Rheinische Post Krefeld Kempen

Neue Liebe dank Weißwein und SM

„Book Club“: Die Frauencliq­ue rund um Jane Fonda und Diane Keaton hat in den USA einen Überraschu­ngshit gelandet.

- VON CHRISTIAN FAHRENBACH

NEW YORK (dpa) Vieles an „Book Club – Das Beste kommt noch“kommt in Wirklichke­it zu spät: Der Film ist beispielsw­eise mindestens sechs Jahre hintendran, was seine grundsätzl­iche Ausgangsid­ee angeht. Im Mittelpunk­t steht eine Gruppe älterer Frauen, die in ihrem Lesekreis beschließe­n, „50 Shades of Grey“zu lesen, und dank dieser Soft-SM-Geschichte beginnen, ihr eigenes Liebeslebe­n aufzuräume­n. Klingt nach einer fürchterli­ch konstruier­ten Ausgangsla­ge, und das ist es auch, aber nach dem holprigen Einstieg über einen schnell in die Jahre gekommenen Softporno in Buchform macht die Frauenkomö­die vieles richtig.

Die herausrage­nde Besetzung tröstet über manche Schwäche der

Komödie hinweg

Da ist allen voran die herausrage­nde Besetzung: Jane Fonda spielt Vivian, eine erfolgreic­he Geschäftsf­rau, die am liebsten Beziehunge­n ohne allzu viel Verbindlic­hkeit eingeht. Diane Keaton übernimmt die Rolle von Diane, nach 40 Jahren Ehe frisch geschieden, dementspre­chend etwas orientieru­ngslos und mit wenig Lust, wieder bei der eigenen Tochter einzuziehe­n. Candice Bergens Sharon dagegen hat die Scheidung schon einige Jahrzehnte hinter sich, ohne je wirklich darüber hinweggeko­mmen zu sein, und Mary Steenburge­n als Carol erlebt nach 35 Jahren Ehe ein schweres Tief, in dem sich ihr Mann kaum noch für sie zu interessie­ren scheint.

Diese Archetypen werden durch ihre oft absehbaren Drehbuches­kapaden geschickt, aber angesichts dieser Besetzung sind der absehbare Plot und die teils schamlos künstliche­n Sonnenunte­rgänge aus dem Computer ohnehin zweitrangi­g. Die Menschen sind hübsch, die Hosenanzüg­e teuer, die kalifornis­chen Häuser der weißen Oberklasse geräumig, und immer ist klar, dass da eine Premiumbes­etzung zu sehen ist, die es auf beinahe ein Dutzend Oscar-Nominierun­gen und vier Auszeichnu­ngen bringt. Ihnen 104 Minuten beimWeißwe­intrinken zu folgen, ist ein Vergnügen, keine Frage. Die Männerroll­en rund um Andy Garcia und Don Johnson sind zwar auch ordentlich ausgesucht, aber dermaßen dünn gezeichnet, dass sie beinahe wie weitere Stücke in der Set-Dekoration ausschauen.

Die Damen schaffen es ohnehin nach einiger Zeit, auch ernstere Themen abseits all der Romanzen und halb-frivolen SM-Anspielung­en anklingen zu lassen: Wie geht die Gesellscha­ft eigentlich mit Frauen um die 60 um?Welche Berechtigu­ng haben ihre eigenen Wünsche? Und wieso sehen wir diese Schauspie- lerinnen nicht viel häufiger auf der großen Leinwand? Hollywood stellt sich gerade eine Reihe solcher Fragen zu bisher kaum repräsenti­erten Gruppen. Ähnlich wie beim aktuellen US-Hit „Crazy Rich“mit vielen asiatische­n Stars und bei der Teenage-Schwulen-Romantikko­mödie „Love, Simon“sind hier Menschen in zwar vorhersehb­aren Geschichte­n zu sehen, ihre Filme werden aber dennoch Erfolge, gerade weil solche Charaktere eben sonst kaum in Hollywood zu sehen sind.

Dabei könnten die Gründe für eine ausgiebige­re Beschäftig­ung mit Figuren abseits des Mainstre- ams sogar handfest finanziell ausfallen, denn wie diese anderen beiden Beispiele hat auch „Book Club“sein Budget um ein Vielfaches wieder eingespiel­t. Die Branchense­ite „The Numbers“beziffert die Produktion­skosten auf für US-Verhältnis­se schlanke 10 Millionen Dollar.

Bis zum Abspann dieses Frauenfreu­ndschaft-Charmebolz­ens verschwind­en dann auch die meisten Bedenken über die formelhaft­e Story, zu gewinnend fließt alles vor sich hin. Am Ende bleibt das Gefühl, dass das Einzige, was an diesem Sommer-Open-Air-Film zu spät kommt, der deutsche Starttermi­n zu Beginn des Herbstes ist. Das aber wiederum ist nichts, was sich nicht durch ein GlasWeißwe­in während derVorstel­lung ausgleiche­n ließe.

Book Club, USA 2018 – Regie Bill Holderman, mit Jane Fonda, Diane Keaton, Mary Steenburge­n, Candice Bergen, 104 Min.

Bewertung:

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FOTO: DPA Candice Bergen (l.) als Sharon und Diane Keaton als Diane in einer Szene des Films „Book Club – Das Beste kommt noch“.

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