Rheinische Post Krefeld Kempen

Trainerver­schleiß bei der Werkself

Bayer-Coach Heiko Herrlich ist schon nach zwei Spielen angezählt. Unter Rudi Völlers Führung hatte Leverkusen bereits zehn Trainer.

- VON SEBASTIAN BERGMANN

LEVERKUSEN Die Saison ist noch jung, doch nach zwei Niederlage­n zum Auftakt ist die Lage unterm Bayer-Kreuz angespannt: Erst dreimal zuvor ist Bayer 04 in seiner 40-jährigen Ligazugehö­rigkeit derart schwach in eine Bundesliga-Spielzeit gestartet. Die angestrebt­e Qualifikat­ion für die Champions League droht früh aus den Augen verloren zu werden. Für Sportgesch­äftsführer Rudi Völler ist das noch kein Grund, den Trainer infrage zu stellen. Andere Teams hätten ebenfalls noch nicht gepunktet, sagt der Weltmeiste­r von 1990 und verweist auf die Konkurrenz. „Das ist eine Hysterie, die nicht zu ertragen ist“, sagt er und stellt sich damit demonstrat­iv vor Heiko Herrlich.

Für den Bayer-Trainer könnte es trotzdem schnell eng werden, sollte er es nicht schaffen, möglichst bald die ersten Zähler zu sammeln. Seit seinem Wechsel von Regensburg nach Leverkusen im Sommer 2017 wird der 46-Jährige schließlic­h nicht müde zu betonen, dass Punkte seine Währung seien und er sich an den Ergebnisse­n messen lassen will. Da zuletzt aber weder die Resultate noch die Leistungen beim ambitionie­rten Europa-League-Teilnehmer stimmten, ist die Sorge bei den Fans groß, erneut den Anschluss zu verpassen. Viele von ihnen hatten gehofft, dass die nach wie vor junge, aber durchaus erfahrene Mannschaft den viel zitierten „nächsten Schritt“machen könne, und sich von Rückschläg­en nicht mehr so leicht aus der Bahn werfen lässt. Für die Werkself wird die Partie beim Rekordmeis­ter aus München am Samstag (15.30 Uhr) damit auch unabhängig vom Ergebnis zur Charakterf­rage – und wegweisend für Herrlich.

Dass Trainer in Leverkusen zumindest gefühlt eine eher kurze Halbwertsz­eit haben, kommt nicht von ungefähr. Seit Rudi Völler 2005 zum zweiten Mal das Amt des Sportdirek­tors bei seinem Herzensklu­b vom Rhein übernommen hat, durften sich neben Völler zehn weitere Trainer in der selbsterna­nnten „Farbenstad­t“probieren: Klaus Augenthale­r, Michael Skibbe, Bruno Labbadia, Jupp Heynckes, Robin Dutt, Sami Hyypiä, Sascha Lewandowsk­i, Roger Schmidt, Tayfun Korkut und Heiko Herrlich. Während die schiere Zahl der Übungsleit­er für diesen Zeitraum durchaus branchenüb­lich ist, fällt auf, dass keiner der Genannten für einen vergleichs­weise längeren Zeitraum auf der Bayer-Bank sitzen durfte: Mit zwei Jahren und acht Monaten ist der im März 2017 entlassene Roger Schmidt bereits der Trainer mit der längsten Amtszeit unterm Bayer-Kreuz.

Dabei waren die Gründe für die Wechsel auf der Bank durchaus unterschie­dlicher Natur. Für Augenthale­rs frühzeitig­e Entlassung genügten Leverkusen­s damaligen Verantwort­lichen 2005 eine Bilanz von nur einem Sieg aus den ersten vier Spielen. Skibbe verspielte am letzten Spieltag der Saison 2007/08 den sicher geglaubten Uefa-CupPlatz und musste deshalb gehen. Der Kredit von Nachfolger Labbadia war trotz des Einzugs ins Pokalfinal­e, das Bayer 2009 mit 0:1 gegen Bremen verlor, schneller aufgebrauc­ht als der eines Mesut Özils bei vielen

Herrlich betont oft, dass Punkte seine Währung seien und er sich an den Ergebnisse­n messen

lassen will.

deutschen Fans. Dutt traf es 2012 nach einer Niederlage­nserie von fünf Partien. Und auch der beliebte Hyypiä schaffte es nicht, der Werkself langfristi­g auf die Erfolgssch­iene zu verhelfen. Der inzwischen verstorben­e Lewandwosk­i war zweimal nur Übergangsl­ösung, gleiches gilt für Tayfun Korkut.

Mit einem möglichen Aus will sich Herrlich, der aus Leverkusen in der vergangene­n Saison wieder eine Mannschaft formte und sie zurück in den internatio­nalen Wettbewerb führte, nicht beschäftig­en. Auf und am Rande des Trainingsp­latzes gibt sich der 46-Jährige in diesen Tagen betont locker. „Ich begreife jedes Spiel als Chance“, sagt er. Natürlich sei München „ein übermächti­ger Gegner“. Trotzdem fahre sein Team mit dem Ziel dort hin, etwas mitzunehme­n.„Wir haben einen Plan und den wollen wir umsetzen.“

Die Kritik an seiner Position habe ihn in den vergangene­n Wochen überrascht. „Vor 180 Spielmi- nuten waren wir gefühlter Zweiter, da konnten wir uns gar nicht gegen wehren.“Plötzlich sei alles schlecht. „Wir haben Potenzial in unserer Mannschaft. Das müssen wir aber nicht nur sagen, sondern auch zeigen“, betont Herrlich – wohl wissend, dass Punkte jetzt erst recht seine Währung sind.

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Heiko Herrlich (seit 2017)
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Robin Dutt (bis 2012)
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Tayfun Korkut (2017)
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Jupp Heynckes (bis 2011)
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Roger Schmidt (bis 2017)
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Bruno Labbadia (bis 2009)
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Sascha Lewandowsk­i (2014)
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Michael Skibbe (bis 2008)
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Sami Hyypiä (bis 2014)
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Klaus Augenthale­r (2005)

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