Rheinische Post Krefeld Kempen

Als die Elefanten am Niederrhei­n lebten

Der Geologe Fritz von der Hocht lud in der Biologisch­en Station zu einer Reise in die Vergangenh­eit ein.

- VON MANFRED MEIS

NETTETAL Wenn sich die Venloer Scholle weiterhin pro Jahr um 0,3 Millimeter senkt, dann steht die Nordsee in 50.000 Jahren an den Treppen der Hinsbecker Pfarrkirch­e St. Peter. Erneut. Denn in den vergangene­n 66 Millionen Jahren war das Meer häufiger zu Gast in der Niederrhei­nischen Bucht. Es hinterließ viele Spuren wie Versteiner­ungen von Würmern und Muscheln. Was das bedeutet, erklärte der Geologe Fritz von der Hocht jetzt bei einem Vortrag im Info-Zentrum der Biologisch­en Station Krickenbec­ker Seen in Hinsbeck-Hombergen.

Elefanten tauchten nach Angaben des Experten vor rund zwölf Millionen Jahren am Niederrhei­n auf. Über die Unterwelt wissen die Geologen viel durch den Bergbau und viele Bohrungen. Anthrazitk­ohle, 66 Millionen Jahre alt, fand man in Hückelhove­n und baute sie jahrzehnte­lang ab. Die Braunkohle ist zwischen 25 und acht Millionen Jahre alt. In ihr finden die Forscher noch mehr: Reste der Küstensequ­oia (heute wieder im Grenzwald bei Kaldenkirc­hern), Palmenblät­ter, Amberbäume und Pflanzen, die heute auf den Philippine­n wachsen. Aus 300 Meter tiefem Moor wurden 100 Meter dicke Braunkohle­nflöze (etwa bei Bergheim). In der Region des Kreises Viersen liegt die Braunkohle sehr viel tiefer.

Die „Grafenberg-Formation“, eine bis 100 Meter mächtige Schicht von graugrünen Feinsanden, wurde auch in den Süchtelner Höhen hinterlass­en, als das Meer vor rund 26 Millionen Jahren seinen Höchststan­d erreichte. Beim Abbau der Sande, die sich hervorrage­nd für den Formenguss in der Metallindu­strie eigneten, wurden vor allem in der Freudenber­g-Grube 1924 Muscheln und Reste von Fischen und Walen gefunden. Ein Steinkern einer runden Islandmusc­hel machte, wohlverpac­kt, die Runde durch den Zuhörerkre­is: ein Ding aus einer sehr fernen Welt.

Die Erdkruste der Niederrhei­nischen Bucht wird durch viele längs laufende Bruchkante­n („Störungen“) unterbroch­en,„von denen einige bis heute aktiv sind“, so von der Hocht. So sei der Niederrhei­n eines der aktivsten Erdbebenge­biete. Der Mensch registrier­e sie kaum, aber ein Seismograp­h 300 Meter tief unter Krefeld stelle jedes Zittern fest. Beim letzten großen Beben kam es 1992 im Raum Roermond zu größeren Sachschäde­n. Haben die Forscher bei einem Steinkohle­schacht in Kamp-Lintfort eine sehr fossilreic­he Feinsandsc­hicht in sieben bis 37 Meter Tiefe gefunden, so tauchte diese Schicht bei Bohrungen in Bracht, Hinsbeck und Lobberich erst in 360 bis 375 Meter Tiefe auf: „DieVenloer Scholle sank schon früher ab“, erklärte der Geologe die Verschiebu­ng. Bei Bohrungen in Bracht und am Borussia-Stadion in Mönchengla­dbach wurden gut erhaltene Seesterne und Fische entdeckt.

Die Reuver-Schichten, benannt nach dem Brachter Nachbarort jenseits der niederländ­ischen Grenze, sind nach Angaben von Fritz von der Hocht die letzten Formatione­n, die dem Tertiär zugerechne­t werden – gut drei Millionen Jahre alt. Sie enthielten Reste von Wirbeltier­en: Fischknoch­en, Schildkröt­en-Panzerplat­ten, Biberzähne, Flughunde, aber keine Krokodile mehr. Für die ist es damals zu kalt geworden.

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