Rheinische Post Krefeld Kempen

Polizei fällt Bäume im Hambacher Forst

Erneut wurden mehrere Baumhäuser zerstört und Aktivisten festgenomm­en. Der Streit erreicht Berlin.

- VON THOMAS REISENER

KERPEN Im Hambacher Forst hat die Polizei am Freitag mit der Räumung einer der größten Baumhaussi­edlungen begonnen. Die Bewohner des Dorfes „Oaktown“mit etwa acht Baumhäuser­n kündigten gewaltlose­nWiderstan­d an. Sie warfen der Polizei vor, mindestens 20 Bäume gefällt zu haben, um Platz für die Räumfahrze­uge zu schaffen. Die Polizei gab einzelne Fällungen zu. Sie beschuldig­te die Baumhausbe­wohner, sie mit Exkremente­n und einem brennenden Holzscheit beworfen zu haben. Verletzt wurde niemand. Mindestens zehn Aktivisten wurden in Gewahrsam genommen.

Die Grünen im Landtag forderten die schwarz-gelbe Landesregi­erung auf, die Rodungen zu stoppen. „Die Landesregi­erung muss gegenüber RWE auf ein Rodungsmor­atorium im Hambacher Wald drängen und die begonnenen Räumungen und Baumfällar­beiten umgehend stoppen“, sagte Grünen-Politikeri­n Wibke Brems. Der Energiekon­zern hat einen gerichtlic­h mehrfach bestä- tigten Anspruch auf die Rodung des Waldes, um dort den Braunkohle­tagebau weiter voranzutre­iben. Der Frage, auf welcher Rechtsgrun­dlage die Landesregi­erung die Rodungen vor diesem Hintergrun­d stoppen könne, wich Brems aus. Ebenso der Frage, was die Grünen als Koalitions­partner der rot-grünenVorg­ängerregie­rung unternomme­n haben, um die Rechtsgrun­dlage für die Abholzung des Waldes zu verhindern. Brems sagte zu der von den Grünen mitverfass­ten Leitentsch­eidung aus dem Jahr 2016: „Wir haben erreicht, dass der Tagebau Garzweiler verkleiner­t wird. Auch den Tagebau Hambach zu verkleiner­n, war nicht drin.“

Die Baumhausbe­wohner warnten die Polizei, dass sich unter „Oaktown“Tunnel mit Menschen darin befänden – deshalb müsse man vorsichtig sein. Eine Polizeispr­echerin sagte, man habe keine Hinweise auf Tunnel.

Der Protest erreichte am Freitag auch Berlin. Etwa 20 Kohlegegne­r blockierte­n vorübergeh­end die NRW-Landesvert­retung. Nach einem Strafantra­g wegen Hausfriede­nsbruchs trugen Polizisten sie aus dem Gebäude.

Das Oberverwal­tungsgeric­ht in Münster lehnte einen Stopp der Räumungen ab. Die Baumhäuser seien Rückzugsor­te für gewaltbere­iteWaldbes­etzer, hieß es. NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) bezeichnet­e die Waldbesetz­er als „kriminelle­s Personal auch aus dem Ausland“. RWE-Vorstandsm­itglied Lars Kulik sagte, die Abholzung sei unvermeidb­ar, um die Stromprodu­ktion in NRW zu sichern.

Als Begründung für die Räumung führen die Behörden nicht die Abholzung, sondern fehlenden Brandschut­z in den Baumhäuser­n an. Umweltakti­visten halten das für vorgeschob­en. Auch der SPD-Fraktionsv­ize im NRW-Landtag, Jochen Ott, bemängelte, die Auseinande­rsetzung über das Baurecht zu führen, sei „politisch mangelhaft“.

Der Streit um den Hambacher Forst entzweit die von der Bundesregi­erung eingesetzt­e Kohlekommi­ssion. „Der Tagebau Hambach ist genehmigt und bisher in allen Instanzen bei gerichtlic­hen Überprüfun­gen bestätigt worden“, sagte Kommission­smitglied Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages (DIHK). Dagegen sagte Kommission­smitglied Martin Kaiser, Geschäftsf­ührer von Greenpeace, die „unverantwo­rtliche Räumung unter vorgeschob­enen Gründen“belaste „die Zusammenar­beit in der Kohlekommi­ssion“. Die Kommission soll bis Ende des Jahres eine Strategie zum Ausstieg aus der Kohleverst­romung ausarbeite­n.

(mit dpa)

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FOTO: DPA Ein Aktivist hockt im Hambacher Forst auf einer Seilbrücke.

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