Rheinische Post Krefeld Kempen
Viersener Salon wird zum Tee-Salon
Unter dem Motto „It’s teatime“zeigt der Verein für Heimatpflege in der Villa Marx eine Ausstellung rund um den Tee. Die Grundlage sind zahlreiche Messingkannen, die in den vergangenen 300 Jahren für die Teezubereitung genutzt wurden. Zum Auftakt lockte ei
VIERSEN Die verrückteste Teegesellschaft der Literatur wird wohl die sein, auf die Alice im Wunderland trifft: Da sitzen ein Hase und ein Hutmacher am Teetisch, die Ellbogen auf ein schlafendes Murmeltier gestützt. Weil man in England Tee mit Milch trinkt, steht auf dem Teetisch auch ein Milchtopf. Und natürlich eine Teekanne. Davon erfährt der Leser, als Hase und Hutmacher versuchen, das Murmeltier in die Kanne zu stecken.
Ob der Autor Lewis Carroll sich diese Teekanne aus Messing vorgestellt hat, als er 1864 die Alice-Geschichte schrieb? Vielleicht. Denn zu der Zeit, das zeigt eine neue Ausstellung in Viersen, waren Teekannen aus Messing in Europa weit verbreitet. Gut 300 Jahre verwendete man in England und Frankreich, Russland und Deutschland Messingkannen in den unterschiedlichsten Größen und Formen, manche schlicht, andere aufwendig dekoriert.
Die Teekanne aus Messing – vom kleinen Kännchen, in dem der schwarze, starke Tee ziehen konnte, über den prunkvollen russischen Samowar bis zu den ersten Kesseln, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht mehr mit Holzkohle oder Stövchen, sondern elektrisch beheizt wurden – bildet die Grundlage der Ausstellung „It’s teatime“. Sie ist seit Sonntag im Viersener Salon zu sehen. Der Verein für Heimatpflege präsentiert die reizvolle Schau in der Villa Marx in Kooperation mit dem Brass Collectors Club Germany (Messing-Sammler-Klub Deutschland) aus Viersen.
Kuratiert wurde die Ausstellung von der Historikerin Britta Spies, die mit Hilfe vieler Messing-Exponate der Geschichte des Tees, der Teezeremonien und der Teegesellschaften in Europa nachging. Auf kleinen Tischchen ist das Zubehör zu sehen, das man beispielsweise für eine traditionelle Teezeremonie in Ostfriesland (mit Kluntjes und Sahne) oder in England (mit Gebäck und Konfitüre) braucht. In Vitrinen sind all die Gegenstände zu sehen, die man für den Teegenuss nutzte – und die alle aus Messing sind: Teedosen und -siebe, Kannen und Kessel, Stövchen und Kohlebottiche, Tee-Urnen, Samoware und Dröppelminnas, Teetassen und -gläser. Und sie wurden genutzt, sagt Spies: „Die Exponate sehen aus wie Kunstgegenstände, es handelt sich aber um Gebrauchsgeschirr.“Das kann die Historikerin auch belegen: Im Inneren der Kannen sind häufig die Spuren langjähriger Nutzung zu sehen.
Dazu hat Spies Gemälde ausgewählt, die Menschen beim Tee zeigen. In der Regel sind es Frauen, die sich um den Teetisch versammeln. Kein Wunder, dass es in diesen Szenen kaum Männer gibt: Der Besuch der Kaffeehäuser war lange Zeit den Männern vorbehalten. Als der Tee Einzug inWesteuropa hielt, verabredeten sich die Damen zu Teekränz- chen.
Der Viersener Salon hat mehr zu bieten als Vitrinen mit Ausstellungsstücken: An mehreren Monitoren können Besucher auf den Bildschirm tippen und mehr erfahren über die Ernte des Tees, über Be-
Liselotte von der Pfalz griffe wie Teeparty, Teegesellschaft oder Teerennen und überViersener, die im Film erklären, ob sie nun Tee oder Kaffee bevorzugen.
Nach Viersen führte einst auch der Weg der Firma Teekanne: Das ursprünglich in Dresden ansässige Unternehmen bezog nach dem Ende des ZweitenWeltkriegs Lagerräume in Viersen, die die Firma Kaiser’s (die früher nicht nur Kaffee, sondern auch Tee verkaufte) zur Verfügung stellte. Spies zufolge suchte Teekanne damals ein größeres Firmengelände in Viersen, fand aber keins – und ging nach Düsseldorf-Heerdt. Noch in den 1970er-Jahren interessierte sich Teekanne für eine Ansiedlung in Viersen, doch auch die schlug fehl. Noch heute hat Teekanne seinen Sitz in Heerdt.
In den verschiedenen Ländern wird der Tee zu unterschiedlichen Zeiten genossen. In Ostfriesland beginnt man um 11 Uhr morgens mit dem Teetrinken, in England schätzt man den Breakfast Tea ebenso wie den Five-o-clock-Tea. Wie man wo den Tee trank, wollen die Organi- satoren des Vereins für Heimatpflege wöchentlich mit unterschiedlichen Teezeremonien zeigen – am Sonntag gab es zur Ausstellungseröffnung den Tee so, wie man ihn in England trinkt.
Auf einer Leinwand ist anhand zahlreicher Zitate auch zu lesen, dass der Tee im Laufe der Zeit viele Liebhaber fand, aber auch Menschen, die mit Tee nichts anfangen konnten. Eine davon: Liselotte von der Pfalz, die 1652 in Heidelberg geboren und mit dem Bruder des französischen Königs verheiratet wurde. Den Tee, den man bei Hofe trank, fand Liselotte offensichtlich scheußlich:„Tee kommt mir vor wie Heu und Mist, mon Dieu, wie kann so was Bitteres und Stinkendes erfreuen? Was ich aber wohl essen möchte, wäre eine gute Kaltschale oder eine gute Biersuppe.“
„Tee kommt mir vor wie Heu und Mist, mon Dieu, wie kann so was Bitteres und Stinkendes er
freuen?“
Schwägerin des französischen Königs