Rheinische Post Krefeld Kempen
Ex-Borussia-Profi: „Ich war einfach nicht professionell genug“
Monatelange hatte er durch ein großes Transfer-Hickhack für Schlagzeilen gesorgt. Er selbst hat bislang geschwiegen. Nun spricht der Mittelfeldspieler.
NEAPEL (dpa) Im Sommer 2017 war Amin Younes ein Shootingstar im deutschen Fußball. Er stand mit Ajax Amsterdam im Europa-League-Finale, wurde Nationalspieler und Confed-Cup-Sieger. In den vergangenen Monaten wurde er als „Vertragsbrecher“und „Arbeitsverweigerer“bezeichnet.
Herr Younes, wie konnte das alles passieren?
Younes Es ist sehr viel passiert, und das ist alles nicht spurlos an mir vorbeigegangen. Deshalb habe ich mich auch in der ganzen Zeit nicht dazu geäußert. Irgendwann wusste ich gar nicht mehr, was ich sagen sollte. Nun geht es mir gut, ich habe die Dinge auch in mir geordnet und deshalb möchte ich nun einiges erklären.
Haben Sie sich in der Zeit manchmal im falschen Film gefühlt?
Younes Ja, auf jeden Fall. Es war schon extrem. Es sind Dinge passiert, die ich in dieser Masse und diesem Ausmaß nie für möglich gehalten hätte. Aber ich suche die Schuld nicht bei anderen.
Also haben Sie sich das alles zuzuschreiben?
Younes Ich bin für alles, was ich tue, selbst verantwortlich und trage die Konsequenzen. Ich habe Fehler gemacht. Ich habe den falschen Menschen vertraut, war naiv. Das kreide ich mir an. Es war klar, dass ich im Sommer ablösefrei sein werde. Deshalb haben mir manche Leute Flöhe ins Ohr setzen wollen. Und ich habe sie mir leider reinsetzen lassen.
Fühlen Sie sich auch ungerecht behandelt?
Younes Jeder wird im Leben mal ungerecht behandelt. Jetzt war es in der einen oder anderen Sache vielleicht bei mir so. Aber ich will nicht auf Mitleid machen. Wie gesagt: Ich übernehme dafür die Verantwortung. Ich bin jung, und habe mich vielleicht zu sehr von Emotionen leiten lassen. Die Dinge, die passiert sind, kann ich nicht mehr ändern. Aber ich kann und werde daraus lernen.
Fangen wir mal von vorne an. Es heißt, dass Sie 2017 Ajax Amsterdam verlassen wollten und nicht durften.
Younes Das stimmt. Ich habe dem Verein nach dem Confed-Cup mitgeteilt, dass ich gerne den nächsten Schritt gehen möchte. Das hat leider nicht geklappt. Danach war dasVerhältnis etwas schwierig, dann war ich auch noch verletzt. Aber es hat sich eigentlich wieder eingerenkt. Viel schlimmer war die Sache mit Abdelhak Nouri.
Ihrem Mitspieler, der nach einem Testspiel gegen Bremen ins Koma fiel.
Younes Richtig. Eine schreckliche Geschichte. Wir hatten viele jun- ge Spieler, die schon in der Jugend mit ihm zusammengespielt haben. Denen hat man den Kummer jeden einzelnen Tag angesehen. Und auch ich hatte ein sehr, sehr enges Verhältnis zu ihm und seiner Familie. Er saß in der Kabine neben mir. Wir haben dieselbe Religion, dieselbe Kultur. Er ist ein ganz feiner Junge, wie es sie in diesem Geschäft nur noch selten gibt. Deshalb hat das alles sehr weh getan.
Im Januar wollten Sie zu Neapel wechseln. Sie haben den Medizincheck absolviert, ließen sich mit Neapel-Schal fotografieren und sollen auch schon einen Vertrag unterschrieben haben.
Younes Das stimmt nicht. Ich möchte nicht zu sehr ins Detail gehen. Was ich sagen kann, ist: Ich wurde falsch beraten, die Kommunikation war schlecht. Aber ich habe keinen Vertrag unterschrieben.
In den Medien hieß es damals, Sie seien nicht nach Neapel gewechselt, weil Ihnen die Stadt nicht gefallen habe. An anderer Stelle hieß es, Sie seien auf offener Straße von einem
Mafioso angegangen worden.
Younes Beides ist völliger Quatsch. Die Stadt habe ich in den vier Tagen, die ich dort war, gar nicht gesehen. Der Medizincheck war in Rom, die anderen drei Tage habe ich im Trainingszentrum verbracht, das 40 Minuten vom Zentrum entfernt ist. Jetzt bin ich seit zwei Monaten hier und finde diese Schlagzeile noch schrecklicher. Denn es ist eine sehr schöne Stadt mit vielen tollen und herzlichen Menschen. Und nicht nur mir wurde Unrecht getan, sondern auch ihnen.
Wie schwer fiel danach die Rückkehr nach Amsterdam
Younes Sehr schwer. Und es hat sich dann so zugespitzt, dass ich mich zu dem größten Fehler habe hinreißen lassen.
Sie meinen, im Spiel gegen Heerenveen die Einwechslung verweigert zu haben?
Younes Ja. Da braucht man nicht drumherumzureden. Das war falsch, den Teamkollegen und dem Verein gegenüber. So etwas macht man nicht. Ich bin ein jun- ger Mensch und mache Fehler. Aber als Profi hat man einfach eine Vorbild-Funktion.
Wie kam es dazu? Hatten Sie sich durch die Einwechslung beim Stand von 4:1 in der Nachspielzeit gedemütigt gefühlt?
Younes Ich war einfach enttäuscht. Eine Woche vorher hatte ich nach meiner Einwechslung gut gespielt und ein Tor vorbereitet. Aber das rechtfertigt meine Reaktion nicht. Man muss immer professionell bleiben.
Wieso sind Sie im Endeffekt doch in Neapel gelandet?
Younes Wir haben uns im Juli wieder zusammengesetzt und alles anständig besprochen. Und am Ende haben sie mich sogar verpflichtet, obwohl ich zum Zeitpunkt der Vertragsunterschrift schwer verletzt war. Ich habe im Urlaub mit einem Privattrainer trainiert und habe mir bei einer Sprint-Übung die Achillessehne gerissen. Dass Carlo Ancelotti sagte: „Der Junge ist verletzt, aber den kriegen wir hin“, war die größte Wertschätzung für mich.