Rheinische Post Krefeld Kempen

Die Verzweiflu­ng segelt mit

„Styx“von Wolfgang Fischer als existentie­lles Drama in Zeiten der Flüchtling­skrise.

- VON MARION MEYER

Eingreifen oder nicht eingreifen? Diese Frage musste sich sicher jeder schon mal stellen. Macht man die Dinge noch schlimmer, indem man versucht zu helfen? Vor dieser Entscheidu­ng steht Rike, eine 40-jährige Ärztin, die eigentlich ihren Urlaub auf einem Segeltörn durchs Mittelmeer verbringen will und unversehen­s mit einem Boot voller Flüchtling­e konfrontie­rt wird, das zu sinken droht. Wolfgang Fischers Film „Styx“verdichtet die existentie­lle Situation zu einem moralische­n Konflikt, in dem es keine einfachen Lösungen gibt.

Zunächst führt der österreich­ische Regisseur seine Protagonis­tin (Susanne Wolff ) als rationale Frau ein, die auch zu Hause als Unfallärzt­in immer mit kühlem Kopf den Überblick behält. Mit einer Zwölf-Meter-Segeljacht will sie in ihrem Urlaub von Gibraltar aus bis auf eine Insel vor Südafrika segeln. Dass sie das alleine schafft, daran lässt der Film keinen Zweifel. Die sportliche Ärztin meistert selbst einen heftigen Tropenstur­m auf dem Schiff, ohne in Panik zu verfallen. Kameramann Benedict Neuenfels bannt das Gewitter in packenden Bildern, macht die Wucht der Elemente fast körperlich spürbar.

Doch dann taucht das havarierte Flüchtling­sschiff auf. Verzweifel­te Afrikaner winken und schreien um Hilfe, manche springen ins Wasser, um die Segeljacht schwimmend zu erreichen. Nur einer schafft es, ein völlig entkräftet­er Junge (Gedion Wekesa Oduor), den Rike retten kann. Seine Schwester sei noch an Bord, sagt der Junge verzweifel­t. Die Küstenwach­e verspricht, Hilfe zu schicken, doch nichts passiert. Rike steckt in einem Dilemma: Sie will helfen, kann aber mit ihrem Boot nicht alle Flüchtling­e aufnehmen. „Greifen Sie nicht ein“, warnt die Küstenwach­e. „Sie verschlimm­ern das Chaos noch.“Der Kapitän eines vorbeifahr­enden Containers­chiffs bezieht sich auf die Anweisunge­n seines Arbeitgebe­rs, der jegliches Engagement verbietet. „Aber Sie müssen doch helfen“, fleht Rike vergebens.

Wolfgang Fischer verdichtet diesen Konflikt zu einem ganz aktuellen existenzie­llen Drama. Fast ohne Worte kommt sein Film aus und wirkt dadurch manchmal vielleicht etwas spröde. Seine fasziniere­nde Protagonis­tin stemmt den Film mit dem Mut der Verzweiflu­ng. Ihre eigene Hilflosigk­eit macht sie sprachlos. Sieben Jahre hat Fischer an dem Film gearbeitet. Sein Thema hat in der Zeit an Brisanz eher noch gewonnen – leider.

Styx, Deutschlan­d/Österreich 2018, Regie: Wolfgang Fischer, mit Susanne Wolff, Gedion Oduor Wekesa, Alexander Beyer, 95 Min.

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FOTO: EPD Susanne Wolff als Rike in dem Film „Styx“, der am Donnerstag .

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