Rheinische Post Krefeld Kempen
„Liberalität ist keine Schönwetterangelegenheit“
Im Franziskanerkloster feierte die Kempener FDP den 70. Geburtstag. Festredner war der Jurist Udo Di Fabio.
KEMPEN Der zweite Weltkrieg war noch nicht lange zu Ende, da gründete sich in Kempen 1948 der Ortsverband der Freien Demokraten (FDP). Daran erinnerte am Samstag die Partei im Kulturforum Franziskanerkloster im Beisein zahlreicher Gäste aus Reihen der Partei sowie Kempener Vereine und Institutionen.
Der Vorsitzende Odilo Heitzig dankte zunächst den Mitgliedern für ihr Engagement in den vergangenen Jahrzehnten. Dieses sei gerade in den heutigen Zeiten immer wichtiger. Es komme darauf an, zu sagen, was man meint. Die Fraktionsvorsitzende IreneWistuba erinnerte an den Beginn des Ortsverbands. Mitbegründer war der Schreibwarenhändler Werner Lange von der Engerstraße. Damals konnte die FDP noch auf stolzeWahlergebnisse von 25 Prozent kommen. Diese Zeiten sind lange vorbei, aber Politiker wie Willi Furth, Ingrid Silbereisen und nicht zuletzt Christel Scommoda haben lange Jahre die Kempener Politik geprägt.
Im Festvortrag hob der ehemaligeVerfassungsrichter Professor Udo Di Fabio die Bedeutung von Liberalität und Demokratie hervor. Angesichts der Entwicklungen in Eu- ropa und der Welt habe dies immer mehr Wert. Die Mütter und Väter des deutschen Grundgesetzes hätten bewusst in den ersten Artikeln die Freiheit und Wertschätzung des Menschen vor dem Anspruch des Staates gesetzt. DieWürde des Menschen sei damit in jeder Form als unantastbar festgelegt. Aber auch, dass die Solidarität mit der Gemeinschaft als auch die Toleranz gegenüber den Anderen unabdingbar sind.
Di Fabio zeigte auf, dass diese Vorstellung einer Welt aus Gemeinschaft und Verantwortung für die Gesellschaft ihre Grundlage schon in den Befreiungsbewegungen von 1848 hatten. Dies sei eine schwierige Aufgabe, die es stets neu zu erarbeiten und zu verstehen gelte. Er erinnerte daran, dass 1990 nach dem Fall der Mauer die Menschen dachten, nun sei alles in Ordnung. Aber das habe sich als falsch herausgestellt. Vielmehr gebe es eine zunehmende Polisarisierung in Deutschland, Europa und der Welt. „Liberalität ist keine Schönwetterangelegenheit” mahnte er. Vielmehr sei dies eine soziokulturelle Aufgabe für alle Staaten.
Der frühere Richter wies dabei auch auf die Verantwortung von Erziehung und Bildung hin. Dabei müssten Familien und Institutionen gemeinsam arbeiten. Das bezog er auch auf den zunehmenden Einfluss der Medienwelten. Demokratie undVerantwortung müsse schon früh beispielhaft vorgelebt werden. Jenseits der Demokratie gebe es keine Liberalität, meinte er. Für die Grundlagen der Demokratie müsse man intensiver werben. Ansonsten würde die Gesellschaft langsam verwahrlosen. Diese Entwicklung sieht er offensichtlich mit sehr viel Bedenken. Man merkte dem Publikum an, dass diese Festrede viel Eindruck machte. Viele nutzten noch die Gelegenheit, nach dem Festakt ins Gespräch zu kommen.