng stand ein Ansinnen des Amts für Bodendenkm­alpflege beim Landschaft­sverband Rheinland (LVR). Die Denkmalsch­ützer haben bei der Unteren Denkmalbeh­örde der Stadt Tönisvorst den Antrag gestellt, den St. Töniser Stadtkern in die Bodendenkm­alliste einzutrage­n.

Ihre Begründung: „St. Tönis gehört zu den wenigen kleineren, urbanen Marktfleck­en im ländlichen Raum am Niederrhei­n, die nach- weislich über eine Wall-Grabenbefe­stigung verfügen.“Am Erhalt dieserWall-Grabenbefe­stigung bestehe ein wissenscha­ftliches Interesse.

Die Politiker sind nicht begeistert von dem LVR-Antrag, weil sie befürchten, dass Um- und Neubauten im Stadtkern durch das Bodendenkm­al behindert werden könnten. Jörg Friedenber­g von der Verwaltung erklärt, dass es keinen Ermessenss­pielraum gebe:„Das Bodendenkm­al ist durch Funde von Ausgrabung­en belegt und gilt als schützensw­ert.“

Für die etwa 300 betroffene­n Grundstück­e im Stadtkern beziehungs­weise deren Eigentümer bringe der Eintrag in die Bodendenkm­alliste aber keine Veränderun­g. „Es war bisher auch schon so, dass archäologi­sche Untersuchu­ngen zu Lasten des Eigentümer­s durchgefüh­rt werden mussten, wenn in dem betroffene­n Gebiet Bodenarbei­ten etwa durch den Bau einer Tiefgarage oder eines Kellers anstanden.“

Dennoch wolle die Stadt die Bürger mit einer Meldung im Amtsblatt auf den Eintrag der Innenstadt in die Bodendenkm­alliste aufmerksam machen. „Die Bürger können dann vier Wochen lang Einspruch erheben beziehungs­weise eine Stellungna­hme abgeben“, sagt Jörg Friedenber­g.

Dominique Huth von der CDU-Fraktion sprach sich dafür aus, die Anwohner persönlich anzuschrei­ben – das lehnt die Stadtverwa­ltung aber ab. Die Antwort auf die Frage, ob das eingetrage­ne Bodendenkm­al Neubauten erschwere oder gar verhindere, blieb Friedenber­g schuldig.

Fest steht, dass St. Tönis auf eine lange Geschichte zurückblic­kt, von der die Funde im Boden zeugen. Erste Ansiedlung­en sind aus dem zwölften Jahrhunder­t verbrieft. Mit der Errichtung einer Kapelle um 1380 entwickelt­e sich die zentrale Siedlung im heutigen Ortskern rund um die Pfarrkirch­e St. Cornelius.

Um 1607 wurde diese Siedlung mit Wall, Graben und Toren befestigt. Die Straßennam­en „Niedertors­traße“,„Pastorswal­l“und„Alter Graben“zeugen von den mittelalte­rlichen Befestigun­gsanlagen. Die Ortsbefest­igung wurde zu Beginn des 17. Jahrhunder­ts gebaut.

Ende des 18. Jahrhunder­ts wurden die Gräben und Wälle an die Bürger verkauft, 1870 wurde der letzte Graben zugeschütt­et. Auch von dem ehemaligen Wall ist nur noch ein kurzes Stück hinter dem Pfarrgarte­n am Pastorswal­l erhalten.

In den archäologi­schen Funden, die in der Vergangenh­eit bereits in St. Tönis entdeckt worden sind, zei- ge sich die Siedlungse­ntwicklung von einer bäuerlich geprägten Gegend zu einem zentralen Marktort mit handwerkli­cher Infrastruk­tur, heißt es in der denkmalrec­htlichen Begründung zum Antrag des Landschaft­sverbands.

Besonders die rückwärtig­en Bereiche hinter den Straßen- und Häuserfron­ten seien von wissenscha­ftlichem Interesse, da die Hinterlass­enschaften archäologi­sch erfassbar seien und wertvolle Informatio­nen über die Entwicklun­g der Arbeits- und Produktion­sverhältni­sse im mittelalte­rlichen St. Tönis geben. Auch Zeugnisse tierischen oder pflanzlich­en Lebens wurden bei Ausgrabung­en gefunden und lassen Rückschlüs­se über Flora und Fauna zu.

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RP-FOTO: HERIBERT BRINKMANN Für die etwa 300 betroffene­n Grundstück­e im Stadtkern beziehungs­weise deren Eigentümer bringe der Eintrag in die Bodendenkm­alliste aber keine Veränderun­g, sagt die Verwaltung.

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